RAPTURE: Interview mit Petri Eskelinen

01.01.1970 | 01:00

Aus Finnland kam schon so manch unbeschriebenes Blatt um in der Metalwelt gehörig für Furore zu sorgen. Ob das auch RAPTURE schaffen werden, weiß ich nicht, das Potenzial dafür scheint aber allemal vorhanden. Ihr zweites Werk "Songs For The Withering" ist jedenfalls ein herrliches Stück depressiven und melancholischen Metals. Nachdem das Album wochenlang auf Dauerrotation in meiner Anlage lief, schickte ich eine elektronische Post auf die Reise in den kalten Norden. Die Antwort könnt ihr nun hier lesen.


Stephan:
Kannst du bitte kurz die Band und ihre Mitglieder vorstellen?

Petri:
Ich bin Petri Eskelinen und sorge, so gut ich kann, für die Clean Vocals. Henri Villberg ist verantwortlich für den tieferen Gesang, also die Growls. Tomi Ullgren und Aleksi Ahokas sind unsere Gitarristen und Songwriter, ein dynamisches Duo, das es schafft, mit ihren Melodien und Harmonien in die Seele einzudringen. Samuel Ruotsalainen ist unsere Beatbox und sorgt dafür, dass jeder im Takt bleibt und schließlich haben wir noch Sami Hinkka, unseren Neuen am Bass.

Stephan:
Wie lange habt ihr daran gearbeitet, die Songs zu schreiben und das Album aufzunehmen?

Petri:
Ich glaube, der Songwriting-Prozess begann kurz nach dem Release unseres ersten Albums ("Futile", 1999 - d. Verf.). Aber ich weiß nicht genau, das müsstest du eher Tomi oder Aleksi fragen...

Stephan:
Was sind die Unterschiede zwischen "Futile" und "Songs For The Withering"?

Petri:
Das Debüt war eine intensive und sehr heftige Erfahrung. Seine einzige Schwäche - wenn man dabei überhaupt von einer Schwäche sprechen kann, denn ich halte es für ein großartiges Album - ist, dass es nicht besonders abwechslungsreich ist. Vom Anfang bis zum Schluss beinhaltet es diese mächtige, überwältigende Dunkelheit. Auf der anderen Seite hat "Songs..." zu einer viel größeren Vielfalt im RAPTURE-Sound beigetragen und ermöglicht es uns, diesen in Zukunft weiter auszubauen. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Album für uns, denn es setzt ein deutliches Zeichen für in Zukunft kommende Dinge.

Stephan:
Siehst du irgendwelche Schwächen bei "Songs For The Withering"?

Petri:
Da gibt es schon welche. Niemand ist perfekt. Wenn man Perfektion erreichen würde, warum sollte man sich dann noch damit herumquälen, überhaupt irgendetwas zu tun.

Stephan:
Glaubst du, dieses Album könnte auch für Leute interessant sein, die außerhalb der Metal-Szene zu Hause sind?

Petri:
Ich weiß es nicht, aber diese Idee ist sehr spannend. Leute von außerhalb der Metal-Szene haben mir erzählt, dass sie es bis auf die Growls sehr mögen. Keine Überraschung, oder? Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich ein bisschen mehr öffnen sollten... hehe!

Stephan:
Was kannst du mir über die Produktion des Albums berichten?

Petri:
Nichts anderes als das es nicht sehr weit von perfekt entfernt ist. Ehrlich gesagt, ich denke sie passt optimal zu dem Album und seiner Stimmung. Tuomo Valtonen, ein außergewöhnlicher Produzent, hat da einen fantastischen Job gemacht mit der Aufnahme, dem Mix und auch wie er uns zu besseren Leistungen angespornt hat. Er ist ein Supertyp, somit war es insgesamt eine tolle Erfahrung. Ich denke, die Produktion ist perfekt.

Stephan:
Welche Art von Themen behandeln die Lyrics?

Petri:
Hast du sie gelesen? (Natürlich - d. Verf.) Das Hauptthema ist, Überraschung Überraschung, das Sterben. Viel mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen. Ich versuche, meine Emotionen auszudrücken um so meinem eigenen Elend einen gewissen Sinn zu geben. Ich weiß, das klingt sehr dramatisch und klischeehaft, aber so ist es einfach. Es ist eine sehr gute Therapie, etwas aufzuschreiben, es danach zu lesen und schließlich zu begreifen, was einem da zum Zeipunkt des Schreibens eigentlich durch den Kopf gegangen ist.

Stephan:
Warum scheint es für finnische Bands so typisch zu sein, über Selbstmord und solche Dinge zu singen?

Petri:
Das machen nicht nur finnische Bands, wenn ich dich daran erinnern darf. Aber ich stimme dir schon zu, dass es eine Menge Bands aus Finnland gibt, die von diesem Thema fasziniert zu sein scheinen. Aber ich denke, das ist auch ganz natürlich. Wir leben ganz im Norden, es ist das halbe Jahr kalt und dunkel, wir sind irgendwie einfach verdrossen ...viele verschiedene Gründe. Such doch mal im Internet nach Fakten über Finnlands Vorgeschichte (besonders die slawische), das Wetter, Selbstmordstatistiken und finde heraus, was "Seasonal Affective Disorder" ist. (Als saisonalabhängige Depression (SAD), auch als Winterdepression bekannt, bezeichnet man den Stimmungs- und Leistungsabfall in Folge von (Sonnen-)Lichtmangel, trübem und nasskaltem Wetter etc., wodurch sich Betroffene permanent müde, schlapp, lethargisch und bedrückt bis gereizt fühlen. - Anm. d. Verf.)

Stephan:
Wann können RAPTURE-Songs entstehen?

Petri:
Tomi hat mir erzählt, dass er die meiste Musik schreibt, wenn er einen Kater hat. Aber es sieht so aus, als hätte er das Trinken aufgegeben, so dass ich denke, das ist das Ende von RAPTURE. Nein, ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Ich glaube nicht, das es da eine bestimmte Zeit oder so etwas für Aleksi und Tomi gibt, zu der sie Musik schreiben. Nachts wäre logisch, das könnte ich mir gut vorstellen.

Stephan:
Seid ihr alle am Songwriting beteiligt oder wer schreibt die Songs?

Petri:
Wie ich schon gesagt habe, sind es Tomi und Aleksi, die alle Musik schreiben. Ob das so bleiben wird, werden wir sehen. Wenn wir wieder zusammen proben, wird es sicherlich etwas mehr Interaktionen in der Band geben. Bis jetzt hat es aber gut funktioniert, denn wir vertrauen uns, dass wir das Richtige für RAPTURE tun. Die Anderen wissen, dass ich nicht mit Hardcore-Elementen ankommen werde, genauso wie Samuel nichts zu jazziges machen wird. So einfach ist das.

Stephan:
Hast du schon irgendeine Idee, in welche Richtung ihr euren Stil auf den kommenden Alben entwickeln werdet?

Petri:
Wie könnte ich das wissen? Die Zukunft ist für uns alle ein Mysterium, deshalb kann ich dazu absolut nichts sagen. Wir werden ein bisschen mehr an den clean Vocals arbeiten, aber wir werden auch nicht die Growls verbannen, soviel kann ich schon sagen. Erwarte aber mehr Geheimnisse, die deinen Weg kreuzen werden.

Stephan:
Hat es Veränderungen im Stil von den Anfangstagen der Band an bis jetzt gegeben?

Petri:
Natürlich hat es eine leichte Veränderung bei der Musik gegeben, das ist eine ganz natürliche Entwicklung. Aber es hat nicht eines morgens eine komplette Neuorientierung gegeben, also etwa dass wir eine Black Metal Band gewesen wären und uns dann entschieden haben, diese Art Gothic was-auch-immer Metal zu spielen, das mit Sicherheit nicht. Unser Stil war auf dem Demo noch etwas aggressiver, aber einige der Demosongs sind dann auch auf "Futile" drauf gekommen.

Stephan:
Müssen wir wieder drei Jahre bis zum nächsten RAPTURE-Abum warten?

Petri:
Hoffentlich nicht. Tomi hat bereits einige Rohfassungen von Songs fertig und ich habe auch schon ein paar Lyrics geschrieben. Es besteht also eine gute Chance, dass das nächste Album schon in zwei Jahren erscheint, haha!

Stephan:
Glaubst du, es ist ein Vorteil, dass ihr zwei Sänger für die clean Vocals und das Growling habt und nicht nur einen, der beides singt, wie es bei den meisten Bands mit abwechslungsreichem männlichen Gesang der Fall ist?

Petri:
Ja, definitiv. Wir können uns beide auf die Sachen konzentrieren, die wir am Besten beherrschen. Henri ist ein besserer Growler als ich und ich bin ein besserer Sänger als Henri. Außerdem eröffnet uns das vielfältige Möglichkeiten, was wir mit dem Gesang machen, besonders live.

Stephan:
Kannst du dir vorstellen, diesen Kontrast zwischen clean Vocals und Growling mit einer weiblichen Stimme noch zu verstärken?

Petri:
Einen dritten Sänger zu haben? Nein, ich denke nicht. Wir werden vielleicht mal einen Gastauftritt haben, aber sonst nichts.

Stephan:
Welche Bands haben dich denn zu diesem depressiven Musikstil gebracht?

Petri:
Ich glaube, es waren PARADISE LOST mit "Lost Paradise". Verdammt großartig! Außerdem MY DYING BRIDE, ANATHEMA... those were the days.

Stephan:
Reflektiert diese depressive Atmosphäre von eurer Musik auch deine persönlichen Gefühle?

Petri:
Natürlich. Ich bemühe mich, mit dem was ich tue hundertprozentig ehrlich zu sein. Ich versuche zu verstehen, was in meinem Kopf vorgeht. Außerdem - ist nicht alles, was man erschafft irgendwo eine Reflexion deiner innersten Gefühle. Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Atmosphäre unsere persönlichen Gefühle widerspiegelt.

Stephan:
Wie würdest du eurer Musik charakterisieren?

Petri:
Ich habe absolut keine Idee. Es ist einfach Metal, irgendwie rockig, melodisch, irgendwie gothic (aber nicht in dieser schwarzer-Lippenstift-Art). Ich weiß es nicht, es ist depressive Musik. Punkt.

Stephan:
Sagt dir für eure Musik eher die Bezeichnung "Melodic Death Metal" oder eher "Gothic Metal" zu?

Petri:
Genre-Bezeichnungen mag ich eigentlich überhaupt nicht. Wir sind nicht Death Metal im eigentlichen Sinne. Wir haben nichts sehr brutales außer Henri's Growls in unserer Musik. Aber wenn man mit Leuten über Gothic redet, dann denken sie immer gleich an Latex und schwarzen Lippenstift, womit wir nun wirklich nichts zu tun haben. Sagen wir es so, mir sagen beide Definitionen gleich wenig zu.

Stephan:
Ist es wichtig für euch, einen eigenen Stil mit eigenen Trademarks zu aufzubauen?

Petri:
Wir sind nicht hier, um das Gesicht der Musik zu verändern, wir wollen lediglich etwas erschaffen, was wir uns gerne anhören. Es ist viel wichtiger, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein und hinter dem zu stehen, was man tut, als irgendetwas "Anderes" und "Neues" machen zu wollen. Es gibt Bands, die schreiben die selbe Art von Musik, die es bereits in den Sechzigern gab, für die gibt es auch keinen Grund, das Buch, wie man Musik macht, neu zu schreiben. Natürlich ist es auch wichtig, dass es Leute gibt, die neuen Boden betreten, aber ich sehe mich und unsere Band nicht in dieser Rolle.

Stephan:
Welche finnischen Bands magst du am meisten?

Petri:
Hmm, aus der Metalszene würde ich SHAPE OF DESPAIR, AJATTARA, DOWNBOUND, AMORPHIS, SARA und NICOLE nennen. Da gibt es sicherlich noch viele andere, aber um ehrlich zu sein, ich höre mir nicht mehr so viel Metal an. Ich stehe eher auf Sachen wie COSMOBILE, DISCO ENSEMBLE, CIRCLE, DEEP TURTLE, MANNHAI, XYSMA, OVUCA (das sind übrigens alles finnische Bands)... Das meiste an Metal, was derzeit herauskommt, langweilt mich einfach zu Tode.

Stephan:
Glaubst du, ihr habt die Chance, in Finnland Chartpositionen zu erreichen?

Petri:
Es gibt die Chance, aber nicht für uns. Es gibt viele Metalbands hier, die es geschafft haben, an die Spitze der Charts zu klettern, aber wir sind nicht so eine Art von Band. Mal sehen, was passiert, wenn das Soundi Magazin seine neue Ausgabe herausbringt. Zu ihrer Compilation-CD haben wir einen Track beigesteuert und sie haben eine Auflage von 33000. Naja, das ist alles Wunschdenken. Aber um ehrlich zu sein, ich spiele nicht in einer Band, um die Charts zu erreichen.

Stephan:
Werdet ihr demnächst außerhalb von Finnland touren?

Petri:
Hoffentlich. Was man aber immer bedenken muss, Touren sind nicht selbstverständlich, nur weil man ein Album oder zwei draußen hat. Bis jetzt sind noch keine Pläne gemacht worden, wir müssen da einfach abwarten. Wenn uns jemand für eine Tour buchen will und für unsere Fahrtkosten aufkommt, dann sind wir sofort da. Essen wäre auch nicht schlecht...

Stephan:
Mit welchen Bands habt ihr denn bisher die Bühne geteilt?

Petri:
AMORPHIS, FINNTROLL und THRONE OF CHAOS. Wir haben in unserer bisherigen Karriere erst zwei Shows gespielt. Ich hoffe, das wird sich noch ändern. Ich liebe es umher zu reisen.

Stephan:
Was war euer bisher beeindruckendstes Liveerlebnis?

Petri:
Mit RAPTURE waren es beide Shows. Aber als ich ein paar Shows mit FINNTROLL gespielt habe, da waren wir auch auf dem legendären Dynamo Festival in Holland. Das Zelt wir packevoll (vielleicht 3000 Leute) und die Publikumsreaktionen waren fantastisch. Das war definitiv etwas, das ich mit ins Grab nehmen werde.

Stephan:
In welchen Ländern haben Spikefarm denn "Songs For The Withering" lizensiert?

Petri:
Nordamerika, Kanada, Frankreich und Russland. Aber ich bin mir da nicht ganz sicher, denn es interessiert mich auch nicht. Sie können es auch auf dem Mond lizensieren.

Stephan:
Wenn du eure Musik schreibst und spielst, tust du das dann hauptsächlich, um dich selbst in dieser Musik zu verwirklichen oder um mit der Musik andere Leute zu erreichen?

Petri:
Ich glaube, ich tue es einfach, um mich lebendig zu fühlen und um etwas in den Händen zu haben, was mir zeigt, dass ich real bin und nicht bloß ein Geist. Was andere Leute davon halten, berührt mich überhaupt nicht. Ich tue das nur für mich.

Stephan:
Welche Ziele möchtest du mit RAPTURE in Zukunft noch erreichen?

Petri:
Ich habe keine weiteren Ziele, außer mich selbst zu verwirklichen und mit der Band noch so lange wie möglich weiter zu machen.

Stephan:
Vielen Dank, die letzen Worte gehören dir...

Petri:
Vielen Dank für das Interview, dein Support bedeutet eine Menge für uns. Ich habe nichts weiter zu sagen, außer: passt auf euch auf da draußen. Es ist eine kranke Welt, in der wir leben.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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