Clawfinger/Treekillaz - Berlin

07.03.2006 | 13:06

02.02.2006, SO36

CLAWFINGER waren Anfang der 90er eine der ersten härteren Bands, die in meiner damals noch unmetallischen Plattensammlung landeten (ja, hier schreibt eine bekennende 80er-Jahre-Metal-Verweigerin), und wie einer Jugendliebe bin ich ihnen auch nach Abflauen der anfänglichen Begeisterung stets wohlwollend und zuweilen leicht sentimental verbunden geblieben. Dabei haben sich die Crossover-Urgesteine - was gleichermaßen erschreckend wie erfreulich ist - stilistisch im Laufe der Jahre kaum verändert, und man konnte locker ein bis zwei Alben auslassen, ohne dabei den musikalischen Anschluss zu verlieren. Live bieten die Schweden aber nach wie vor gute Qualität - also nichts wie hin zum Nostalgie-Trip ins SO36, um zu den großen Hits der Anfangstage (ohne die ein CLAWFINGER-Konzert gar nicht funktionieren würde und an die man auch nie wieder so richtig anknüpfen konnte) abzumoshen.

Als Support-Act des zweiten Teils der Tour hat man die TREEKILLAZ verpflichtet, deren grunge-lastiger Alternative Rock irgendwo zwischen US-Bands wie PEARL JAM und CREED einen angenehmen Gegenpol zum aggressiven Crossover-Sound des Headliners bildet. "Hello Berlin, we are the TREEKILLAZ from - der Schweiz!" Haha, Überraschung gelungen! Und im Gegensatz zu den Umweltsündern der US of A drückt man bei den naturverbundenen Schweizern schon mal ein Auge zu, wenn sie unbedingt Bäume töten wollen. Dabei rocken die Eidgenossen gar nicht mal so holzfällerisch-derbe durch den Wald, sondern überraschen immer wieder mit melodischen Parts, die Sänger Bucher gekonnt meistert. Mit kleinen Anekdötchen über den bisherigen Tour-Verlauf (und ohne den geringsten schweizer Akzent) führt er durch das 45-minütige Programm, nimmt den Neuzugang Chabi am Bass auf die Schippe ("Und jetzt rufen bitte alle mal ganz laut 'Chabi ist nervö-ös, Chabi ist nervö-ös'") oder albert für Außenstehende nicht immer ganz nachvollziehbar mit Duracell-Rotschopf und Gitarrist Jessi herum. Das Berliner Publikum spendet zwischen den Songs (darunter auch das RAMONES-Cover 'Garden Of Serenity') einen akzeptablen Achtungsapplaus, übt sich ansonsten jedoch in hauptstädterischer Trägheit. Vorgruppen haben es hier anscheinend immer besonders schwer...

Bei CLAWFINGER tobt der Mob hingegen von der ersten Sekunde an. 'What We've Got is What You're Getting' - der Titel des Openers ist Programm. Natürlich ist die Begeisterung bei den konsequenterweise erst gegen Ende des Sets gespielten Hits wie 'Catch Me' und 'Nigger' am Größten, nimmt die auf der Bühne freundlich erduldete Stage-Diver-Quote im Laufe der Show immer mehr zu. Aber auch die Songs des neuen Longplayers "Hate Yourself With Style" rocken in bewährter CLAWFINGER-Manier. Der wie immer leicht irre dreinblickende Fronter Zak Tell würzt das Konzert mit einigen sozialkritischen Ansagen und prangert unter anderem Vergewaltigung an ('Right To Rape'), beweist aber auch Humor, als er nach einer kurzen Sequenz der unsäglichen JAMES BLUNT-Nummer 'You're Beautiful' augenzwinkernd spekuliert, dass man wohl gerade 50% der Fans verloren habe. Keyboarder und Background-Sänger Jocke Skog verlässt hin und wieder blitzartig seine versteckte Position in der hinteren Bühnenecke und verwirrt mich inmitten der stetig die Bühne erklimmenden stage-divenden Fans somit jedes Mal auf's neue (Wo kommt der Kerl plötzlich her, und warum singt der auch noch?). Die eigentliche Augenweide der Show ist aber das einzig langhaarige Bandmitglied (und was für lange Haare!), Bassist André Skaug, der mir mit seinem Rotor-Banging und rumpelstilzchen-artigen um-die-eigene-Achse-drehen jedes Mal ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Nach dem ihren Fans gewidmeten 'Biggest And The Best' verabschiedet sich das Quintett, um jedoch rasch mit vier Zugaben auf die Bühne zurückzukehren. Zu 'The Truth' wackelt der Hallenboden nochmals heftigst, und André lässt seinen Bass im Stich, klettert auf die gar nicht mal so niedrige Box und schmeißt sich mit Karacho in die hochgestreckten Arme der Fans. Interessant, dass das Stück auch ohne Bass noch ziemlich genauso klingt... "Do you want to hear another JAMES BLUNT song, or do you want to hear a good song?" Letzteres natürlich, und das abschließende 'Do What I Say' wird später in der Garderoben-Schlange noch aus zahlreichen Kehlen gesungen. Ist ja auch ein guter Song.

Setlist:
What We'v Got Is What You're Getting
Hate Yourself With Style
Two Sides
Recipe For Hate
World Domination
Dirty Lies
Money, Power, Glory
Nothing Going On
The Faggot In You
Breakout
Catch Me
Rosegrove
Nigger
Right To Rape
Burn In Hell
Biggest And The Best
---
Without A Case
Tomorrow
The Truth
Do What I Say

Redakteur:
Elke Huber

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