SALTATIO MORTIS: Interview mit Lasterbalk

02.06.2016 | 10:29

SALTATIO MORTIS zu Gast bei Florian Silbereisen? Auch das ist nicht auszuschließen, sagt Schlagerzeuger, Songschreiber und Mastermind der Band, Lasterbalk. Über verrückte Pläne für die Zukunft, die neue Best-Of und den Zeitgeist der Fans sprach der Spielmann im Interview mit POWERMETAL.de.

Guten Abend, Lasterbalk. Erst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Ganz plumpe Frage gleich zu Beginn: Euer Best-Of-Album, das am 17. Juni in die Plattenläden kommt, habt ihr "Licht und Schatten: Best Of 2000 - 2014" genannt. Ein Rückblick auf diese Zeit: Was war da für dich Licht und was war der Schatten?

Alleine damit ließe sich schon die nächste halbe Stunde füllen. Das Licht besteht natürlich darin, Songs und Texte über eigene Erlebnisse und persönliche Ansichten schreiben zu können. Natürlich gehören auch solche Veranstaltungen wie unser erster Auftritt bei Wacken dazu. Unsere erste Platte "Des Königs Henker", die in die Charts ging. Die Palette ist da recht bunt und reicht von riesigen Ereignissen bis hin zu kleinen Dingen wie ein schönes Gespräch nach einem Konzert und tolle Leute kennenzulernen.

Und was war nun der Schatten?

Da gab es beispielsweise 2006 die Trennung von unserer Ur-Besetzung, das war eine sehr harte Zeit. Aber auch der Weg, der dorthin geführt hat, war für uns alle sehr schwierig. Da gab es eigentlich reichlich Schatten in der Vergangenheit. Auf einmal stellst du fest, wie schnell man wieder unten sein kann. Und dann fragst du dich auch trotz der Reisen durch die ganze Weltgeschichte, wo das Essen im Kühlschrank herkommen soll. Auch sind einige Freundschaften daran zerbrochen, dass man einfach keine Zeit mehr hatte.

Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse: Euch gibt es jetzt immerhin schon seit 15 Jahren. Alleine das ist ja eigentlich schon ein Grund, sich mal selbst hochleben zu lassen. Oder woran habt ihr gemerkt, dass es jetzt Zeit für ein Best-Of war?

Die Antwort ist deutlich weniger romantisch. Als wir den Plattenvertrag bei Napalm Records unterschrieben haben, war klar, dass die Firma ein Recht auf ein Best-Of hat. In der Band gab es da ganz unterschiedliche Sichtweisen. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass Best-Of-Alben in einer Zeit von iTunes-Playlisten noch zeitgemäß sind.
Letzten Endes gibt es da aber kein richtig oder falsch. Ich glaube nicht, dass wir eine solche Platte ohne die Anfrage der Plattenfirma gemacht hätten - zumindest noch nicht. Trotz allem steckt in dem Projekt all unser Herzblut drin: Sogar das Artwork habe ich selbst gestaltet und dafür fotografiert.

Und wie habt ihr schließlich die Stücke für das neue Album ausgewählt?

Wir sind in unserer Bandgeschichte schon einen langen Weg gegangen und haben dabei Ausflüge in ganz verschiedene Richtungen unternommen. Wir sind zu einer Band mit einer Handschrift geworden. Wir haben uns viele Fragen gestellt: Welche Songs würden wir heute noch gerne spielen? Welche Songs erachten wir auch heute noch als passend zu uns? Und diese Songs haben wir zum Teil neu produziert, aber auch darauf geachtet, dass sie den Charme der Originalaufnahmen behalten. Wir haben keine Gesangstexte neu geschrieben und die tragenden Spuren so belassen, wie sie sind.

Mit dabei ist auch das Lied, welches euch deutschlandweit vermutlich am meisten Kritik eingebracht hat: 'Wachstum über alles'...

'Wachstum über alles' ist vermutlich die erfolgreichste Single, die wir hatten. Wir wären relativ blöd gewesen, wenn wir das Lied nicht mehr spielen würden - auch weil es ein Lied ist, das an Aktualität nichts eingebüßt hat. Es ist nach wie vor an der Zeit darüber nachzudenken, ob der abgedrehte Turbokapitalismus wirklich der Weg ist, mit dem wir weiterleben wollen. Ich bin da deutlich anderer Meinung.

Gerade auf euren aktuellen Scheiben singt ihr oft über Themen oder Dinge, die in unserer Gesellschaft schief laufen. In einem der neuen Songs eurer Best-Of nehmt ihr euch so das Thema Datenfreiheit zur Brust. Ist das euer eigener Ärger, dem ihr da Luft macht oder wollt ihr vordergründig eine Botschaft nach außen transportieren?

Man wird einfach erwachsener. In unserer Frühphase ging es noch viel um die Trommeln, den Dudelsack und die Unterhaltung oder um historische Quellen und alte Sprachen. Im Laufe der Zeit hat sich die Kritik, die schon immer Kern unserer Texte war, eben konkretisiert. Wir verstecken uns einfach nicht mehr hinter Metaphern oder Märchen, sondern sagen direkt, was los ist. Gerade auf 'Zirkus Zeitgeist' hat sich das dann ziemlich konzentriert.

Habt ihr eines der Lieder, die mit dem Album "Licht und Schatten" neu veröffentlicht werden, denn eigens für das Album geschrieben oder waren das tatsächlich alles "liegengebliebene" Stücke?

Wir schreiben für jedes neue Album ungefähr zwanzig Songs. Davon schaffen es dann aber nur 12-14 auf die Platte. Manche der Songs sind gute und auch schon fertige Songs, wie zum Beispiel das neue 'Weiß wie Schnee', das sich mit der Sagengestalt Frau Holle beschäftigt. Das Lied hätte auch schon auf "Das schwarze Einmaleins" gepasst, aber hat dann gegen den 'Sandmann' den Kürzeren gezogen. Und auf "Zirkus Zeitgeist" hat es dann einfach thematisch nicht gepasst. Als wir dann aber dann an der Best-Of gearbeitet haben, war uns allen klar: Jetzt ist die Zeit für 'Weiß wie Schnee' gekommen.

Mit dabei auf der Platte ist auch 'Salome', bei welchem Metal-Queen Doro Pesch den weiblichen Gesangspart übernimmt. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, mal fest eine Sängerin in der Gruppe zu integrieren?

Um Gottes Willen, welche Frau würde denn bei uns mitmachen wollen? Außerdem sind wir schon acht Leute, das sollte langsam reichen.

Wenn man mit Fans von euch spricht, hat man immer das Gefühl, man spricht mit Freunden von euch: Wie ist es für so eine erfolgreiche Band eigentlich möglich, noch engen Kontakt zu den Fans zu haben?

Es ist möglich, aber es wird immer schwieriger. Das liegt aber nicht nur an der wachsenden Anzahl von Fans. Kleine Geschichte vom letzten Wochenende: Bei einem Konzert kam ein Mann zu unserem Tourleiter und wollte unbedingt einen Heiratsantrag in unserer Show machen. Der hat ihm allerdings gesagt, dass das nicht geht, weil wir pro Show bestimmt zehn solcher Anfragen bekommen. Dann kam er auf mich zu und ich gab ihm die gleiche Antwort. Der Herr ist dann richtig patzig geworden, er hätte gerade von uns etwas anderes erwartet. Später kam ein anderer Fan, der mir erzählte, dass der Vater seiner Freundin vor Kurzem gestorben sei. Er fragte mich, ob wir ihm das Lied 'Nachts weinen die Soldaten' denn nicht widmen könnten. Das ging mir zwar sehr nahe, aber letzten Endes musste ich ihm die gleiche Antwort geben. Als nach der Show der Bräutigam noch einmal zu uns kam, habe ich ihm von dieser Begegnung erzählt. Wenn ich ihm erlaubt hätte, den Hochzeitsantrag auf der Bühne zu stellen, wie hätte ich dann der Frau, deren Vater gestorben war, ins Gesicht schauen sollen?
Viele Menschen, mit denen wir zu tun haben, denken nur noch an sich. Das macht es manchmal ein bisschen schwierig. Ansonsten ist es genau das, was wir gerne machen: Mit unseren Fans zu reden und zu spüren, was draußen eigentlich los ist.

Mittelalterrock, Punk, Metal... Eure Musik in irgendein Schema zu pressen, ist verdammt schwer. Kann man da überhaupt noch nach musikalischen Vorbildern, die ihr vielleicht habt, fragen?

Ich kann da nur auf das Lied Vorbild [Vermutlich meint er den Song 'Idol' - Anm. d. Red.] verweisen: Ich möchte für niemanden Vorbild sein und tue mich auch mit Vorbildern recht schwer. Klar, es gibt Schlagzeuger und Songschreiber, die ich bewundere. Aber wenn ich jemanden als Vorbild nehme, heißt das ja auch, dass ich dieser Person nacheifere. Ich glaube, dass wir dazu angehalten sein sollten, unseren eigenen Weg zu finden.

Nachdem wir jetzt lange genug über die Vergangenheit gesprochen haben, noch ein kleiner Blick in die Zukunft. Gibt es da irgendwelche Pläne, die ihr noch verwirklichen wollt?

Immer, wenn wir etwas auf jeden Fall machen wollen, dann fangen wir einfach damit an, es umzusetzen. Dementsprechend ist es schwierig, da noch große Pläne zu nennen.

Und wie wäre es mit einer Bewerbung beim Eurovision Song Contest wie zuletzt AVANTASIA?

Tatsächlich stellt sich die Frage gar nicht, weil die Regularien Bands in unserer Größenordnung gar nicht zulassen. Aber rein hypothetisch... es ist kein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wenn Florian Silbereisen bei uns anrufen würde, wir würden darüber reden. Es ist immer eine Frage der Details: Wenn wir einfach eine Show, so wie wir uns das vorstellen, umsetzen dürfen - warum nicht?
Aber da beginnt es dann eben unrealistisch zu werden: Ich kann mir schwer vorstellen, dass eine Band mit unserem Sound die deutsche Nationalhymne vergewaltigt, während der Silbereisen zuschaut. Aber wenn uns das angeboten werden würde, würden wir das auch tun: Alleine, weil ich das schon skurril genug finde.

Die letzten Worte gehören natürlich dir: Was willst du unbedingt noch loswerden? Mal abgesehen davon, dass eure Fans die Best-Of natürlich kaufen sollen?

Die Leute sollen die Platte kaufen, die sie wollen. Mich nerven auch diese ganzen Diskussionen im Internet, wo viele der Ansicht sind, wir würden alle Welt zwingen, diese Platte zu kaufen. Wenn jemand Best-Ofs mag, soll er sie kaufen und wenn er sie nicht mag, soll er sie eben nicht kaufen. Aber dann sollen diese Menschen auch nicht rumjammern, dass wir eine Best-Of machen. Das ist doch ein schönes Schlusswort.

Redakteur:
Leoni Dowidat

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