Zum Tode von Lars-Göran Petrov: Ein Nachruf.

08.03.2021 | 20:43

Lars-Göran Petrov, einer der Gründerväter des schwedischen Death Metals, hat den Kampf gegen seine schwere Krankheit verloren.

Es gibt jene Tage, da scheint die Zeit für einen Moment still zu stehen in unserem Metalkosmos. Diese Tage, an denen Zeilen geschrieben werden, von denen sich der Fan und Chronist gewünscht hätte, sie niemals schreiben zu müssen. Das sind die Tage, an denen uns Menschen verlassen, die immer da waren, seit wir uns in die Welt der harten Musik verirrt haben, und die einen ganz entscheidenden Anteil daran hatten, dass wir diese Reise unternehmen und fortsetzen wollten. Menschen, deren Musik uns seit Jahrzehnten begleitet und bewegt hat, und die wir bei unzähligen Anlässen auf den Bühnen von Konzerthallen und Festivals bejubelt haben. Und manches Mal ist es sogar ein bisschen mehr als das, weil der Verstorbene uns nicht nur unterhalten, sondern uns um einiges tiefer berührt hat.

Lars-Göran Petrov, der am 07.03.2021 im Alter von nur 49 Jahren verstorben ist, war ein solcher Mensch, ein solcher Frontmann, der nicht nur mit seiner markanten und charismatischen Stimme Death-Metal-Geschichte geschrieben und Generationen jüngerer Musiker beeinflusst hat, vielen gar als die Stimme des schwedischen Death Metals schlechthin galt, sondern der mit seiner positiven Aura die Fans mitnehmen konnte, der durch seine mitreißende Performance, seine Ansagen, seine Gesten und seine Mimik den Konzertbesucher mitnahm, indem er ihm immer das Gefühl vermittelte, mit Leib und Seele dieses so wilde wie sympathische Death-Metal-Ungeheuer zu sein, diese Rolle zu leben und von ganzem Herzen zu lieben. Als ich L-G Petrov nach einem Konzert traf, gab er mir stets das Gefühl, dass man etwas Gemeinsames hat. Sein schelmisches und doch freundliches Lächeln, das sich L-G bis zuletzt bewahrte, selbst wenn er bereits von der schweren Krankheit gezeichnet, seine Fans und Freunde über die sozialen Medien sehr offen über seine gesundheitlichen Probleme unterrichtete, über seine unheilbare Erkrankung an Gallenwegskrebs, den Verlauf der Chemotherapie, darüber, dass er die Hoffnung niemals aufgeben wolle. So sorgte L-G für das Gefühl einer Vertrautheit und Nähe, die keineswegs selbstverständlich ist, und die es nur zu verständlich macht, warum er den Fans seit mehr als drei Jahrzehnten als absoluter Sympathieträger gilt.

Doch natürlich ist es zuvorderst sein musikalisches Vermächtnis, das uns als Fans bleiben wird, und das gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Lars-Göran Petrov stand an der Wiege des schwedischen Death Metals, als er 1988 - zunächst als Session-Mitglied, später als hauptamtlicher Leadsänger - zusammen mit Nicke Andersson, Alex Hellid, Uffe Cederlund, Leffe Cuzner und Buffla Boström das erste NIHILIST-Demo "Premature Autopsy" einspielte, beim zweiten Demo dann verstärkt um Johnny Hedlund (später UNLEASHED). Was schon weniger bekannt ist: Auch in der Gründerzeit des skandinavischen Black Metals hat L-G unter dem Pseudonym "Drutten" seine Spuren hinterlassen, sei es als Drummer und Backing-Sänger der Kultband MORBID, natürlich an der Seite von keinem Geringeren als Per Yngwe Ohlin alias Dead; oder als Trommler auf dem ersten Demo von ALLEGIANCE, gemeinsam mit B.War (später MARDUK).

In den Schatten gestellt wird diese bereits sehr bemerkenswerte Frühphase jedoch natürlich durch Petrovs Lebenswerk ENTOMBED. Ein Bandname wie Donnerhall, und vielleicht die stilprägende schwedische Death-Metal-Band schlechthin, die mit "Left Hand Path" eines der wichtigsten Debütalben des Genres erschaffen hat und die mit dem unverkennbaren Gitarrensound ebenso wie mit Petrovs Gesang die wesentlichen Trademarks dieser jungen Szene in Stein meißelte. So hatte L-G also auch seine Hand im Spiel, als ich selbst mich vom schwedischen Death Metal habe mitreißen lassen. "Left Hand Path" war es vor allem - zusammen mit UNLEASHEDs "Where No Life Dwells" und DISMEMBERs "Like An Ever Flowing Stream" - das dafür sorgte, dass der alte Stockholm-Sound für mich bis heute das Non-Plus-Ultra in Sachen Death Metal ist. Doch nicht nur der Death Metal der alten Schule wurde von L-G und ENTOMBED maßgeblich geprägt, sondern die Band schaffte auch das Kunststück gleichermaßen für den Archetypus zu stehen, wie auch für dessen Aufbruch in neue Welten, für das Beschreiten neuer Wege, und so wurde beginnend mit "Wolverine Blues", der tollen "Hollowman"-EP und den beiden folgenden Studioalben der Weg in den Death'n'Roll geebnet, der die schwedische Szene abermals revolutionierte und auch weit darüber hinaus seine Kreise zog.

Ja, Lars-Göran Petrov war quasi immer mit dabei, wenn sich im schwedischen Metal der härteren Gangart Bahnbrechendes ereignete, und auch in Zeiten, in denen sich seine Wege von jenen der anderen ENTOMBED-Veteranen trennten, war L-G immer unter Strom und lieferte seinen Fans mit Hochdruck ihre Lieblingsdroge: Sei es während der kurzfristigen Trennung 1991/92 mit dem COMECON-Klassiker "Megatrends In Brutality", oder nach dem endgültigen und leider nicht ganz so freundschaftlichen Split von den Herren Hellid und Cederlund, mit seiner neuen Band ENTOMBED A.D., mit welcher er den Spirit der alten Tage erfolgreich fortführte und vor allem mit einer eindrucksvollen Livebilanz dafür sorgte, dass diese zeitlose Musik weiter den Weg zu ihren Fans fand. Von 2014 bis 2020 veröffentlichte L-G je drei Studioalben mit FIRESPAWN und mit ENTOMBED A.D. und er gab in dieser Zeit weit über dreihundert Konzerte. Eine wirklich beeindruckende Kraftanstrengung muss dahinter gesteckt haben. Als Lars-Göran zudem vor etlichen Jahren im Interview mit unserem Martin Loga völlig aus dem Häuschen war, nachdem er von Martin gehört hatte, dass seine alten 80er-Jahre-Faves PILEDRIVER wieder aktiv sind, und uns zudem ins Stammbuch diktierte, dass das damals aktuelle ENTOMBED-Album "Serpent Saints" vom Gehörnten und all den kaputten Leuten auf dieser Erde handle, er dabei aber sehr hoffe, dass auch sie selbst unter die Kategorie der kaputten Leute fallen würden, fasste das seine Einstellung zum Metal sehr gut zusammen.

Mit Lars-Göran Petrov verliert unsere Metalgemeinde einen positiven Kaputten, der seine Zeit und sein Leben in einem Maße dem Metal gewidmet hat, wie dies nicht viele tun. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft "Left Hand Path" und natürlich gehen die Gedanken unweigerlich zurück zum letzten Live-Erlebnis mit L-G und ENTOMBED A.D.: Der Gig fand spät abends in der Halle beim "Bang Your Head!" statt, am 14.07.2017. Obwohl wir nach vielen Stunden in der gnadenlosen Balinger Hitze natürlich mal wieder hundemüde waren, hatten wir so unglaublich viel Spaß mit L-G und seinen Mannen, die so freundlich und bodenständig herüber kamen, und einen herrlichen Schwedendeathgig der ganz alten Schule herunter gerissen haben, so wie das halt sein soll. Wer hätte gedacht, dass es das letzte Mal sein sollte?

Als Inschrift für seinen Grabstein und als Beschreibung seines musikalischen Erbes wünschte sich L-G die Feststellung "I will never die, it will never die!". Wir möchten gerne unseren Teil dazu beitragen, dass dein Wunsch in Erfüllung geht.

Mach's gut, L-G, und danke für alles!



Photos von Jowita Kaminska und Felix Bischoff; Archiv.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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