WHITESNAKE - Little Box 'o' Snakes

29.06.2013 | 09:03

Die schlanke Ausgabe des bereits vor etwa 18 Monaten erschienen Box-Sets, welches die Frühphase der weißen Schlange umfasst. Boogie til you die!

PROLOG

Ich muss es zugeben: WHITESNAKE habe ich in den letzten Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, extrem selten aufgelegt. Lediglich der letzte Longplayer "Forevermore" aus dem Jahre 2011 lief ein paar Wochen lang recht kontinuierlich. Ein Zustand, der dem Status der Band nicht gerecht wird. Vor allem dann nicht, wenn die Band in der persönlichen musikalischen Sozialisierung eine nicht gerade unbedeutende Rolle gespielt hat. So war das 80er Livealbum "Live In The Heart Of The City" zusammen mit "If You Want Blood" (AC/DC) und "Toyko Tapes" (SCORPIONS) eine jener Musikkassetten, zu denen wir als junge Teenies mit Tennischlägern und Dash-Trommeln im Kinderzimmer herum posiert haben.

So kommt mir die Zweitveröffentlichung dieser Jubiläums-Box aus dem Hause EMI sehr gelegen, dieser Band ein wenig Tribut zu zollen. "Zweitveröffentlichung" deshalb, weil die "Box 'O Snakes – The Sunburst Years 1978-1982" bereits vor gut 18 Monaten als 9CD Box plus DVD und 7" mit einem hervorragend aufgemachten 90-Seiten-Schmöker herauskam. Der damalige Grund: Das 35jährige Bandjubiläum und der 60. Geburtstag von Sänger David Coverdale. Nun erscheint eine passend betitelte, leicht abgespeckte Version, der sowohl die DVD, das Vinyl, wie auch das Buch fehlen. Dafür bekommt der geneigte Freund aber acht CDs mit ausschließlich erstklassiger Musik. Und das im Normalfall für einen sehr guten Preis.

DIE STUDIOALBEN

SNAKEBYTE (1978)

Schlängeln wir uns chronologisch durch den Silberscheibensalat, so stoßen wir zuerst auf ein ganz besonderes Schmankerl: die "Snakebyte"-EP aus dem Jahre 1978. Die darauf enthaltenen vier Songs entstanden in der Übergangsphase von Coverdales Solowerk zu WHITESNAKE. Um dem Publikum eine vollständige LP anbieten zu können, nahm man später noch vier weitere Songs vom zweiten, "Northwinds" betitelten, Coverdale-Werk hinzu. In unserer kleinen Box finden wir nun allerdings die 4-Song-Version, die in dieser Form heute kaum noch erhältlich ist.  Zwei der Nummern gehören bis heute zum Standard-Repertoire vieler WHITESNAKE-Konzerte. So ist 'Come On' ein gerne genommener Auftakt eines eben solchen und 'Ain't No Love In The Heart Of The City' mutiert schnell zum Mitsingmammut der Band. Mit der Boogie-Nummer 'Bloody Mary' und dem fast epischen 'Steal Away' finden wir auf "Snakebyte" ausschließlich A-Ware. Vier Songs, die ganz wunderbar die Bandbreite der Band abdecken.. Schon in dieser Frühphase.

 

TROUBLE (1978)


Weiter im chronologischen Takt geht es mit der ersten regulären Langspielplatte der Band. "Trouble", so der Titel des Albums, beinhaltet neben typischen Schlangenboogie-Nummern wie dem kraftvollen Opener 'Take Me With You' und einigen etwas schlüpfrigen Songs, deren Überschriften 'Love To Keep You Warm' oder 'The Time Is Right For Love' die Marschrichtung klar vorgeben, auch ein paar nette Überraschungen: So gibt es eine recht interessante Version des BEATLES-Smashers 'Day Tripper', eine verspielte Instrumentalnummer namens 'Belgian Tom's Hat Trick' und mit 'Free Flight' sogar einen Titel, den Gitarrist Bernie Marsden singen darf. Spannend.

 

LOVEHUNTER (1979)

Schrieb ich eben schon von schlüpfrigen Songs, so macht das Cover des nachfolgenden Albums "Lovehunter" sofort klar, wo der David seine Locken hat. Mit dem treibenden 'Walking In The Shadow Of The Blues' und dem verspielten Titelsong bietet das Album gleich zwei kommende Bandklassiker, die jeder Freund gepflegter Rockmusik auswendig mitsingen kann. Aber auch das restliche Material ist nicht zu verachten. Die Slidegitarre kommt häufiger zum Einsatz und man hat überhaupt den Eindruck, die Band sei langsam zusammengewachsen. Im ungewöhnlich flotten 'Outlaw' dürfen wir erneut Bernie als Leadsänger genießen. Eine Ehre, die uns danach nicht wieder zuteil werden wird. Schade, denn seine klare, kraftvolle Stimme ist außergewöhnlich gut. Wie natürlich auch sein Gitarrenspiel. Beides dominiert auf diesem kurzen Longtrack, in dem so wunderbar viel geschieht. Eine gern vergessene Perle.

 

READY AN' WILLING (1980)

Bis zu diesem Zeitpunkt will der große Erfolg der Band allerdings trotz aller Prominenz in der Besetzung nicht eintreten. Erst 1980 gelingt es der Band, in der sich immerhin drei ehemalige DEEP PURPLE-Mitglieder befinden, zwei Mal die britischen Charts zu knacken: Zuerst mit  der verschwitzten Uptempo-Granate 'Ready An Willing (Sweet Satisfaction)', etwas später mit dem ungewöhnlich rockigen 'Fool For Your Loving'. Die Nummer kommt sehr viel später auf dem Album "Slide It In" noch einmal zum Zuge. Allerdings in einer amerikanisch geföhnten Fassung, die kaum noch den Charme der hier eingespielten Version inne hat. Dass man durchaus in der Lage ist, alte Songs beim zweiten Mal gut klingen zu lassen, belegt die Neufassung von 'Blindman', die Mister Coverdale bereits solistisch veröffentlicht hatte. Hier schmachtet die WHITESNAKE-Variante deutlich epischer aus der Anlage und ist somit ein absolutes Highlight auf "Ready An' Willing". Wie auch der andere Flachleger des Albums 'Ain't Gonna Cry No More'. Eine wunderbar pulsierende Halb-Ballade, bei deren Einsingen  David wohl mit Wohnzelt am Mikro gestanden haben muss. Dieses Album gehört definitiv in jede vernünftige Plattensammlung.

 

COME AN' GET IT (1981)

Noch ein paar Stufen aufwärts auf der Leiter zum Erfolg klettert die Band 1981 mit dem Hit-Album "Come An' Get It" und deren Hitsingle 'Don't Break My Heart Again'. Eine Mitsing-Nummer der allerbesten Kajüte, die bis heute gern auf Rock-Compilation geführt wird. Aber dies ist nicht die einzige Nummer auf "Come An' Get It", die Eingängigkeit, Härte und den Soul von Coverdales' Stimme gekonnt vereinigt. Der fetzende Titelsong, der den Reigen glanzvoll eröffnet, das funkige 'Girl', sowie der rasante Boogie-Fetzer 'Hot Stuff' sind weitere Glanzlichter auf dem Album. Mein Favorit hört allerdings auf den Namen 'Child Of Babylon'. Eine kurze, fast episch anmutende Nummer, die mich seit dem ersten Anhören des Albums völlig aus der Fassung bringt. Mein ewiger WHITESNAKE-Favorit und somit allein schon die Rechtfertigung für den Besitz dieses Albums. Sensationell.

 

SAINTS & SINNERS (1982)

Ein Jahr später erscheint mit "Saints & Sinners" ein Album, dem man die innere Unruhe im Bandgefüge deutlich anhören kann. Es gibt Spannungen, die nach den Aufnahmen sogar zu diversen Umbesetzungen führen. Nicht umsonst sind auf dem folgenden Album "Slide It In" etliche Musiker nicht mehr mit an Bord. Auf "Saints & Sinners" bezogen kann ich aber nur sagen, die Energie, die solche Spannungen mit sich bringt, hat feurige Kompositionen hervorgebracht, die man in diesem Tempo auf den vorangegangenen Alben nicht hören konnte. So finden wir neben dem furiosen Boogie-Stampfer 'Young Blood' zur Einstimmung, mit 'Rough An' Ready', 'Dancin' Girls', 'Bloody Luxury' und 'Rock And Roll Angels' etliche Nummern, bei denen die Stabilität der Hüftprothesen getestet werden darf. Das schwingt und groovt mit feurigem Elan und man gewinnt den Eindruck, die Musiker würden sich gegenseitig die persönlichen Qualitäten beweisen wollen. Ganz nebenbei entstehen mit 'Cryin' In The Rain' und 'Here I Go Again' zwei unsterbliche Titel, die heute jedes Kleinkind auf dem Schnuller blasen kann. Die Nummern findet David offenbar selber so toll, dass er sie später in zahmeren Versionen auf der "1987" noch einmal aufnehmen muss. Überflüssig, denn hier hören wir die ungeschliffenen Wunderfassungen, die man fünf Jahre später lediglich verschlimmbessern konnte. Wer also "Saints And Sinners" nicht besitzt hat hier die definitive Aufforderung dies jetzt zu ändern.

 

Die LIVEALBEN

 



Neben diesen Studioalben, finden wir in der Box noch zwei Livemitschnitte, die es beide als Doppeldecker schon unter dem Titel "Live … In The Heart Of The City" gab. Während wir auf der bereits in der Einleitung erwähnte Konzertaufnahme eine Aufnahme vom 23.06. 1980 hören können, bietet der kürzere Bruder einen schlanken Auftritt aus dem Jahre 1978.  Die Besetzung variiert nur bei der Taktvergabe. Während bei der älteren Aufnahme noch David Dowle in die Felle drischt, ist auf dem legendären Mitschnitt aus dem Jahre 1980 bereits Ian Paice zu hören. Ein Unterschied, den man schon beim jeweiligen Opener 'Come On' deutlich heraus hören kann. Mister Paice scheint vorher eine Dokumentation über Büffelherden angeschaut zu haben, so wuchtig vermöbelt er sein Instrument. Man kann gar nicht anders: Automatisch fußt der Whip und hüftet der Schwing. Das Wohnzimmer wird zur Konzerthalle, denn die Konzertatmosphäre wird auf beiden Scheiben sehr gut eingefangen. Es liegt in der Natur der Sache, dass auf der 78er Aufnahme ein paar alte Songs aus der DEEP-PURPLE-Zeit von Mister Coverdale zu finden sind. So sind mit 'Might Just Take Your Life' und einer ausufernden Version von 'Mistreated' gleich zwei von insgesamt lediglich sechs Titeln aus dem Repertoire der alten Betätigungsstädte der Altmeister Coverdale und Lord. Beide Nummern sind zwei Jahre später immer noch Bestandteil der Setlist, was natürlich für die Qualität der Nummern spricht. Aber auch das restliche Material sprudelt nur so über vor Energie und Spielwitz. So brillieren vor allem die beiden Gitarristen Micky Moody und Bernie Marsden auf "Live In The Heart Of The City" in beinahe jeder Nummer mit superben Solospots. Und auch wenn ich kein großer Freund von Misting-Nummern bin, ist 'Ain't No Love In The Heart Of The City' immer wieder eine Entenpelle wert.

 

Es sei abschließend noch erwähnt, dass die Umverpackung einen Nachteil aufweist. Man kann den oberen Teil nach vorne aufklappen, was allerdings dazu führt, dass dieser Teil der Box langsam ausleiern wird, da die ganze Angelegenheit sehr stramm gebaut ist. Warum man hier nicht einfach einen Deckel zum Abnehmen verwendet hat, will sich mir nicht erschließen.

 

Redakteur:
Holger Andrae

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