WUMPSCUT: Interview mit Rudy Ratzinger

06.03.2008 | 09:57

In wenigen Wochen erscheint mit "Schädling" der nächste :WUMPSCUT:-Hassbrocken. Grund genug um mit Mastermind und Querdenker Rudy Ratzinger ins Gespräch zu kommen.

Enrico:
Erstmal natürlich Glückwunsch zur neuen Veröffentlichung.

Rudy:
Vielen Dank.

Enrico:
Wie sehr bist du mit dem Endergebnis zufrieden?

Rudy:
Schon sehr, wenn man so was in der Szene überhaupt sagen darf.

Enrico:
Auf dem Beipackzettel der Promoagentur steht in großen Buchstaben: "Most important release in 2008". Warum ist gerade "Schädling" die wichtigste Veröffentlichung diesen Jahres?

Rudy:
Sollte irgendjemand irgendeine Veröffentlichung übers Jahr 2008 hören, die wichtiger ist als "Schädling", bitte melden an rudyr@gmx.de - viele werden das nicht sein, meine Damen und Herren. Die Szene quillt über vor Sinnlosigkeiten, Nichtigkeiten und Scharlatanerie, da sollte schon auch mal wieder was dagegengesetzt werden.

Enrico:
Wann gibst du deine Musik zur Veröffentlichung frei? An und für sich findet man doch sicher immer bestimmte Stellen, die man noch besser gestalten könnte.

Rudy:
Stimmt, das wäre ja immer so, aber ich ring mich dann einfach dazu durch, die letzte Note/den letzten Schrei zu setzen.

Enrico:
Bist du da Perfektionist oder würdest du sagen, dass man als Perfektionist überhaupt keine Veröffentlichung zustande bringen würde, da man unendlich weiterfeilen könnte?

Rudy:
Ich könnt vor allem angesichts der Tatsache, dass ich ja aus Deutschland komme, die Sache soweit überproduzieren, dass nichts mehr von der ursprünglichen Idee da ist, aber Gott sei Dank schalt ich dann irgendwie das Großhirn aus.

Enrico:
Welchen Track findest du besonders gelungen und welcher repräsentiert in deinen Augen das Gesamtalbum am Besten?

Rudy:
1. 'Moloch'/'Voodoo Void', 2. 'Schäbiger Lump'.

Enrico:
Mit 'Hard To Bear' ist ein, für meinen Geschmack, recht fröhlicher Song auf der Scheibe gelandet. Ist der nötig, damit der Rest finsterer erscheint?

Rudy:
Nein, darüber denk ich nicht nach.

Enrico:
Bei 'Schäbiger Lump' verwendest du die menschenverachtenden Zitate des ehemaligen Richter Roland Freisler. Was hat dich dazu gebracht, diese Samples zu verwenden?

Rudy:
'Schäbiger Lump' ist eine Huldigung der DEATH-IN-JUNE-Idee, auch mal Roland Freisler zu Wort kommen zu lassen - im Fall von :W: natürlich nicht aus der rechten Ecke, sondern neutral. Kombiniert mit vielen anderen Wortfetzen stellt sich hier für mich eher die Frage: Wer bestimmt denn nun, was Recht ist und was nicht.

Enrico:
Was fasziniert dich besonders am Dritten Reich?

Rudy:
Dass dieses ganze Desaster sich genau zu dem Zeitpunkt abgespielt hat, an dem Bild und Ton im Griff war - und das gibt der Sache einen ganz anderen Anstrich als die ältere Vergangenheit, die ich nur in Büchern finde, und dies dann sicherlich sehr oft auch 1.000x neuinterpretiert und fehlerhaft(er).

Enrico:
Wo hört für dich künstlerische Provokation auf und wo fängt die platte Geldmacherei mit der Vergangenheit an? Die Tage hatte ja in Spanien ein Musical Premiere, welches "Das Tagebuch der Anne Frank" zur Vorlage hatte.

Rudy:
Sicher Käse. Geldmacherei ist schnell mal was, aber das muss dann jeder für sich selbst entscheiden. Auch Sophie Scholl schrubbte ganz schön am Kleinen Fernsehspiel entlang, wenn du mich fragst. In diesem speziellen Fall ist es nicht gelungen, den Zuschauer tatsächlich in die Zeit zu versetzen, und der in diesem Fall grässlich fehlplatzierte elektronische Soundtrack von Reinhold Heil tut dann noch ein Übriges.

Enrico:
Wie weit kann man gehen bevor es zur reinen Trivialisierung der Geschichte kommt?

Rudy:
Nicht allzu weit.

Enrico:
Kommen wir mal kurz zum Opener der neuen Scheibe 'Rusty Nails From Hell'. Was würde man in deinem Garten, wenn man tief gräbt, außer rostigen Nägeln noch finden?

Rudy:
Ich hab mal ein Plastikschüsselchen vergraben mit 4...

Enrico:
Wer oder was ist 'Rifki' bzw. für was steht es?

Rudy:
Zusammen mit 'Schäbiger Lump' sicherlich für die meisten das Wichtigste auf "Schädling". Einfacher Sachverhalt, einfacher Aufbau, einfache Melodie - so stellt sich der Mensch das wohl vor. Und eigentlich hat er sogar recht, denn vielmehr kann sich das vegetative Nervensystem auch nicht merken. 'Rifki' ist der raffgierige Koch aus "Midnight Express", Pflichtprogramm für alle.

Enrico:
In 'Nest' haben sich deutsche Verse eingeschlichen, bei denen die Verteidigung der christlichen Werte die höchste Aufgabe zugesprochen wird. Was siehst du als höchste Aufgabe deiner Existenz an?

Rudy:
Ich hab's nicht so mit "höchsten Aufgaben".

Enrico:
Du bist ja mittlerweile schon ziemlich lange im Geschäft. Siehst du dich auch in gewisser Weise als Vorbild für den Electro- und Industrialnachwuchs?

Rudy:
War mir immer schon nicht bewusst, freut mich zwar, ist aber peripher.

Enrico:
Wie schaut es aus mit deinem Interesse für die aktuelle Elektroszene?

Rudy:
Ich sag nur: Post Techno Movement.

Enrico:
Welche Entwicklungen stellst du fest und wie bewertest du sie?

Rudy:
Ich befass mich nicht mit der Szene, tat ich eigentlich noch nie so richtig.

Enrico:
Was ist eigentlich dein Antrieb, nach so vielen Scheiben immer noch fette Arschtritt-Musik zu machen?

Rudy:
Mission: wenigstens einmal im Jahr was Vernünftiges. Erneut gelungen...

Enrico:
Wo sind die Unterschiede, wenn du deine ersten Veröffentlichungen Revue passieren lässt, im Gegensatz zur heutigen Arbeitsweise?

Rudy:
Praktisch keine bis auf den Umstand, dass durch erlerntes Handwerk nicht jeder Mausklick dreimal überprüft werden muss.

Enrico:
Setzt du dich selbst weniger unter Druck, immerhin weißt du ja, was du kannst, oder musst du dich dir auch immer ein Stück weit selbst beweisen, dass du es immer noch drauf hast?

Rudy:
Nein, kommt alles von Innen heraus. Ehrgeiz ist mir da fremd, würde sicher nur stören im Gesamtkontext.

Enrico:
Woher kommen die Inspirationen für deine Songs und für deine Texte?

Rudy:
Ebenfalls von Innen, ausschließlich.

Enrico:
Der limitierten Version wird ja wieder eine Remix-CD beiliegen. Was ist für dich das Faszinierende an Remixen anderer Künstler deiner eigenen Songs?

Rudy:
Dass es möglich ist, aus ein paar wenigen Noten wirklich Neues und Hörenswertes zu schaffen. Und da spreche ich vor allem auch von den Remixes, die Leute anfertigen, die eben NICHT ausgetretene Szenepfade beschreiten.

Enrico:
Welcher von den Remixen auf der Bonus-CD gefällt dir am besten und warum?

Rudy:
Da hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. RANTHONY OTHER ist super geworden zum Beispiel - reinhören auf alle Fälle.

Enrico:
In den letzten Wochen ging ja durch die Presse, das NO ANGELS-Mitglied Nadja vor dem Bankrott steht.

Rudy:
Ha, ja.

Enrico:
Nun wissen wir ja von deiner Affinität gegenüber ihr.

Rudy:
Leider, leider, leider.

Enrico:
Würdest du ihr Geld leihen?

Rudy:
Nein, die soll mal lieber hier antanzen, das täte ihr besser als alles andere. Ohne Eiweißhaufen am besten, Kind macht ja bekanntlich ungeil.

Enrico:
Und welchen musikalischen Rat würdest du ihr geben, damit sie musiktechnisch wieder auf die Beine kommt? Immerhin ist das Comeback ja eher mäßig ausgefallen.

Rudy:
Kein Wunder, die damaligen Fans sind heute ja sicher schon weit über die NO ANGELS hinausgewachsen, und die nachkommenden Jungen haben wiederum andere Idole. Ich würde an ihrer Stelle vor allem mal was anderes machen als immer nur diesen ewig dudelnden deutschen R&B. Kann wie gesagt gern mal kommen, ich schreib ihr dann schon was auf den Busen. À propos: Hätte es das Silikon wirklich gebraucht? Ich denke nein...

Redakteur:
Enrico Ahlig

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