Down - Köln

20.06.2006 | 10:42

20.05.2006, Live Music Hall

Dato Twentieth of May in the Year of Six ,
einen Tag nach dem Tourauftakt in Hamburg ,
beehrte eine Legende zu Lebzeiten die Live Music Hall zu Köln.
Die Rede ist von DOWN.
[Eike]

Nach Jahren des Darbens kamen DOWN (Allstarproject und Schwanzrock-Gottband) auf ihre erste Europatournee, mit zwar gerade mal zwei Gastspielen in Deutschland, jedoch einem davon in erträglicher Entfernung zur Heimatgemeinde, zudem an einem Samstag – na, besser geht's doch wirklich nicht. Hätte kaum zu hoffen gewagt, wie geil dieser Abend wird, aber wie es nun mal so ist mit großartigen Erlebnissen: Die Wirklichkeit übertrifft die Erwartung sowieso bei weitem. Mit dem Gefühl, mich mindestens in einem mittelstarken Delirium zu befinden, fuhr ich nach Köln, wo ich sofort nach Ankunft meinen Gebetsteppich entrollte und meine Wohltaten zählte. Konnte dies wirklich mir passieren, die ich DOWN schon seit 10 Jahren kultisch verehre? Es konnte und es tat.
[Sabine]

Wer sich in irgendeiner Form für harten Rock (Stoner, Heavy, Hardcore, sonstwas...) aus den Südstaaten interessiert, dem dürfte die Band ein Begriff sein. Nicht nur, weil sie ihre Basis in New Orleans, Louisiana (kurz: "NOLA" – und zugleich auch Titel des ersten Albums) und den Blues im Blut hat, sondern auch, weil sich hier eine wahre Super-Group des wogenden, tosenden, rollenden, dampfenden, stampfenden, sumpfenden, rauchenden, groovenden, walzenden, harten, feurigen, scharfen, unglaublich warmen Über-Rock zusammengefunden hat, ein Urgestein der Szene – nein: szeneübergreifend für alles was laut ist eine Kult-Formation –, eine Band von unglaublicher Spielfreude und Herrlichkeit in (hoffentlich auch) Ewigkeit. Amen.
[Eike]

Schon DOWN in Konservenform ist an manchen Tagen mehr als man aushalten kann. Definitiv Abdrehmusik zum Wild-Gegen-Die-Wände-Hopsen oder zumindest Sich-Um-Kopf-Und-Kragen-Bangen. Heavy Metal mit SABBATH-Einschlag, würzigen Blues-Anteilen, treibenden Rhythmen und Gitarren; Südstaaten-Patriotismus ohne Glorifizierung sondern eher mit kritischer Auseinandersetzung gegenüber Land und Politik. Musik die mit der Brachialgewalt eines Tropensturms über den Hörer hinwegfegt, groovig, verzwirbelt, schweißgebadet, drogendurchwirkt, ein langer Alptraum im Mangrovenhain zwischen ekligen Flugtieren und Alligatoren, knorrigen Baumwurzeln, Lianen und dem Ding aus dem Sumpf.
[Sabine]

Schon vor dem Eingang hatte sich die übliche Horde Langhaariger und anderer wüster Gestalten eingefunden, und darunter wimmelte es geradezu vor DOWN-Freaks in zugehörigen T-Shirts. Nach Einlass konnte man sich im Innenhof vor der Musikhalle an einem Freiluftstand noch das ein oder andere Bierchen oder sonstige Getränk zischen, bis die aus der Halle herausschallende Musik das Vorprogramm ankündigte.
[Eike]

Zunächst einmal gab's keine Vorband, was ich persönlich begrüßte. Ich wüsste niemanden der geil genug ist mit DOWN mitzuhalten, außerdem habe ich schon weit mehr schlechte als gute Vorbands ertragen müssen. Stattdessen gab's 'ne Filmvorführung auf Leinwand mit kultigen Backstage-Aufnahmen aller Bandmitglieder (wird sicher mal Bonusmaterial auf der angekündigten DVD) und Lieblingsclips längst verblichener Heldenbands, u. a. LED ZEPPELIN, BLACK SABBATH, BAD BRAINS, QUEEN, KISS, CRO-MAGS, MOTÖRHEAD und ein paar mehr. Außerdem den Clip zu 'Stone The Crow' von DOWN selbst, der frenetisch gefeiert wurde und ideal auf das eigentliche Konzert vorbereitete. Jeder der Anwesenden hatte Spaß, stimmungsvoller wurde ich noch nie eingeschunkelt. Super Idee!
[Sabine]

Als DOWN sich dann schließlich, zu lautem Jubel sowie den kongenial als finalen Aufkocher und spannungssteigernde Überleitung ausgesuchten Klängen des gemeinhin unterschätzten SABBATH-Instrumentalklassikers 'Supertzar' auf die Bühne bequemten, glich die Stimmung in der ausverkauften, mit Menschenmassen eng zugestellten Live Music Hall eher einem Happening, einer kultischen Orgie oder zumindest doch einer atavistischen Stammeszusammenkunft als einem durch und durch puren Rockkonzert – oder eben beidem zugleich. DOWN stiegen gleich mit einem Mördergroove ein, gaben einige Kracher zum Besten, und die proppenvolle Live Music Hall wogte begeistert mit.
[Eike]

Man stand zwar recht eng, aber dafür vergleichsweise friedlich, wie in einer großen, warmen, feuchten Umarmung, schweißtreibend war das ganze Unternehmen nämlich von vorneherein. Trotzdem gab es kein größeres Ungemach als höchstens mal ein bisschen pogen, niemand wurde zu Boden getreten und Ellenbogen in die Fresse gab's erst recht nicht. Jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.
[Sabine]

Die vor Spielfreude förmlich sprühenden Jungs pochten, sägten, grooveten und holzten uns durch ein gnadenlos gutes Set hochwertiger Songs...
[Eike]

...und machten von Beginn an richtig Dampf. Wer DOWN kennt weiß, wie druckvoll diese Musik allein aus der heimischen Anlage dröhnt. Und hier war's 100 mal besser, believe me. Ich habe noch kein Konzert besucht, bei dem der Sound dermaßen genial abgemischt war. Superausgewogen, kein einziges Störgeräusch, keine Hörschäden hinterher, einfach nur fettbratzgrunzgröhlgeil. Klasse Jungs, well done.
[Sabine]

Kurze und knackige Ansagen boten genügend Raum für ein das Schaffen der Band nahezu vollständig abdeckendes Programm, obschon eine genussvoll dargebotene Deklamation über die Freuden oraler Stimulation auch nicht fehlen durfte. Glückseligkeit.
[Eike]

Was den Auftritt an sich angeht fällt es schwer, Worte zu finden, geschweige denn die richtigen. Wie sagt man das, wenn man Gott trifft und er ist auch noch gutgelaunt und zu Scherzen aufgelegt und geht voll auf einen ein? Die Band war wirklich eine Band und nicht fünf Mitglieder unterschiedlicher Bands. Dieses Vertrauen und diesen Spaß hat man nicht einfach so untereinander, dazu muss man sich gut kennen und viel miteinander gejammt haben - und das war hier eindeutig der Fall. Sowieso hatte die ganze Atmosphäre viel Familiäres an sich, man fühlte sich wie im engsten Freundeskreis, war alles superlocker und die Leute auf der Bühne hätten genauso gut mittendrin stehen können. Näher wären sie mir da auch nicht gewesen.
[Sabine]

Sämtliche Bandmitglieder präsentierten sich in bester Form:

Der auf den ersten Blick unscheinbare Rex Brown (PANTERA, CROWBAR), der nach "NOLA" seinen Bandkollegen Todd Strange (CROWBAR) seit den Aufnahmen zum zweiten Album DOWN "II A Bustle In Your Hedgerow..." am Bass ersetzte, stellte ein tiefschürfendes Riff nach dem anderen in den Raum, schrieb sozusagen mit akustischem Pinsel G-O-T-T in die kräutergeschwängerte Luft…
[Eike]

...vom Aussehen her irgendwo zwischen ersäuftem Frettchen und Steve Buscemi; vom Charakter her irgendwie auch.

Ganz anders: Gitarrist Kirk Windstein (CROWBAR), Fleischberg aus der Hölle, in dessen mächtigem Brustkorb sicherlich ein gutes Herz schlägt. Böse Zungen behaupten, der könnte sich den Kopf abschrauben!
[Sabine]

Auch der hinter fett polternden Drums schwitzende, sichtlich gut gelaunte Jimmy Bower (C.O.C., EYEHATEGOD, PANTERA, SUPERJOINT RITUAL, u.a.) mit seinen gutmütigen, an den großen dicken Waldbär aus Janoschs Traumstunde erinnernden Augen überzeugte auf ganzer Linie und zog seinen glutheißen Drive bis zum sichtlich ermüdeten Abtritt voll durch.

Vor einem solchen Hintergrund gab Frontmann Phil Anselmo (PANTERA, SUPERJOINT RITUAL u. a.) natürlich ebenfalls alles, sang und shoutete aus vollem Halse, und gab allgemein eine derart mitreißende Performance ab, dass es eine wahre Freude war. Oder wie meine Begleitung anmerkte: So gut sah er seit Jahren nicht mehr aus...
[Eike]

...nach Jahren in der Drogenhölle fit-gemartert und längst kein Berserker mehr, aber immer noch eine Rampensau (die bleibt man auch sein ganzes Leben; dazu wird man nicht gemacht, dazu wird man geboren).
[Sabine]

Und Pepper Keenan? Nun, der Gitarrero war sowieso am Dauergrinsen und zudem voll und ganz in seinem Element aufgegangen: Ein rockender Hüne mit derbem Holzfällerbart und dem Schalk eines großen Jungen in den Augen, zwirbelte er ein Lick um das andere aus seiner saitenbespannten Wunderwaffe.
[Eike]

Pepper James Keenan in Stichworten: CORROSION OF CONFORMITY, Saftkeule, Charismat und GRG (Geilster real-existierender Gitarrengott). Bei seinem Anblick fällt es Frau übrigens auch verdammt schwer, sachlich zu bleiben (lechz).

DOWN sind ein feuerspeiendes Ungetüm, das sich von nichts aufhalten und besänftigen lässt, es nimmt sich was es will. Und so wurde hauptsächlich gerockt was die Köpfe hergaben, die Meute hielt wie in Ekstase dagegen und so schaukelten sich Band und Crowd immer höher und höher, bis es eigentlich nur noch im freien Fall nach unten hätte gehen können. Denkste! Es ging im Höhenflug und in Lichtgeschwindigkeit weiter geradeaus.

Bei den zumeist harten Songs ging richtig die Post ab, und mal im Ernst, braucht man als Fan bei 'Temptation's Wings', 'Lifer' oder 'Ghosts Along The Mississippi' tatsächlich noch Ermunterung? Da geht man doch von sich aus ab wie Sau, zumal die Jungs äußerst knackig spielten, das klang keineswegs wie auswendig-gelernt abgenudelt. Es war in jedem Stück noch Platz für Improvisationen und dieser wurde weidlich genutzt, ohne zur Lehrveranstaltung für angehende Gitarrenwichser zu verkommen.
[Sabine]

Beim beeindruckenden, wütend-morbiden Über-Song 'Lifer' zum Beispiel, konnte es einem trotz der mittlerweile überhitzten Raumluft kalt den Rücken herunter laufen und sämtliche Nackenhaare hochstellen: Der Song über einen ganz auf sich und seine Schuld zurückgeworfenen Sträfling, einen auf Lebenszeit aus der menschlichen Gesellschaft Ausgestoßenen, gehört zwar auch auf Platte schon zu meinen Favoriten, doch live ins Publikum geschleudert entfesselte sich erst sein wahres Potential. Inmitten einer abgehenden Menschenmasse konnte man doch tief in sich gehen, und sich für einen Moment selbst so fühlen, wie Anselmo es da gerade besang – und froh sein, dass man statt hinter anonymen Gefängnismauern vor sich hin zu vegetieren jetzt und hier zusammen mit der Band an etwas ganz Besonderem teilhaben und eine zwischenmenschliche, wenn nicht gar magische, Verbindung spüren durfte. Ich bin mir sicher, wer auch immer mit offenen Sinnen diesen Moment mit uns geteilt hat, wird – obschon in anderer Bedeutung – auch ein Lifer bleiben, und zwar dank, durch, für und mit DOWN.

Überhaupt war der Gig ein einziges Happening. Einzig ein aus der Masse emporgehaltener Deutschlandschal holte uns Huldiger der in jenen Momenten einzig wahren und in unserem Bewusstsein überhaupt noch existenten Band kurzzeitig in die schnöde Wirklichkeit eines irdischen Daseins zurück, wo es außer Heavy Metal, Southern Rock, Blues-Gefühl, Mörder-Grooves, Glücks-Bolzen im Publikum und Charisma-Heroen auf der Bühne bekanntlicherweise auch noch das Vorfeld solch profaner Dinge wie der Fußball-WM 2006 gibt, auch das kein Problem: Front-Shouter Phil Anselmo griff den ihm dargebotenen Stoff nur zu gerne auf, warf ihn sich kurzerhand um den Hals, und gab zum Dank einen weiteren Song an das begeisterte Publikum zurück. Was für eine Stimmung!

Mit den schlichten Worten "This next song is the truth" wurde einer der DOWN-Songs schlechthin angekündigt: Das grandiose 'New Orleans Is A Dying Whore', welches dann auch von Band und Publikum gleichermaßen zelebriert wurde. Nicht zuletzt durch Hurricane Katrina hat dieser wuchtige Slow Burner auf tragische Weise noch einiges an Aktualität hinzugewonnen. Das Bluesfeeling war so auch inmitten Heaviest Metal einmal mehr spürbar.
[Eike]

Die wenigen langsamen Stücke wurden zur willkommenen Klima-Pause im brodelnden Rhythmus-Vulkan. 'Learn From This Mistake' fand ich in Albumversion schon gut, aber es erschien mir auch immer etwas trocken, vielleicht ein bisschen spröde. Es handelt von Phils Drogensucht, die um ein Haar in einer tödlichen Überdosis endete. Live sprang der Funke jedoch derart über, dass die ganze Halle glühte, zitterte und bebte. Philip, der seine Lebensbeichte voller Pathos auf den Knien intonierte, den wild gniedelnden Pepper an seiner Seite – das traf mitten ins Metallerherz. Keine der anwesenden schwarzen Seelen blieb bei diesem Hammerstück unberührt. Ein weiteres Highlight war 'Jail', ruhig und mit Percussion im blauen Licht dargeboten, fast so was wie Hippie-Volksfest Woodstock-Stimmung verbreitend, total relaxt und lässig und cool.
[Sabine]

In den Zugaben schlugen DOWN noch einmal mit einigen alten Klassikern zu:

Zunächst wurde es richtig beschaulich, als Pepper Keenan und Jimmy Bower sich an die Bongos bequemten, um dort den wohl sphärischsten DOWN-Song überhaupt zu betrommeln: 'Jail'.
[Eike]

Die Kultschallmauer durchbrach dann das gelungene Ende aus 'Stone The Crow' (bei dem ungelogen jeder, jeder mitsang, fantastische Stimmung) und 'Bury Me In Smoke', mit eingeweide-erschütternden Gitarren und Drums, das spürte man wirklich bis in jede Körperwindung.
[Sabine]

Unter den Fans dürfte Einigkeit herrschen: Ein DOWN-Song zählt soviel wie zwei Songs einer anderen Weltklasseband. Bei solcher Kontoführung durfte dann auch nach einem lediglich 80-minütigen Konzert nur eine Bilanz gezogen werden: Dass es sich verdammtnochmal gelohnt hat, und dass DOWN ohnehin nicht in Gold aufzuwiegen sind.
[Eike]

Geil war's. Verdammt geil, verdammt genial, verdammt perfekt, verdammt einzigartig. Natürlich habe ich gehofft, dass alle Bandmitglieder tierisch abrocken, dass der Sound gut ist, dass wir gut sehen und dass die Leute ordentlich Stimmung machen. Aber konnte ich ahnen dass das auch wirklich alles eintrifft? So toll hab ich mir's nicht vorgestellt, es war gigantisch, von den Dutzenden Metalkonzerten die ich in meiner Karriere als Headbanger besucht habe, definitiv unter den besten drei.
[Sabine]

Gespielte Songs (ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder korrekte Reihenfolge):

Lysergik Funeral Procession
Temptation's Wings
Lifer
Hail The Leaf
Stained Glass Cross
Eyes Of The South
Losing All
There's Something On My Side
Ghosts Along The Mississippi
Learn From This Mistake
New Orleans Is A Dying Whore
Lies, I Don't Know What They Say But...
The Seed
Jail
Stone The Crow
Bury Me In Smoke

[Gastautorin: Sabine Jochem]

Redakteur:
Eike Schmitz

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