Perlen der Redaktion: Stephan Voigtländers Highlights 2021

16.02.2022 | 10:23

Von Besserwissern, der Last der Ruhelosigkeit, Krokodilen, geometrischen Mustern und einer Faust im Matsch.

Da ich es nicht nötig finde, an dieser Stelle noch eine weitere Bewertung der allgemeinen Umstände, die das vergangene Jahr geprägt haben, hinzuzufügen; und ich auch keine Plattitüden à la "es kann nur besser werden" verlautbaren möchte, kommen wir einfach direkt zur Musik: In musikalischer Hinsicht war ich nämlich sehr zufrieden mit dem abgelaufenen Jahr 2021 und gute Musik kann bekanntlich sowieso in allen Lebenslagen helfen und für Wohlbefinden sorgen. Auf welche musikalischen Ergüsse dies für mich so zutreffend war – da steigen wir doch am besten direkt mal mit meinem goldenen Podestplatz ein.

Mein Album des Jahres kam von einer Band, die mir vor der Erstlauschung von "Ultracrepidarian" völlig unbekannt war – was wiederum auch nicht so verwunderlich ist, da sich das Zwei-Mann-Projekt hier für sein Debütalbum zusammengefunden hat, auch wenn die beiden Musiker bereits über eine gewisse Erfahrung in der spanischen Metalszene verfügen. Und da passt einfach jede Note: TODOMAL hat einen Epic-Doom-Brocken kredenzt, der mir sofort die Gewissheit gab, einem besonderen musikalischen Oeuvre zu lauschen. Jeder Song ist ein absoluter Ohrwurm und episch bis ins Mark, und das ist eigentlich auch schon alles. Seit längerer Zeit jedenfalls mal wieder ein 10er Album für mich – völlig überraschend (da ich die Platte nur als "Beifang" zur KING BUFFALO-Scheibe bei unserer Promoverteilung orderte) und völlig genial.

Und wo wir schon bei KING BUFFALO sind: Die Band hat im vergangenen Jahr gleich zwei Alben rausgelassen, wobei mir "Acheron" etwas zu seicht geraten ist, aber "The Burden Of Restlessness" mit dieser wunderbaren Mixtur aus psychedelischen Melodien und knarzigen Riffs ein hypnotisches und eingängiges Meisterwerk geworden ist. Platz zwei anno 2021, relativ unumstritten.

Danach wurde es eng und es entscheidet eher die Tagesform über die Reihenfolge der kommenden Plätze. Wobei der Trend schon ein wenig dahin geht, dass die düsteren, garstigen und eher hoffnungslos tönenden Klangwelten (YEAR OF NO LIGHT, ANGSTKVLT, THE FLIGHT OF SLEIPNIR) jene mit einem hohen Melodieanteil und Eingängigkeitsfaktor (SUBTERRANEAN MASQUERADE, REFLECTION CLUB) überragen, auch wenn die beiden letztgenannten wirklich bemerkenswert unterwegs sind. Die einen mit einer regelrecht wilden und unwiderstehlichen Mischung aus orientalischen Klängen und allen möglichen Metalstilen; die anderen mit einer absolut einzigartigen Hommage an JETHRO TULLs Meilenstein "Thick As A Brick", zu welchem man tatsächlich so etwas wie einen legitimen Nachfolger (musikalisch als auch optisch als auch konzeptionell) aus der Taufe hob.

Noch ein Wort zu zwei einheimischen Newcomern, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Die Dresdner COSMIC VOID und BRLABL aus Nürnberg haben mir gezeigt, dass man immer noch Eigenständiges und mit coolen Ideen gespickte metallene Klangkunst erschaffen kann – im Falle von COSMIC VOID ein abgründiges, finsteres Post-Black-Metal-Ungetüm, das nicht zuletzt einen Song großartig mit Zitatschnipseln aus dem Film "Jacob's Ladder" füllt und über ein sehr sehenswertes Coverartwork verfügt. BRLABL mischt Core und Death Metal in origineller Weise zu einem wunderbar angepissten und frisch runtergerotzten Gebräu; ein echtes Groovemonster. Auch der bereits erwähnte ANGSTKVLT zählt unter die Newcomer und erfreute mit einer völlig unkonventionellen und hochatmosphärisch-finsteren 5-Track-EP, die sich ganz tief ins Hirn eingräbt.

Abseits von den tollen Alben gab es auch einzelne Songs alter Bekannter, die mich voll erwischten: Hier sind zuvorderst MOGWAI mit 'Ritchie Sacramento' und MADRUGADA mit 'Dreams At Midnight' zu nennen, die mir – sobald gehört – tagelang nicht mehr aus dem Kopf gehen. Auch jetzt brauche ich nur die Songtitel einzutippen, und sofort ist wieder der Ohrwurm aktiv. Letztgenannte haben inzwischen auch das dazugehörige formidable Album "Chimes At Midnight" draußen, von dem sicherlich auch in meinem nächstjährigen Perlen-Artikel zu lesen sein wird.

Was den Livesektor betrifft, konnte ich im vergangenen Jahr genau einem Konzert beiwohnen, das allerdings war trotz einsetzender Dunkelheit im wunderschönen Open-Air-Panorama des Panometers Leipzig sehr erhellend: Die Japaner KIKAGAKU MOYO zeigten jedenfalls originelle Klangkunst, die zwischen harten Gitarrenausbrüchen, psychedelischen, krautrockigen Melodien und elektronischen Tanzrhythmen alles bot, was das Herz begehrt und mich auch Tage später noch beeindruckt an den Gig zurückdenken ließ. Das war schon sehr stimmungsvoll, sich in der Dämmerung eine leichte Brise um die Nase wehen zu lassen und dieser ungewöhnlichen Musik zu lauschen. Schwarzmalerei in Bezug auf künftige Liveshows scheint sich bei mir zudem trotz der bisherigen Dürreperiode nicht einzustellen, immerhin wartet hier ein halbes Dutzend Konzerttickets auf Vollzug in den kommenden Monaten.

Und dann wurde meine Aufmerksamkeit Ende des Jahres noch auf einen indonesischen Multiinstrumentalisten gelenkt, der sich einen der coolsten Bandnamen ever verpasst hat, der witziges Wortspiel und Fingerzeig auf die dahintersteckende Musik gleichermaßen ist: MUD SPENCER nennt sich das Ein-Mann-Projekt und hat mit "Razana" eine Single veröffentlicht, die zwar auch musikalisch recht fein ist, in meine persönlichen Highlights des Jahres aber aufgrund des faszinierenden Covers eingeht. Hier ist also zu guter Letzt mein Artwork des Jahres:

 

Die Top20-Alben in der Übersicht. Mit einem Klick auf den Albumnamen gelangt ihr - soweit vorhanden - zur Rezension.

Rang

Band Album
01. TODOMAL
Ultracrepidarian
01. KING BUFFALO
The Burden Of Restlessness
03. YEAR OF NO LIGHT Consolamentum
04. ANGSTKVLT
Follow And Obey
05. GREENLEAF
Echoes From A Mass
06. FLIGHT OF SLEIPNIR, THE
Eventide
07. SUBTERRANEAN MASQUERADE
Mountain Fever
08. REFLECTION CLUB
Still Thick As A Brick
09. IOTUNN
Access All Worlds
10. COSMIC VOID
All Is Lost in Time
11. BRLABL
Wounderland
12. HAIL SPIRIT NOIR
Mannequins
13. DOMKRAFT
Seeds
14. WEDGE
Like No Tomorrow
15. ACID MAMMOTH
Caravan
16. SOEN
Imperial
17. MONSTER MAGNET
A Better Dystopia
18. SWALLOW THE SUN
Moonflowers
19. ANTIKAROSHI, THE
Extract.Transform.Debase
20. ELDER & KADAVAR
Eldovar: A Story Of Darkness And Light

Redakteur:
Stephan Voigtländer

Login

Neu registrieren