Einstürzende Neubauten - Köln

11.07.2008 | 14:37

18.05.2008, E-Werk

Die Berliner Ausnahmeband EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN präsentiert in Köln ein aufregendes wie eindrückliches Programm an alternativer Songkonstruktion.

Ausnahmeerscheinungen sind immer so eine Sache. Selten populär, immer maßgebend und irgendwie immer nur im Kleinen zu ertragen. Mit den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN verhält es sich seit Jahren bei mir nicht anders. Jedes Mal großartig, jedes Mal denkwürdig, aber auch jedes Mal nur in Maßen zu genießen.

Am 18. Mai bekam ich endlich die Gelegenheit, zu erfahren, ob sich diese Faustregel auch auf die Liveperformances der Band übertragen würde, und so stand ich pünktlich um 20:00 Uhr im gut gefüllten E-Werk und wartete darauf, dass die Band endlich auftaucht.

Vorbands gab es selbstverfreilich keine; die typisch baustellenmäßig hergerichtete Bühne ließ auch nichts anderes zu. Hatte man auf anderen Konzerten in der Stadt immer wieder das Gefühl verdammt, alt geworden zu sein, gehörte man an diesem Abend im E-Werk definitiv zu den jüngeren Anwesenden. Der Altersdurchschnitt dürfte mit dreißig noch recht jung gerechnet sein, was bei dem Alter der Band mittlerweile auch nicht verwunderlich ist. Die Jüngsten an dem Abend waren wohl zwanzig, die Ältesten sechzig, wenn nicht älter. Eigentlich eine interessante und irgendwie beruhigende Erfahrung, wenn man mitbekommt, wie der Jugendwahn selbst den Rock 'n' Roll überschwemmt.

Als mit einer halben Stunde Verspätung dann schließlich Mr. Bargeld die Bühne betrat und ihm brav im Gefolge die Band, wurde erst einmal erklärt, dass die Verspätung mit einem verreckten Tourbus zu tun hatte. Als die Band dann endlich die Ruhe gefunden hatte, um anzufangen, begann an dem Abend auch ein völlig neues Kapitel. Und wenig später brach sich die Erkenntnis Bahn: Die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN live sind eine Erfahrung.

'Die Wellen' war schon ein perfekter Einstieg, wurde durch den Song und die eindringlichen Worte Bargelds doch die Spannung direkt am Anfang auf einen frühen Höhepunkt zu getrieben. Die Aufmerksamkeit war den Jungs, alle passend im Anzug (bis auf Alexander Hacke am Bass), nach diesem Einstieg ausnahmslos sicher. Dass mit 'Nargorny Karabach' der durch die Wellen aufgebauten Spannung ein krasser Dämpfer verpasst wurde, störte niemanden; auf dem Album "Alles wieder offen" funktionierte das Prinzip mit dem sehr ruhigen und bedächtig vor sich hinplätschernden Song schließlich auch.

'Dead Friends' kann man ja schon fast als melodisch-eingängig bezeichnen, und so verquer die Klangkonstruktionen der Band auch wirkten, sie verfehlten ihre Wirkung nicht: Das Publikum war begeistert.

Mit 'Let's Do It A Da Da' erweckte man das Volk wieder aus seiner Trance, und die mit den auf der Bühne aufgebauten Bauutensilien (Bohrer auf Metallplatte, elektrische Resonanzen, PVC-Rohre, Metallstangen und so weiter und sofort) wurde eine großartige Klangkulisse aufgebaut, die wirklich keinen unberührt ließ. 'Weil Weil Weil' erschien in der Folge dann schon wieder sehr surreal, aber auch sehr rhythmisch, weshalb das Volk in den Strophen immer wieder dazu animiert wurde, sich zu bewegen, was an diesem Abend selten genug vorkam.

'Unvollständigkeit' stellte in seiner anfänglichen Ruhe und seiner sich dann aufbauenden Spannung wieder einen neuerlichen Höhepunkt dar, besonders für den Part von Blixa Bargeld, der für den Neuling aufgrund der ungewöhnlichen, aber sehr effektiven und stimmungsvollen Instrumentalarbeit stark in den Hintergrund gedrückt wurde.

Mit 'Tagelang Weiß' kam dann ein Song, den ich noch gar nicht kannte, der sich aber in seiner Eindrücklichkeit perfekt in die Reihe der Songs fügte und dafür sorgte, dass die ruhigen Vorminuten kraftvoll abgeschlossen wurden.

Pompös wurde es nachher mit einem Medley, das sich schließlich in 'Von Wegen' auflöste und die letzten Sekunden durchaus melodisch unterstrich. Im Endeffekt ein neues Kapitel im Buch der Soundeindrücke dieses Abends.

'Die Befindlichkeit des Landes' sorgte mit seiner rhythmisch-druckvollen Art für eine passende Untermalung der Worte Bargelds. Donnernd eingeprägte Vergänglichkeit. 'Sabrina' pegelte die Unruhe dann wieder auf ein Maß herunter, das der Band sämtliche Ohren sicherte, die ruhig voranschwimmende Klangkonstruktion führte die sich verdichtende Atmosphäre fort, und 'Susej' ballte die Faust auf sehr gekonnte Art und Weise, ohne wirklich aufdringlich zu sein. Da stimmte einfach jeder Ton, und auch als mit 'Ich warte' der stimmungsvoll-melodische Abschluss des Konzerts geschaffen wurde, gab es für das Publikum kaum eine Sekunde Zeit zum Luftholen.

Natürlich ließ die Band sich vom jubilierenden Publikum wieder auf die Bühne zerren und führte das Programm gleich mit dem sehr minimalistischen 'Ein leichtes Säuseln' fort, während mit 'Heaven Is Honey' urbane Clubstimmung aufkam.

'Wenn dann' und 'Alles' führten dann noch einmal mit Schwung auf das zweite Ende des Abends zu, wobei Bargeld sich beim letzten Track noch einmal ein deutliches Duell mit der Instrumentalfraktion lieferte. Zuletzt ließ sich die Band dann für 'Ich hatte ein Wort' doch noch einmal auf die Bühne befördern, was mit seinem Rhythmus und der leichten Struktur dann schon fast wieder im Kontrast zu den zuvor gespielten Songs stand.

Alles in allem lässt sich das Konzert mit einem einzigen Wort beschreiben: eindrücklich. Für mich als EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN-Neuling war es eine unheimliche Erfahrung, die Klangkompositionen und alternativen Konstrukte der Band live zu erleben, mal davon abgesehen, dass die Band ohne Vorband auskam und letztendlich das ganze Publikum keine einzige Sekunde aus der Hand gab. Na ja, nicht das ganze. Einige Spezialisten unter dem Volk sorgten immer wieder für unangenehme Unterbrechungen, was dazu führte, dass Bargeld sich über eine Frau aufregte, welche direkt neben der Bühne laut telefonierte und von einem Kaugummi beworfen wurde. Die Tribünenplätze bekamen oft wenig vom Konzert mit, da sich gewisse Persönlichkeiten in lauter Dämlichkeit profilierten. Führte nicht nur auf der Bühne zu Unmut, doch konnte den Glanz des Konzerts nicht schmälern. Fantastische neunzig Minuten Ausnahmeprogramm!

01. Die Wellen
02. Nagorny Karabach
03. Dead Friends (Around The Corner)
04. Let's Do It A Dada
05. Weil Weil Weil
06. Unvollständigkeit
07. Tagelang weiß
08. Rampe/Von Wegen
09. Die Befindlichkeit des Landes
10. Sabrina
11. Susej
12. Ich Warte
13. Ein leichtes leises Säuseln
14. Heaven Is Of Honey
15. Wenn dann
16. Alles
17. Ich hatte ein Wort

Redakteur:
Michael Kulueke

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