SATYRICON: Interview mit Frost

24.12.2008 | 17:13

Bevor Väterchen Frost zum Feste einlädt, öffnet uns Drum-Legende Frost sein Türchen - viele spannende Antworten warten auf uns.

Der Schweiß fließt ihm von der Stirn – es rummst gewaltig in der Easy Schorre. Frost erhebt sich von seinem Throne – Soundcheck vorbei, jetzt wird gefuttert. Doch zunächst nimmt sich der Ausnahme-Drummer noch ein wenig Zeit, um sich unseren knallharten Fragen zu stellen. Während er sich mit Stretching wieder in Normalform bringt und wir uns über soviel Energie nur wundern können, sind wir auch schon mittendrin...

Enrico:
Hallo Frost. Hungrig?

Frost:
Und wie!

Enrico:
Dann beeilen wir uns. Morgen ist eure letzte Show, dann ist die Tour auch schon wieder um. Was bleibt zurück, wenn ihr in den Flieger steigt?

Frost:
Es gibt wahnsinnig viele Erinnerungen. Zunächst das generelle Gefühl, dass dies die beste SATYRICON-Tour war, in der ich involviert gewesen bin. Der Grund ist meiner Meinung nach, dass wir mit "The Age Of Nero" unser bestes Album produziert haben. Unsere Live-Band war noch nie so gut und so hungrig wie im Moment. Wir gehen da mit unglaublich viel Enthusiasmus und Feuer raus und merken, dass die neuen Songs sofort einschlagen – das erfreut uns ungemein. Es gibt nix Schöneres, als wenn das Feedback von Seiten der Fans so toll ist.

Enrico:
Gab es eine ganz besondere Show?

Frost:
Wir hatten wirklich viele starke Shows. Gestern hatten wir einen wahnsinnig coolen Gig in München. Das war für uns total überraschend, weil man in München oftmals etwas ruhiger ist. Die Fans sind sie meist zurückhaltend und wirken unbeeindruckt.

Enrico:
Wie leider oft auch in Berlin.

Frost:
Ja genau, viele Orte sind hier so. Es spielen einfach zu viele gute Bands – dadurch stumpfen die Besucher ab. Aber gestern war einfach unglaublich. Es gab da einen fast schon surrealen Moment. Ein riesiger Skinhead ist in Richtung Satyr gerannt und die Security musste ihn niederringen. Er war völlig außer sich und hat geschrieen. Und plötzlich hörte ich, wie er schrie: "Satyr - you must come to Luxemburg". Offensichtlich wollte er uns nur eine Botschaft übermitteln, dass wir dort unbedingt spielen sollten. Er sah aus, als ob er bereit wäre zu sterben, nur um uns diese Nachricht zu übermitteln. Echt krass.

Enrico:
Was ist dein momentaner Lieblingssong vom neuen Album – speziell live?

Frost:
Also live spiel ich momentan sehr gerne 'Die By My Hand'. Aber die neuen Sachen spiele ich alle gern. Gestern hatten wir bei 'The Sign Of The Trident' einen sehr starken Moment. Zwischen Band und Publikum war eine ganz besondere Verbindung – eine unglaublich Spannung, die fast schon etwas von einer Zeremonie hatte.

Enrico:
Was geht dir eigentlich durch den Kopf, wenn du auf der Bühne deine Schießbude malträtierst.

Frost:
Ich spüre Aggression – ich fühle eine unglaubliche Gewalt gegenüber meinem Instrument. Wut zischt durch meinen Körper, die Spucke läuft mir aus dem Mund und ich seh die ganze Zeit rot. Dennoch bin ich enorm auf den Song fokussiert. Ich bin in Gedanken aber immer einige Sekunden voraus, denn ich weiß ja was kommen wird. Es ist zusammenfassend gesagt eine Mischung aus Gewalt bzw. Aggression und völliger Hingabe an den Song.

Enrico:
Woher nimmst du diese Wut?

Frost:
Da bin ich mir nicht völlig sicher. Ich glaube, dass es teilweise einfach in mir existiert. Der andere Teil kommt durch die Musik, die wir machen. So richtig erklären kann ich das nicht. Viele haben mich das schon gefragt. Ich bin dann selbst immer überrascht und frage mich, was ich da eigentlich mache. Aber es ist wohl ein Teil meiner selbst und ich steigere es durch die Musik noch weiter. Ich nutze diesen Teil von mir und beziehe daraus wiederum Energie für die Musik.

Enrico:
Kommen wir noch mal zurück zur Tour. Wie viel von den Städten siehst du während der Tour?

Frost:
Meist extrem wenig. Heute haben wir von Halle einiges gesehen und sind viel herumgelaufen, aber sonst ist das eher selten der Fall.

Enrico:
Hast du eine Lieblingsstadt – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit?

Frost:
Das kommt immer darauf an, warum man in der bestimmten Stadt ist. Ich würde aber Paris sagen. Die Kultur ist großartig, ich könnte stundenlang durch diese City laufen und diese wunderbare Architektur betrachten – die ganzen Ornamente und historischen Gebäude. Die Stadt hat eine ganz besondere Aura – eine extrem kulturelle und historische Energie. Man spürt förmlich, dass dort viele besondere historische Dinge geschehen sind. Auf der aktuellen Tour habe ich aber auch viele neue Sachen in Rom gesehen, die mich auch wahnsinnig beeindruckt haben. Straßburg ist auch wunderschön, vor allem die mittelalterliche Altstadt.

Enrico:
Weil du gerade von Rom sprachst, wie war es für euch in Rom zu spielen, berücksichtigt man den Albumnamen "The Age Of Nero"?

Frost:
Es herrscht eine ganz eigenartige geistige Verbindung von SATYRICON mit den historischen Begebenheiten von Rom. Wir fühlen uns dort sehr heimisch, vor allem spirituell.

Enrico:
Habt ihr euch ein wenig wie Nero gefühlt, als ihr den Club zum "Lodern" brachtet?

Frost:
Haha ... na ja, es gibt ja verschiedene Versionen der Geschichte von Nero. Manche behaupten sogar, dass Nero vielen Menschen geholfen hat, vor dem Feuer in Sicherheit zu gelangen. Er soll sie in sein riesiges Anwesen eingeladen haben. Manche berichten jedoch, dass er gesungen hat und auf seiner Leier spielte, als die Stadt in Flammen stand. Auf jeden Fall war es wohl sehr dramatisch und das ist für uns das Wichtigste. Wir haben den Namen vor allem wegen seiner Bedeutung gewählt – Schwarz!

Enrico:
Hast du vor einer Show ein bestimmtes Ritual?

Frost:
Oh ja, wir alle haben so was. Bei mir sind es bestimmte physische und mentale Übungen, um mich aufzuputschen. Ich kommuniziere sozusagen mit meinen Sinnen, um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken und um meinen "Charakter" auszuformen. Ich bereite mich vor, um wirklich ganz oben, am Limit zu sein.

Enrico:
Und was machst du nach einer Show zuerst?

Frost:
Normalerweise fahre ich Fahrrad – auf einem Hometrainer (lacht). Mindestens zehn Minuten um mich abzukühlen und den Puls herunter zu bekommen. Nach der Show muss ich mich quasi wieder zurückverwandeln. Dann kommen einige Dehnungsübungen und dann erst wird gegessen und geduscht.

Enrico:
Dann bräuchtest du doch bestimmt auch Massagen, oder?

Frost:
Auf jeden Fall. Aber ich hab hier leider niemanden, der sich um so was kümmert.

Enrico:
Das wäre aber wichtig für den Rücken.

Frost:
Da stimme ich dir voll zu. Ich habe enorme Probleme mit dem Rücken und es schmerzt nach der Show ungemein. Schlagzeug spielen ist eben extrem physisch und greift den Körper stark an.

Enrico:
Weihnachten steht vor der Tür. Feierst du dieses Fest überhaupt?

Frost:
Ich feiere es nicht im klassischen, traditionellen Sinne. Ich besuche meine Eltern, ruhe mich aus und fahre Ski. Da gibt es jede Menge Schnee. In diesen Tagen ist ja auch die Wintersonnenwende. Diese Zeit ist einfach großartig. Am besten verbringt man sie in den Bergen. Die Sonne geht total früh unter, so gegen halb 2 Uhr nachmittags. Die Oberfläche der Erde bekommt dann eine seltsame bronzene Färbung. Das kann man im Tal gar nicht so sehen, dazu muss man auf die Berge. Die Sonne färbt sich von einem sehr schwachen Gelb in ein tiefes Rot. Diese Momente sind einfach toll und ich hoffe, davon einige zu haben in den nächsten Wochen.

Enrico:
Wie sehen eure Pläne für 2009 aus?

Frost:
Wir werden die USA betouren, Japan, Australien - dann geht's zurück nach Skandinavien, bevor wir dann auch wieder in Deutschland spielen werden.

Enrico:
Zum Schluss möchte ich gern noch wissen, wie deine Meinung dazu ist, dass immer mehr extreme Metal-Bands die Charts entern und aufmischen?

Frost:
Ich glaube, das hat mehrere Gründe. Die CD-Verkaufszahlen sind jedoch eigentlich lächerlich, da fast nur noch illegal gedownloaded wird. Metal-Bands haben noch den Vorteil, dass sie eine sehr starke Fan-Basis besitzen. Diese Bands werden immer eine gewisse Anzahl an CDs verkaufen. Aber das gilt eigentlich für alle Bands, egal welchen Genres. Sobald eine Basis da ist, verkaufen sich die Sachen noch. Ein anderer Grund ist für mich, dass Metal ja nun kein neuer Trend ist, sondern schon lange existiert. Daher kommt natürlich jeder irgendwie damit in Berührung. Somit wächst das Genre ganz automatisch – so ist das mit jedem Underground-Phänomen. Zunächst hören es nur die Hardcore-Fans. Die spielen das ihren Freunden vor und so weiter und so fort. Irgendwann erreicht man dann eben eine Menge Leute. Das ist ein ganz natürlicher Prozess.

Jetzt heißt es Abschied nehmen – der Tisch ist gedeckt und die Show kann beginnen.

Redakteur:
Enrico Ahlig

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