VOTUM: Interview mit Zbigniew Szatkowski

28.02.2009 | 14:18

Mit "Time Must Have A Stop" liefert die polnische Progressive-Metal-Band VOTUM einen schönen Erstling ab, der trotz der auf der Hand liegenden Vergleiche zu ihren Landsleuten RIVERSIDE bereits von beachtlicher Eigenständigkeit strotzt. Keyboarder Zbigniew Szatkowski nahm sich für POWERMETAL.de die Zeit, die Formation etwas näher vorzustellen.



_Elke:_
Erzähl unseren Lesern doch bitte zunächst etwas über die bisherige VOTUM-Geschichte seit der Gründung im Jahre 2003.

_Zbigniew:_
VOTUM waren ursprünglich eine klassische Heavy-Metal-Band. Aber wir haben schnell bemerkt, dass es in der Musik mehr gibt als nur galoppierende Gitarren-Riffs und diesen "alles wurde bereits von IRON MAIDEN gespielt"-Ansatz. Ich stieß während der Umwandlungsphase von "heavy" zu "experimenteller" (wie wir unseren Stil am Anfang nannten) dazu, und wir begannen mit den Arbeiten an "Time Must Have A Stop". Kurz danach stieg noch Bartek Turkowski (Bass) bei uns ein, und die Drumsticks wanderten von unserem früheren Schlagzeuger Piotr Uminski in die Hände von Adam Lukaszek. Leider haben wir durch unseren Stilwechsel die meisten Fans aus unserer Anfangszeit verloren und mussten buchstäblich von vorne anfangen. Aber wir wollten diesen Schritt gehen, um uns weiterzuentwickeln und nicht in einem Genre steckenzubleiben.

_Elke:_
Wie alt seid ihr, und habt ihr bereits in anderen Bands gespielt?

_Zbigniew:_
Wir sind jung genug, um den Rock'n'Roll-Lebensstil genießen zu können, aber alt genug, um unsere Musik mit Leidenschaft und Verstand zu spielen. Die meisten von uns waren vor VOTUM bereits in anderen Formationen aktiv, und zwar in verschiedenen, stilistisch sehr weit gefächerten Genres. Das geht von Filmmusik, Elektro, Heavy und Symphonic Black Metal zu Jazz oder Funk, und diese Einflüsse finden sich auch alle irgendwie in unserem heutigen Stil wieder. Zum Beispiel steht unser Bassist auf TANGERINE DREAM, PINK FLOYD oder MARCUS MILLER. Gitarrist Adam Kaczmarek bevorzugt sowohl ruhige Ambient Musik als auch "etwas" heftigere Bands wie SLIPKNOT oder MACHINE HEAD. Meine Faves sind KEITH EMERSON, ULVER und HERBIE HANCOCK, während unser Sänger Maciej Kosinski GEORGE MICHAEL oder PORCUPINE TREE sehr schätzt. Die zweite Hälfte der Gitarrenabteilung, Alek Salamonik, verehrt viele Arten von Filmmusik genauso wie klassische Gitarristen der Sorte AL DI MEOLA.

_Elke:_
Wie arbeitet ein derart vielfältig geprägtes Kollektiv seine Songs aus?

_Zbigniew:_
Gemeinschaftlich. Der Vorteil einer Band ist die Unterstützung und konstruktive Kreativität, die nur entsteht, wenn zusammen auf das gleiche Ziel hinarbeitet. Die Grundlagen für "Time Must Have A Stop" waren Teamwork, leidenschaftliche, auch mal hitzige Diskussionen über unseren zukünftigen Stil und die ewige Liebe, die wir alle dem, was wir tun, entgegenbringen.

_Elke:_
Wie lange habt ihr an "Time Must Have A Stop" gearbeitet?

_Zbigniew:_
Acht Monate. Viel Zeit ging dafür drauf, dass wir jeden Aspekt des Konzepts ausarbeiten wollten, bevor wir mit den eigentlichen Aufnahmen begannen. Auch die Veränderungen im Line-up haben uns etwas ausgebremst, weil wir erst wieder neu zusammenwachsen mussten. Und natürlich lief auch sonst nicht alles glatt. Unser Proberaum wurde zum Beispiel während eines heftigen Unwetters überflutet, weil ein "weiser" Mensch das Abflussrohr vor unserem Fenster blockiert hatte. Da versuchte jeder von uns zu retten, was nicht niet- und nagelfest war. Und dann gab es da noch die Geschichte von der Doughnut-Vergiftung (von der wir glauben, dass sie ein Sabotageakt war), verursacht durch ein Geschenk des unschuldigen Bäckers über unserem Proberaum, für das wir einen hohen Preis zahlen mussten...

_Elke:_
Du hast bereits das Stichwort "Konzept" angesprochen. Die Texte dienen bei euch als Bindeglied für die einzelnen Songs. Wie würdest du die Handlung thematisch zusammenfassen?

_Zbigniew:_
Das ist eine Art gefährliche, morbide und dunkle Liebesgeschichte, aber gleichzeitig auch die Kombination von Besessenheit und Unschuld - eine Mischung, die schnell ihren ausweglosen Siedepunkt erreicht.

_Elke:_
Wo nimmt euer Sänger Maciek die Inspirationen für seine Texte her?

_Zbigniew:_
Er beschrieb den Prozess des Textens einmal als "Antwort auf die sozialen Dinge dieser Welt" - einer Welt, die nun mal dunkel und mysteriös ist. Wir halten euch diese Dinge nur vor Augen.

_Elke:_
Trotz des eher düsteren Tenors gibt es einen Text, der eine sehr positive Aussage hat, nämlich den von 'Train Back Home'. Ich denke, jeder von uns durfte irgendwann einmal einen solchen Tag erleben, an dem man sich einfach wünscht, dass die Zeit still stehen bleibt, weil man das Leben gerade wunderschön findet.

_Zbigniew:_
Das Leben ist definitiv wunderschön, und wir empfinden das jedes Mal wieder aufs Neue, wenn auf einem Konzert der letzte Akkord von "Time Must Have A Stop" verklingt. Wir leben für die Bühne und lieben diese Art von Leben.

_Elke:_
Jeder Text wurde im Booklet mit einem Zitat versehen, die aus solch unterschiedlichen Quellen wie der Heiligen Schrift oder von William Shakespeare stammen. Wenn du nur ein einziges Zitat als Zusammenfassung für das ganze Album auswählen müsstest, welches wäre das?

_Zbigniew:_
Jeder in der Band hätte da vermutlich einen anderen Vorschlag, aber für mich wäre es ein Zitat von William Blake: "Those who restrain desire do so because theirs is weak enough to be restrained."

_Elke:_
Werdet ihr auch zukünftig inhaltlich zusammenhänge Songs auf ein Album packen?

_Zbigniew:_
Da die Idee eines "Konzeptalbums" hat auf "Time Must Have A Stop" ziemlich gut funktioniert, weshalb auch unsere zweite Platte ein solches werden wird. Uns ist schon klar, dass das in der Progressive-Szene nicht wirklich innovativ ist, aber das große Ganze eines Albums, also das Artwork, die Texte und die vielen anderen Details drumherum, sind uns sehr wichtig.

_Elke:_
Wenn ihr ein Konzeptalbum über ein bestimmtes Buch schreiben müsstet, welches würdet ihr wählen?

_Zbigniew:_
Mein Favorit wäre Ken Keseys "Einer flog über das Kuckucksnest", das meiner Vorstellung eines Buches, über das man einen Soundtrack bzw. ein Konzeptalbum schreiben sollte, perfekt entspricht. Es gibt keine andere Geschichte, die so deprimierend und doch so hoffnungsvoll ist, so dunkel und doch so real "im Hier und Jetzt", geschrieben in einem verblüffenden Stil und mit überragender Erzählkunst.

_Elke:_
In Polen scheint ihr bereits gutes Feedback durch die heimische Presse zu bekommen und seid außerdem live sehr aktiv. Wie ist es um die polnische Prog-Szene derzeit bestellt, und wie viele Fans finden im Schnitt den Weg zu einem VOTUM-Konzert?

_Zbigniew:_
Die Prog-Szene scheint die einzige zu sein, in der ein leichtes Wachstum auszumachen ist inmitten einer ziemlich stagnierenden und bis zum Rande mit Pop-Grütze gefüllten Musik-Industrie. Aber selbst die international etablierten Bands ziehen keine Menschenmassen an. Bei uns hängt es von den Clubs, den Orten und der Werbung für die einzelnen Auftritte ab, ob wir vor zehn (kam bereits vor) oder 1500 Gästen auftreten - wobei wir natürlich hoffen, dass die Tendenz künftig eher nach oben zeigt.

_Elke:_
Eure Landsleute RIVERSIDE, mit denen ihr auch verglichen werdet, dürften den Weg in eine internationale Karriere für andere polnische Progressive-Bands geebnet haben, war euer Land doch lange Zeit eher für Extrem-Metal der Sorte VADER oder BEHEMOTH bekannt.

_Zbigniew:_
Das stimmt, wobei wir uns nicht in direkter Konkurrenz zu RIVERSIDE sehen. Wir versuchen vielmehr, einen eigenen VOTUM-Stil zu entwickeln - energievoll, dunkel und dynamisch, und je eigenständiger, desto besser.

_Elke:_
Gibt es weitere polnische Progressive-Rock- und Metal-Bands, die du unseren Lesern empfehlen könntest? Steht uns gar eine "New Wave of Polish Progressive Metal" bevor?

_Zbigniew:_
Definitiv! Wir sind nur die Vorhut. Es gibt einige wirklich großartige Bands hier: SYMPHONY, TERMINAL und PERIHELLIUM für diejenigen, die Musik lieber atmosphärisch und sehr emotional mögen; ANIMATIONS für jene, die auf technisches schnell-wie-der-Blitz-Gefrickel stehen, oder DIVISION BY ZERO, die beide Sparten bedienen.

_Elke:_
Habt ihr Pläne für eine Tour zum aktuellen Album, die euch auch in Städte außerhalb Polens führt?

_Zbigniew:_
Wir sind immer heiß auf Konzerte! Die polnische Promo-Tour, die wir mit solch wunderbaren Bands wie BLACK RIVER und UNSUN absolviert haben, war eines der größten Erlebnisse unserer bisherigen Karriere. Wir freuen uns darauf, im Ausland zu spielen, obwohl wir gleichzeitig bereits an Songs für das kommende Album arbeiten, weshalb für Konzerte nicht ganz so viel Zeit übrig bleibt.

_Elke:_
Wenn du dir dein Traum-Line-up zusammenstellen könntest, mit welchen Bands würdet ihr euch dann den Tourbus teilen?

_Zbigniew:_
Derzeit wohl am ehesten mit OPETH oder PORCUPINE TREE. Am liebsten natürlich mit beiden gleichzeitig.

Hier noch die Links zu den von Zbigniew genannten polnischen Hoffnungsträgern:

SYMPHONY: http://www.myspace.com/symphonypoland
TERMINAL: http://www.myspace.com/terminalfm
PERIHELLIUM: http://www.myspace.com/perihellium
ANIMATIONS: http://www.myspace.com/animationsofficial
DIVISON BY ZERO: http://www.myspace.com/divisionbyzeropl
UNSUN: http://www.myspace.com/unsunmusic
BLACK RIVER: http://www.myspace.com/blackriverpl

Redakteur:
Elke Huber

Login

Neu registrieren