BETH HART - München

28.04.2015 | 18:56

19.04.2015, Muffathalle

Ich durfte eine der ganz großen Frauenstimmen live erleben!

Es ist eines der besten Konzerte, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Und das von einer Interpretin, die ich vor einigen Wochen noch gar nicht kannte. Klar, es schwirrt der Name BETH HART durch die Fachpresse, und klar, man hat schon Gerüchte von den mitreissenden Gesangs-Leistungen der Dame gehört, doch man weiß es eben immer erst dann am Besten, wenn man selber dabei gewesen ist.

Da es ein schöner Sonntag in Bayern ist, und ich die Zeit für alte Freunde genutzt habe, bin ich leider zu spät für den Support MATT ANDERSON, einen dicken Mann mit bluesiger Stimme und Akustik-Gitarre. Was man aber im Netz so findet hört sich ziemlich gut an, und bietet gerade, was stimmliche Hingabe angeht, einen guten Vorgeschmack auf BETH HART.

Ein klein wenig hoffe ich im Vorfeld des Konzerts, dass Beth nicht ihren Hauptfokus auf das neue Album "Better Than Home" legen würde, denn dies ist insgesamt schon arg ruhig geraten. Und mir ist an diesem Abend nach sattem Blues-Rock. Doch an dieser Stelle kann ich schon gleich die wichtigste Erkenntnis des Abends mitteilen: BETH HART ist so viel mehr als "nur" Blues-Rock. Mit ihrer rauen Stimme erinnert sie an MELISSA ETHERIDGE in ihren besten Tagen, holt sie alles aus ihrer Stimme raus, muss man unweigerlich an die Powerfrau Skin (SKUNK ANANSIE) denken, doch wenn sie sich ans Piano setzt und ohne Band vor dem Publikum ihr Innerstes nach außen kehrt, geht das von der Intensität her schwer in Richtung TORI AMOS. Doch der Reihe nach.

Die ersten vier Songs rocken wie gewünscht und zeigen BETH HART in allerbester Laune. Wie aufgedreht wirkt sie, wenn auch nicht ganz so aufgekratzt, wie es auf älteren Live-Video zu sehen ist. Und es ist ein extrem kurzweiliger Mix aus Power-Rock ('Get Your Shit Together', 'Good As It Gets'), klassischem Blues ('Can’t Let Go' von der "SeeSaw"-Scheibe mit JOE BONAMASSA), ernsthafteren Klängen ('Skin') und feierlich-beswingtem ('Might As Well Smile'), der im ersten Drittel geboten wird. Ideal also für BETH HART-Einsteiger, in die Musik der Kalifornierin hinein zu finden. Ein erster emotionaler Höhepunkt ist dann der Titel 'Tell Her You Belong To Me', zu dem Beth erzählt, dass sie ihn für ihren Vater geschrieben hat, den sie sehr liebt. Und dies obwohl er ihre Familie für eine andere Frau verlassen hat. Davon, wie Beth sich zu diesem Zeitpunkt gefühlt hat, handelt der Song, ein Lied, das schon in der Studioversion gewirkt hat, live aber noch um ein Vielfaches mehr unter die Haut geht. Wenn man Beth dabei sieht, wie sie sich auf der Bühne in das Mädchen von damals hineinversetzt, ist man fast zu Tränen gerührt. Doch Beth weiß fürwahr, dass man das Publikum auch wieder auflockern muss. Hier lässt insbesondere das wunderschöne 'My California' die Sommersonne scheinen. Und wieder: Was für ein Stimme! Total berührend ist auch 'As Long As I Have A Song' vor allem wegen der Lyrics: Pour me a dream, and play me a tune, and I’ll get along, just as long as I have a song. Das Leben kann manchmal so einfach und so schön sein!

Ja, Beth hat das zahlreich erschienene Publikum (die Muffathalle ist restlos ausverkauft!) nun ganz fest im Griff und sammelt weiter Punkte, als der Anfang von 'Miss Lady', einem weiteren Co-BONAMASSA-Song, in die Hose geht. Wie euphorisiert animiert sie ihre Band, es ganz schnell noch einmal zu probieren, und hüpft wie wild auf der Bühne herum. Unglaublich sympathisch, welch eine Spielfreude hier an den Tag gelegt wird! Bei 'The Mood That I’m In' greift Beth auch selbst zur Akustikgitarre, gibt jedoch in fast Åkerfeldt’schem Understatement an, dass sie auf diesem Instrument wirklich mies sei. Na, so schlimm ist das nicht, Beth!  'Mechanical Heart' - eine weitere Nummer vom aktuellen Album - ist dann noch einmal ein gänsehäutender Moment, bevor die Blues-Freaks das schon während des Sets vehement geforderte 'I’d Rather Go Blind' bekommen.

Möglicherweise wiederhole ich mich, aber wenn eines dieses Rock-Jahrzehnt auszeichnet, dann ist es die große Präsenz, die Performance und die Stärke der Frauen! Egal, welches Genre, vom Pop-Rock über Prog bis zum Extrem-Metal, die Mädels bringen so viel Farbe wie noch nie ins Spiel und vielleicht ist BETH HART eine der Schillerndsten von allen. Ihre Ehrlichkeit, Offenheit, Euphorie, aber auch ihre Sentimentalität und Zerbrechlichkeit, haben mich sehr bewegt, und mit sehr viel Freude rekapituliere ich nun die in vielen Fällen vor dem Live-Auftritt nicht bekannten Lieder. Wie viel Tolles dabei ist! Jedoch wage ich schon eines jetzt zu behaupten: BETH HART erlebt man am allerbesten live! Mein bisheriges Lieblingstück 'St. Teresa' ist so noch viel besser als auf CD und beim tollen Gitarrensolo des Rausschmeissers 'Sky Full Of Clover' beschließe ich: Ich komme wieder, keine Frage!

Redakteur:
Thomas Becker

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