SUICIDE WATCH: Interview mit Ian Glasper

21.03.2005 | 21:27

Die Engländer SUICIDE WATCH lassen mit "Global Warning" ein Thrashbiest von der Leine, das seine Geburtsstunde eindeutig in den Achtzigern hatte und ungeniert seine großen Idole zitiert, ohne dabei die eigene Note zu verlieren. Basser Ian macht keinen Hehl aus den Bandwurzeln. "Wir hören zwar alle Arten von Musik, von Punk bis Emo, die Quintessenz der Band besteht dennoch eindeutig aus dem Thrash Metal der Achtziger Jahre, vor allem aber der Mitte dieses Jahrzehnts. Ich sah METALLICA auf der "Master Of Puppets"-Tour mit Cliff Burton am Bass und ANTHRAX als Support und war sofort elektrisiert. Dannach kamen amerikanische Punk- und Hardcorebands wie zum Beispiel DRI und COC, es wurde aber immer schneller und schneller. Unsere Haupteinflüsse sind EXODUS, NUCLEAR ASSAULT, SUICIDAL TENDENCIES, TESTAMENT, SLAYER, EXHORDER, EXEL, VIO-LENCE, DEFIANCE und HEATHEN. Dazu kommen die großen deutschen Drei, DESTRUCTION, KREATOR und SODOM. Wir lieben diese Bands über alles. Mille ist der Thrashgott, hat gerade ein besonders gutes Album abgeliefert, und DESTRUCTION sind die mad butcher des Thrash Metal. Beides Stempel für die Ewigkeit." Aufgezählt hat der gute Ian fast nur Bands aus Amerika und Deutschland, was mich mit Sorgen an den englischen Untergrund denken lässt, indem es keine nennenswerten Bands zu geben scheint. "Quatsch", mault der stämmige Saitendehner. "Der englische Underground ist voll von guten Thrashbands. Mir fallen da auf jeden Fall noch XENTRIX, ONSLAUGHT, SABBAT, TORANAGA, ACID RAIN, LAWNMOWER DEATH und SLAMMER ein. Aber du hast Recht, wenn du die Art Thrash Metal meinst, die wir spielen. Die anderen mögen da origineller sein, da wir dem frönen, was wir lieben. Und das ist Bay Area Thrash der ganz alten Schule."

Dem stimme ich zu einhundert Prozent zu, was den Blickwinkel auf die neue Scheibe driften lässt. "Wir sind sehr zufrieden mit "Global Warning"", gibt der Basser gutgelaunt zu Protokoll. Unser vorrangiges Ziel war es die Liveenergie im Studio zu entfachen. Wir verzichteten daraufhin für eine unnötige Überproduktion, die sich ewig in die Länge zieht. Wir sind ins Studio getingelt und haben das Teil innerhalb von vier Tagen aufgenommen, gemixt und gemastert. Da wir alles live eingespielt haben, saßen manche Tracks schon beim ersten Take. Das war sehr harte und konzentrierte Arbeit, spiegelt die Band aber am besten wieder. Produziert hat Martin Nicholls im Whitehouse Studio. Da das Album textlich hochgradig kritisch mit der US-Politik ins Gericht zieht, ist die Namensgebung des Studios schon fast als ironisch zu bezeichnen, haha. Martin ist total old school und wir wählten ihn aus, weil er auf neumodischen Scheißdreck wie Pro-Tools und so ein Schrott kackt. Er bringt dich dazu, deine Wut rauszulassen und nimmt sie dann einfach auf. Besonders gelungen bei 'In The Mouth Of Madness'. Der Track ist so schnell, heavy und intensiv und entfacht mit seinen Lyrics, die sich mit der globalen Klimaerwärmung befassen, eine heftige Wirkung. Ohne Martins Einfluss wäre diese nicht so impulsiv geworden."

Nun kann man ja wirklich nicht sagen, dass SUICIDE WATCH Newcomer sind, die ihren alten Helden huldigen. Treffender ist es, dass hier alte Hasen am Werk sind, die schon fast genauso lange musizieren wie ihre Helden. "Ade und ich spielten schon ungefähr acht Jahre lang bei den englischen Metalcorern STAMPIN'GROUND. Wir waren anfangs schön thrashig und old schoolig, wurden mit zunehmender Entwicklung immer neumodischer und trendiger. Das hat uns nicht mehr zugesagt. Wie dem auch sei, haben wir mit dieser Band schon vier Alben aufgenommen und waren unzählige Touren in UK unterwegs. Simon und Rid waren in einer Punkband namens BURNSIDE tätig, Rid außerdem in den Achtzigern in der Punkband DECADENCE WITHIN. Du siehst, wir sind ebenfalls schon seit den Thrash-Ursprüngen der Szene aktiv. Wir alle sahen damals MEGADETH und METALLICA auf deren Tourneen. Und von da ab war es um uns geschehen." Da passt das absolut urtypische Achtzigercoverartwork wie der Arsch auf den Eimer. "Ja cool oder?", lacht der Brite. "Das Artwork stammt von Ed Repka, der damals unzählige Meilensteine mit seinen Zeichenkünsten veredelte. Darunter waren unter anderem EVIL DEAD, MEGADETH, UNCLE SAM, DEFIANCE, LUDICHRIST und TOXIC. Überflüssig zu sagen, dass der Mann den Look einer kompletten Szene geprägt hat. Und diesen Look wollten wir auch unbedingt für "Global Warning" haben."

Bleiben wir noch mal beim Look, diesmal aber bei dem der Band auf der Bühne. Ian prustet drauf los: "Unser Sänger ist ein absolut Wahnsinniger, der wild mit den Augen rollt und es liebt, Leute mit einem hasserfüllten Blick zu fixieren, haha. Ade ist einer der besten Drummer in ganz England und geht zu jeder Sekunde bis an die Schmerzgrenze. Man könnte fast meinen, der Kerl trommelt sich aus seiner eigenen Haut raus. Simon hat, wie ich finde, eine der tightesten rechten Hände im ganzen Thrashbereich. Der wichst übers Griffbrett, dass einem Hören und Sehen vergeht. Ja, und ich versuche das beste daraus zu machen und wenigstens ansatzweise mitzuhalten. Aber mal im Ernst, wir sind denke ich sehr tight und sehr schnell, was viele Leute mögen und viele wiederum auch nicht." Ich würde es bestimmt mögen, könnte man die Band auch mal in unseren Breitengraden bestaunen. "Bislang ist nichts geplant", meint der Bassist. "Wenn die Deutschen unseren Shit aber mögen und ein paar Exemplare bei euch verkauft werden, könnte ich mir einige Gigs in good old Germany absolut vorstellen. Los, rennt und kauft "Global Warning", haha." Wenn die Band auf der Bühne so aggressiv zu Werke geht wie auf Halde, dann steht einem auf jeden Fall ein ordentlicher Arschtritt ins Haus. Da hofft man eigentlich nur, dass die Jungs nicht auch privat zu solch Gewalteskalationen aufwarten. "Haha, im Gegenteil", lacht der bullige Sympathikus. "Drei von uns sind bereits Väter und verbringen sehr viel Zeit mit ihren über alles geliebten Kids. Eigentlich sind wir ganz brave, einfach stinknormale Familienmenschen, die ihre Alltagslasten und Hobbies haben, wie jeder andere auch. Ich habe gerade mein erstes Buch veröffentlicht ("Burning Britain", über Cherry Red Books) und mache nebenbei etwas Kampfsport. Ade ist der totale Fitnessfan und ist ein sehr guter Kung-Fu-Mann. Des Weiteren hat der Kerl ein eigenes kleines Studio und kann die meisten Instrumente spielen, der kleine Bastard. Und schlussendlich Simon und Rid, die eigentlich gar nichts können außer viel saufen und dementsprechend zunehmen, haha."

Bleiben letztendlich nur noch eine Frage: Die Bedeutung der Musik im Leben eines Ian Glasper? "Uff! Ich würde sagen, Musik ist für mich wie eine Halskrause oder besser noch eine Genickstütze für eine Giraffe, deren Halswirbelsäule angebrochen ist. Ohne sie wäre die Giraffe tot, mit hundertprozentiger Sicherheit." Thrash 'til death...

Redakteur:
Alex Straka

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