Weggefährten: Ronnie James Dio

05.06.2013 | 07:56

In unserer neuen Serie Weggefährten wollen wir sehr persönlich, vielleicht auch mal sentimental verklärt einen Blick zurück auf Musiker, Bands, Alben, Songs oder ganze Szenen werfen. Den Anfang machen wir - natürlich - mit Ronnie James Dio. Frank Jäger hat tief in seinen Konzertkartenordnern gekramt...

Denn zum Einen wurde vor einigen Tagen "Holy Diver" stolze 30 Jahre alt und zum Anderen flatterte mal wieder eine Live-CD ins Haus. DIO live in Philly. Name: "Finding The Sacred Heart". 1986. Und ich denke "Mensch, auf der Tour warst du doch auch!" Und wie ich so zurückdenke an Ronnie, habe ich einfach das Bedürfnis, ein paar Worte zu schreiben. Kein Nachruf, keine Biographie, sondern persönliche Episoden, in denen die Band DIO und Ronnie James Dio als Person Eindruck auf mich gemacht haben und Eindruck hinterlassen haben.

Es begann Anfang der Achziger, als ich mit RAINBOW in Verbindung kam. Aber, ganz ehrlich: so sehr ich das heute schätze, damals hatte ich noch nicht den Draht dazu. Aber das waren die Tage, in denen man noch in Plattenläden gehen konnte und Neues zu entdecken vermochte. Man kannte die Verkäufer, und die kannten ihre Kunden. "Hallo Walter". Walter Büttner, damals bei Musik-Mewes in Braunschweig. Später Musicpromotion, Remember Records. "Was gibt es Neues?". Singles der NWoBHM, wie immer diese armen Vinyl-Landstreicher den Weg in die norddeutsche Provinz gefunden hatten, und Platten, von denen man noch nichts gehört hatte. Ja, nichts – der erste Metal Hammer erschien im Januar 1984, und Internet war Science Fiction. Ich habe Platten nach Cover gekauft. Und ich lag nicht allzu häufig falsch.

1983. Ich war Schüler. Zu Weihnachten konnte ich meine Großmutter überzeugen, mir keinen Unsinn zu schenken. Statt dessen durfte ich mir drei Schallplatten aussuchen. Ich durfte sie kaufen, aber bekommen würde ich sie erst am Heiligabend. Darunter war ein Album namens "Holy Diver". (Der Vollständigkeit halber: außerdem SAMSONs "Before The Storm" und WITCHFYNDEs "Cloak And Dagger"). Es ist natürlich müßig zu sagen, dass mich DIO sofort begeisterte, obwohl sich das Album diese Begeisterung mit der SAMSON teilen musste. Aber dann kam ein Event, bei dem Ronnie für mich zu einem unglaublichen Entertainer wurde: Das Monsters Of Rock 1984. Mit dem Bus nach Nürnberg zu einem Billing, dass aus heutiger Sicht völlig unglaublich erscheint. DIO gleich nach dem Erscheinen des zweiten Albums. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich noch an alles erinnere, aber das wäre gelogen. Was nach fast drei Jahrzehnten bleibt, ist eine Erinnerung, die mehr emotional geprägt ist, aber die Grundlage bildet dafür, dass ich später immer gerne DIO-Gigs gesehen habe.

Und damals war DIO sehr präsent. Weitere Scheiben 1985 und 1987 folgten, und 1986 der Gig in der Eilenriedehalle in Hannover, mit KEEL als Vorband. Das war die Tour, auf der die CD aufgenommen worden ist, die mich zu diesem Artikel inspirierte. Was für eine Show! An dieses Ereignis verbleicht die Erinnerung sicher nie. Ronnie auf dem Höhepunkt seiner Kraft, Fantasy-Metal, ein Drache, und Ronnie als Drachentöter mit einem Schwert, ausufernde Soli und dazwischen immer Dio, wie er die Bühne dominierte, die Halle beherrschte und eine Präsenz zeigte, wie sie kaum ein anderer Frontmann zu zeigen vermag. Eine Halle, die bebte, die jeden Song fühlte, lebte, unsterbliche Hymnen. Dieser Gig wird mit dem besagten Tonträger wieder lebendig. Aber es mischt sich auch Melancholie in die Euphorie. Das kommt nicht wieder.

Dass danach in die Scheiben des kleinen Barden irgendwie Gewöhnung einzog, und sich vielleicht auch der Zeitgeist änderte, ist sicher ein Grund, warum mir gerade "Lock Up The Wolves" wenig gab. Aber in dieser Zeit, nach der "Strange Highways"-Scheibe, die dem kurzen Wiederinstieg bei BLACK SABBATH folgte, durfte ich in Hannover ein Interview mit Ronnie führen. Damals war meine Frau, ebenfalls Dio-Fan, als Fotografin dabei. Wir waren beide aufgeregt, und Ronnie lachte und ließ alles über sich ergehen, von wenig professionellen Fragen bis zu mehreren Fotoanläufen. Er poste und war ein absoluter Profi, ohne dass er routiniert oder gar gelangweilt wirkte. Unnötig zu sagen, dass ich beeindruckt war. Die anschließende Show war bodenständiger. Auch der Zeit geschuldet, wie ich meine, und natürlich nicht mehr vollständig ein Feuerwerk von Superhits.

Auch die noch folgenden Alben der Band DIO waren alle mehr – "Killing The Dragon" und "Master of The Moon" – oder weniger – "Magica" und "Angry Machines" – stark, aber an die frühen Erfolge konnte er nicht mehr anknüpfen. Und auch ich kaufte zwar brav jedes neue Album und genoss die nostalgischen Momente, oft tollen Songs und immer phantastische Stimme, aber ich muss zugeben, dass ich erst spät wirklich gemerkt habe, wie vergänglich das alles doch ist. Gemerkt habe ich das, als die Tournee abgesagt wurde, für die ich Karten gekauft hatte. Und Ronald James Padavona starb. Jemand, der mich musikalisch durch zwei einhalb Jahrzehnte begeleitet hatte. Ich hätte ihn gerne nochmal auf der Bühne gesehen. Statt dessen halte ich "Finding A Sacred Heart – Live in Philly" in den Händen. Schön. Aber nicht das gleiche. Ich glaube, die werde ich nie wieder hören.

Redakteur:
Frank Jaeger

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