WARRIOR SOUL: Interview mit Kory Clarke

07.08.2006 | 20:02

Wer kennt sie nicht: Bands, die musikalisch ihrer Zeit sehr weit voraus waren. Es wäre mühselig alle gescheiterten Bands, die zur falschen Zeit mit dem richtigen Album rausgekommen sind, aufzuzählen. Eine davon ist WARRIOR SOUL, die damals wie heute musikalisch nicht greifbar waren, und gerade aus diesem Grund eine kleine, aber feine Fanschar auf ihre Seite zogen.

Escapimusic haben vor kurzem alle fünf Alben dieser Kultband wiederveröffentlicht. Zwar müssen die Käufer auf unveröffentlichte Bonustracks verzichten, dafür sind auf jedem Album ein paar Liveversionen der Alben drauf, die zum damaligen Zeitpunkt in eher schlechter Qualität aufgenommen wurden. Auf jeden Fall interessant zu hören, wie diese geniale Gruppe damals live geklungen hat, auch wenn – wie schon erwähnt – Soundtechnisch viele Abstriche gemacht werden müssen.

Anfang April hatte ich das Vergnügen mich mit Kory Clarke, Sänger und Hauptsongwriter von WARRIOR SOUL, über die Vergangenheit und die Zukunft von WARRIOR SOUL zu unterhalten. Vorhang auf für eine der schillerndsten Persönlichkeiten seit Jim Morrison (THE DOORS).

Tolga:
Hast du Probleme mit deiner Stimme? Du hörst dich ein bisschen erkältet an.

Kory:
Ich hör mich immer so an.

Tolga:
Sorry, das konnte ich nicht wissen. Ich kenne deine Stimme nur von den Alben.

Kory:
Das ist auch der Grund, warum ich mich so anhöre (lacht).

Tolga:
Wie kam es dazu, dass Escapimusic eure ersten fünf Studioalben wiederveröffentlicht haben? War das deine Idee oder haben Escapimusic dich kontaktiert?

Kory:
Ich hab schon mehrere Jahre nach einem Deal für die alten Scheiben gesucht. Ich wollte einen Deal mit einem Label aus England unterzeichnen und dann kamen Escapi ins Spiel. Und sie waren sehr daran interessiert und wollten die Scheiben sofort veröffentlichen. Ich dachte mir "Hey, das ist genau der richtige Weg, den die mit den Scheiben einschlagen wollen". So kam das Ganze zustande.

Tolga:
Welche Bands haben WARRIOR SOUL am Meisten beeinflusst?

Kory:
Eher BLACK SABBATH und SEX PISTOLS.

Tolga:
So hört sich's auch an! Ich habe euer "Drugs, God And The New Republic"-Album rezensiert, und für mich klingt es wie die Punkeinstellung der SEX PISTOLS gepaart mit Rock'n'Roll.

Kory:
Stimmt schon. 'PISTOLS meets 'SABBATH meets THE DOORS.

Tolga:
Genau. Das hab ich auch geschrieben. Dass du zwar nicht so klingst wie JIM MORRISON, aber du hast die selbe Einstellung.
Wie siehst du im Nachhinein die Karriere von WARRIOR SOUL? In den meisten Kritiken steht, dass eure Musik heutzutage immer noch aktuell ist. Bist du der selben Meinung?

Kory:
Ich denke, dass es sehr aktuell ist. Es geht auf unterschiedlichste Art und Weise um das Geld, woran es auch letzten Endes gescheitert ist. Der Grund für unsere damalige Daseinsberechtigung war die, dass wir internationalen Konzernen erlauben individuelle Rechte auf Menschen auszuüben. Anders ausgedrückt: Sie beeinflussen mit ihrem Kapital unsere Gesellschaft ausschließlich für die wenigen Individuen an der Spitze. Wir werden so lange in dieser Situation sein, die ich in meinen Songs thematisiert habe, bis sich dieser Zustand ändert.

Tolga:
Ich würde gern mit dir ein paar kurze Schlagwörter zu euren Alben einholen. Dabei nenn ich dir einen Albumtitel und du sagst mir spontan, was dir dazu einfällt.
Lass uns mit eurem Debüt "Last Decade Dead Century" anfangen.

Kory:
Ich nahm alles, was ich hatte und habe es in diese Platte gesteckt. Ich stand kurz vor dem Ruin. Es ist eine verdammt gute Platte mit Höhen und Tiefen. Es stach 1990 sehr stark hervor und es war eine Platte, die für mehr Dinge stand als ihr zugetraut wurde.
(Kory unterbricht das Gespräch für eine Minute. Ich hab keine Ahnung, was er gerade gemacht hat, geschweige denn, wo er hingegangen ist.)

Tolga:
"Drugs, God And The New Republic".

Kory:
Das 'Intro' ist sehr machtvoll! Ich denke, es hat sehr gut das Drama vorweg genommen, das ich mit dieser Scheibe inszenieren wollte. Ich denke, das Titelstück ist der beste Song, den ich jemals geschrieben habe.

Tolga:
"Salutations From The Ghetto Nation".

Kory:
Eine Kombination der ersten beiden Scheiben. Die Produktion war sehr stark auf die kommerziellen Aspekte ausgelegt. Der Geist der ersten beiden Alben war sehr lebendig, worunter dann auch die besten Songs von WARRIOR SOUL vertreten sind, wie 'Punk And Belligerent', 'The Golden Shore' und 'Ghetto Nation'. Da sind 'ne Menge guter Gitarren drauf.

Tolga:
"Chill Pill"

Kory:
"Chill Pill" war das Ende der ersten Phase von WARRIOR SOUL. "Chill Pill" kam während zwei Majorveröffentlichungen heraus. Es war nie als Majorveröffentlichung geplant, aber leider verstand die Plattenfirma zu dem Zeitpunkt nicht, was ich vorhatte. Letzten Endes hat es dann zu diesem Album geführt, was dann natürlich floppte. Es beendete die Periode der ersten vier Scheiben, was dann dazu führte, dass wir mit "Space Age Playboys" ein neues Kapitel aufgemacht haben.

Tolga:
Was "Chill Pill" angeht: Isst du immer noch diese großen Pillen, die zu dem Zeitpunkt von "Chill Pill" in dich reingeworfen hast. (Daraufhin müssen wir beide lachen)

Kory:
Die sind verdammt gut. Natürlich!

Tolga:
Um nochmal auf die Texte zu sprechen zu kommen: Die Lyrics sind immer noch up-to-date. Wie wichtig waren die Texte für WARRIOR SOUL?

Kory:
Ich würde sagen, sehr wichtig. Sie erst gaben den Songs ihre Bedeutung. Es war der Körper für meine Gedanken, in der Form, wie ich etwas versuchte auszudrücken. Du hast vielleicht gemerkt, dass ich mich nicht so gut anhöre. 'Tschuldigung. Einen Moment bitte.
(Und schon entfernt er sich zum zweiten Mal vom Telefon. Keine Ahnung was er treibt. Nach ungefähr einer Minute hat er wieder den Hörer in der Hand.)
Wo sind wir stehen geblieben?

Tolga:
Bei den Texten.

Kory:
Sie waren sehr wichtig. Sie hatten den selben Stellenwert wie für PATTI SMITH oder LOU REED.

Tolga:
Was die Musik angeht, so war sie immer ihrer Zeit voraus. Kannst mit dem traurigen Umstand leben, dass du von den meisten Fans und Musikern zwar respektiert wurdest, jedoch nie den Durchbruch geschafft hast?

Kory:
Was willst du machen? (Lacht)
Mir ist der Respekt der musizierenden Kollegen wesentlich lieber. Ich muss nicht unbedingt reich sein. Ich bin sehr einfach gestrickt: Ich fahre ein Motorrad und trinke Bier. So einfach ist das!

Tolga:
Bist du der Meinung, dass du auf RAGE AGAINST THE MACHINE einen gewissen Einfluss ausgeübt hast? Nachdem die nämlich ihr Debüt veröffentlicht hatten, waren auf einmal politische Texte sehr hip.

Kory:
Sie kamen eher aus der Funk- und Hip-Hop-Ecke.

Tolga:
Das stimmt. Sie hatten aber auch politische Texte.

Kory:
Stimmt. Ich denke, dass in Amerika so was möglich ist. Natürlich nur dann, wenn du nicht weiß bist und keinen Rock spielst (lacht). Vielleicht hatten sie das bessere Timing, der Groove eher massentauglich und die Produktion auf den Alben besser. Sie hatten auch die bessere Promotion. Ganz davon abgesehen verbreiteten sie eher das Hip-Hop/Rap-Gefühl, wohingegen ich mehr Rockorientiert war. Es mag schon sein, dass sie lyrisch von WARRIOR SOUL beeinflusst wurden, ihre Musik jedoch nicht. Der Anspruch war der selbe. Das würde ich schon sagen.

Tolga:
Ein Freund von mir hat sich darüber gewundert, warum du dir unmittelbar vor den Aufnhamen zu "Space Age Playboys" deine langen Haare geschnitten hast. Es waren nämlich die längsten Haare, die er je bei einem Typen gesehen hat. Und um dem noch was hinzu zu fügen: Die Mädels waren ebenfalls schockiert.

Kory:
(Lacht) Ich hatte keine Lust mehr auf meine Haare und sie waren auf die Dauer nervig. Ich möchte sie ehrlich gesagt auch nicht mehr wieder haben wollen.

Tolga:
Warum kamen bei den Wiederveröffentlichungen keine unveröffentlichten Songs zum Zug? Die Liveversionen da drauf sind nicht unbedingt mit dem besten Sound gesegnet, obwohl man ihnen zugestehen muss, dass sie die Magie eines WARRIOR SOUL-Konzerts sehr gut wiederspiegeln.

Kory:
Ich hab keine anderen Songs. Wirklich. Ich wollte in Form der Livetracks zeigen, wie die Band zum Zeitpunkt der jeweiligen CDs sich angehört hat. Alle Bonustracks, die sich auf den jeweiligen CDs befinden, stammen von Konzerten aus der Zeit, als die CDs damals veröffentlicht wurden. Die Band war ein paar Jahre vor der ersten CD zusammen und drei Jahre nach der zweiten, und man kann den Fortschritt bei der Liveperformance heraushören. Darum ging es mir letztendlich.

Tolga:
Ist es zu persönlich, wenn ich dich über den Tod von eurem Ex-Drummer Mark Evans etwas frage?

Kory:
Es war eine Tragödie. Es ist wirklich schlimm, dass er nicht mehr am Leben ist.

Tolga:
Er war ja nicht so alt als er gestorben ist, oder?

Kory:
Nein. Er wurde ermordet!

Tolga:
Oh, das wusste ich nicht. Wie kam's denn dazu?

Kory:
Er wurde ermordet, und der Kerl, der ihn umgebracht hat, wurde Anfang des Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hat sich mit den falschen Leuten im Osten von London aufgehalten. Und wurde umgebracht.

Tolga:
Sehr traurig, das zu hören.

Kory:
Es ist schrecklich! Er war der beste Typ und einer der besten Drummer. Ich kann nichts schlechtes über ihn sagen.

Tolga:
Um auf die ehemaligen Bandmitglieder zu sprechen zu kommen: Hast du noch Kontakt zu denen, und weißt du, was sie heute machen?

Kory:
Es gibt verdammt viele ehemalige Bandmitglieder (lacht).

Tolga:
Dann lass uns über das erste Line-Up sprechen.

Kory:
Ich habe noch Kontakt zu John (Ricco, Ex-Gitarrist von WARRIOR SOUL - Anm. d. Verf.) und Pete (McClanahan, Ex-Bassist von WARRIOR SOUL - Anm. d. Verf.). Eigentlich hab ich nur noch mit den Jungs zu tun.

Tolga:
Kannst du WARRIOR SOUL-Trademarks bei heutigen Bands entdecken? Und wenn dem so ist, welche sind es deiner Meinung nach?

Kory:
(Überlegt) Es gibt keine Band heutzutage, die genauso drauf ist wie wir.

Tolga:
Ich behaupte ja auch nicht, dass sie das selbe machen wie ihr. Eure Musik war einzigartig.

Kory:
Oder auch beschissen (lacht)!

Tolga:
Gibt es Bands, die eine ähnliche Message verbreiten, wie ihr es damals getan habt?

Kory:
Es gibt schon Bands da draußen, die sehr einzigartige Arrangements zusammenbasteln. Natürlich schaue ich gerne auf die BACKYARD BABIES zurück, die zumindest die selbe Einstellung an den Tag legen. Mittlerweile höre ich nicht mehr neue, moderne Rockmusik. Es langweilt mich einfach. Meine neue Band jedoch ist sehr interessant (lacht).

Tolga:
Bevor wir über deine Band sprechen: Du hast gerade die BACKYARD BABIES erwähnt. Was denkst du über die Punk'n'Roll-Szene aus Schweden? Bands wie die bereits erwähnten BACKYARD BABIES, THE HELLACOPTERS oder GLUECIFER. Wenn man sich nämlich euer "Space Age Playboys"-Album anhört, so kann man schon sagen, dass ihr in der Hinsicht Trendsetter wart.

Kory:
Ich weiß definitiv, dass wir diese Bands beeinflusst haben. Ich bin aber der Meinung, dass sie es weitergeführt haben. Es sind großartige Bands!

Tolga:
Stehst du drauf?

Kory:
Klar. Absolut!

Tolga:
Hast du z.B. alle Alben von den HELLACOPTERS?

Kory:
Nicht alle Alben. Ich höre nicht so viel neue Rockmusik.

Tolga:
Was hörst du dir denn so an?

Kory:
Ich höre klassischen Rock.

Tolga:
Welche Bands?

Kory:
CROSBY STILLS & NASH, alte AEROSMITH-Scheiben. Richtig alte Sachen. BAD COMPANY z.B.

Tolga:
Du hast eben deine neue Band erwähnt. Was hast du denn vor: Willst du ein neues Album veröffentlichen?

Kory:
Das Album wird am 27. Juni veröffentlicht (dürfte also schon draußen sein - Anm. d. Verf.). Es nennt sich DIRTY RIG. Das Album ist unglaublich! Da sind die besten Musiker dabei, mit denen ich jemals zusammen gearbeitet hab.

Tolga:
Würdest du sagen, dass es musikalisch in Richtung WARRIOR SOUL tendiert?

Kory:
Eher die hart rockenden WARRIOR SOUL. Ich würde es als New Oldschool bezeichnen. Es ist frischer, harter Rock. Es ist eine heavy Scheibe. Die Gitarrenplayer sind vom "Guitar Player Magazine", die Drummer vom "Drummer Magazine". Das ist echt ein Sechser im Lotto.

Tolga:
Und was ist mit WARRIOR SOUL?

Kory:
Ich denke darüber nach, etwas in London in die Gänge zu bringen.

Tolga:
Mit den alten Bandmitgliedern?

Kory:
Es hängt davon ab, wie's mit DIRTY RIG läuft, aber ich werde wahrscheinlich Pete (McClanahan, Ex-Bassist von WARRIOR SOUL - Anm. d. Verf.) und ein paar Jungs von der "Space Age Playboys"-Band zusammentrommeln.

Tolga:
Eine letzte Frage habe ich noch: Was kannst du mir über Geffen Records erzählen?

Kory:
Hmm, was kann ich dir da erzählen?

Tolga:
Mein Kollege in der Redaktion meinte nur, dass ich nicht das Thema "Geffen Records" erwähnen soll, weil du dann viele Sachen vom Stapel lässt, über die sie sich nicht unbedingt freuen werden.

Kory:
(Lacht) Ich werde jetzt mal nichts dazu sagen. Ich einige mich gerade mit ihnen.

Tolga:
Du wirst dein Album über Geffen Records veröffentlichen?

Kory:
Nein. Es wird über Escapi veröffentlicht, ich hab jedoch ein paar andere Themen, über die ich nicht gerne sprechen möchte.

Tolga:
Hast du noch etwas, das du loswerden möchtest?

Kory:
Des Weiteren produziere ich gerade eine Band und spiele dort die Drums.

Tolga:
Welche Band?

Kory:
Es ist eine neue Band mit dem Namen THE STONED. Wir werden das Album im Juni aufnehmen. Es ist richtig alter Siebziger-Jahre-Rock und geht in Richtung BAD COMPANY.

Tolga:
Also klassischer Hard Rock?

Kory:
Ja und es ist unglaublich!

Redakteur:
Tolga Karabagli

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