Perlen der Redaktion: Stephan Voigtländers Highlights 2020

09.02.2021 | 16:06

Frische Newcomer stellen altbekannte Dauergäste in den Schatten.

Die überragende Mehrheit der Kollegenschaft scheint 2020 als ausgesprochen gutes Musikjahr zu empfinden, natürlich nur was die Veröffentlichungen betrifft und nicht den Live-Sektor, das versteht sich von selbst. Mir geht es ebenso, ich hatte schon lang nicht mehr so sehr die Qual der Wahl an der Spitze meiner Jahresbestenliste, und im Grunde sind die ersten zehn Plätze allesamt fast gleichermaßen tolle und mich sehr beeindruckende Platten; erst danach dünnt es sich etwas aus.

Da haben wir auf Platz 10 ALL THEM WITCHES - eine Band mit unglaublichem Gespür, was tolle Melodien und wie im Falle des hervorragenden Songs '41' (nebst einigen anderen) einen vereinnahmendem, ohrwurmeligen Rhythmus anbelangt. Da ich auch ORPHANED LAND schätze, ist es nicht allzu überraschend, dass mir auch AETERNAM mundet - aber das hier ist schon ganz große Kunst des orientalischen Death Metals (made in Kanada!). Auf den Plätzen sechs bis acht habe ich drei alte Bekannte, die mir schon mit früheren Alben viel Hörgenuss bereiteten und des Öfteren in solchen Listen auftauchten - doch dass KATATONIA, LONG DISTANCE CALLING und CRIPPLED BLACK PHOENIX nicht noch weiter vorne platziert sind, liegt weniger an den immer noch erfreulich hochklassigen Alben der Drei, sondern daran, dass mich ein paar Newcomer noch mehr aus den Latschen gehauen haben.

Und damit kommen wir zu Platz fünf und NEÀNDER. Die Berliner musizieren zwischen Doom, Post Metal und ein bisschen Sludge herum und wissen vorzüglich, Härte und atmosphärische Parts zu vereinen. Ach ja, Gesang braucht man dafür übrigens nicht. Die Klangwände sind zutiefst mitreißend und was 2019 mit dem selbstbetitelten Debütalbum begann, wurde im vergangenen Jahr auf dem Zweitwerk "Eremit" weiter perfektioniert. Dunkel, kraftvoll, klasse!

Der nächste Schwenk führt uns zu REZN und zu Doom mit Saxophon. Jawoll, selbst wer eher nicht so auf Saxophon-Klänge steht - auf "Chaotic Divine" funktioniert das hervorragend. Die so unterschiedlichen Parts werden gerne nacheinander zusammengefügt, aber auch in Kombination wie bei 'Optic Echo' ist das toll. Daneben haben die Chicagoer aber auch jede Menge psychedelische oder gar hypnotische Melodien und eine ungemeine gesangliche Vielfalt am Start - eine herrliche Mischung!

Und gleich noch so eine Newcomer-Band: die Psychedelic-Rocker SLIFT aus Toulouse, die mit "Ummon" ihr zweites Album vorlegen. Trotz all der flirrenden Melodien drückt das Teil so herrlich nach vorne, dass man dazu einfach abgehen muss. 'It's Coming...' ist das perfekte Beispiel, wie die Band zunächst mit einer einfachen Melodie beginnt, mit unerbittlichem Rhythmus Fahrt aufnimmt und sich schließlich immer weiter in einen Strudel voller Wucht und Prägnanz hineinsteigert. Groß!

Dass die gute, alte Tante SEPULTURA, wie sie in der Gruppentherapie zu "Quadra" getauft wurde, sich selbst noch einmal so neu und vor allem so gut erfinden würde, war vielleicht nicht unbedingt zu erwarten, auf der anderen Seite hat die Truppe in der langen Karriere auch nach der hochgelobten Max-Ära einige formidable Alben abgeliefert - und von denen ist "Quadra" für mich der bislang beste Output unter Mitwirkung von Derrick Green. Gerade 'Guardians Of Earth' und mein persönlicher Song des Jahres 'Agony Of Defeat' sind unglaublich gute Nummern, die den brachialen Thrash und die symphonischen Elemente perfekt verhochzeiten.

Und dann haben wir noch Griechen-Power von den VILLAGERS OF IOANNINA CITY (mit Platz 7 im April-Soundcheck nach meinem Dafürhalten irgendwie unter Wert verkauft). Auch wenn die Band schon länger aktiv ist, hat man erst ein richtiges Album in der Hinterhand und so bin ich auch erst mit dem Zweitwerk "Age Of Aquarius" auf sie aufmerksam geworden. Der Titeltrack ist ein unglaublich eingängiges Stück, aber auch die anderen zwischen Folk und Psychedelic Rock schwebenden Nummern sind erste Güteklasse. Hier war das Eintauch- und Suchtpotenzial inklusive des fantastischen Gesangs dann doch einen Tick größer als bei meinen übrigen Top 10.

Und schließlich war auch auf verschiedene Kollegen-Tipps Verlass - und so landeten dann folgerichtig DAWNWALKER (Mattes-Tipp), THOMAS GODOJ (für den Thommy unermüdlich getrommelt hat), PSYCHOTIC WALTZ (Lorbeeren von Peter und noch einigen anderen) und dank der Podcast-Folge auch meine alten Thrash-Faves SODOM, die ich in letzter Zeit etwas aus den Augen verloren hatte, in der Liste.

Und ab dafür:

Rang
Band Album
1. VILLAGERS OF IOANNINA CITY Age Of Aquarius
2. SEPULTURA Quadra
3. SLIFT Ummon
4. REZN Chaotic Divine
5. NEÀNDER Eremit
6. CRIPPLED BLACK PHOENIX Ellengæst
7. LONG DISTANCE CALLING How Do We Want To Live?
8. KATATONIA City Burials
9. AETERNAM Al Qassam
10. ALL THEM WITCHES Nothing As The Ideal
11. DAWNWALKER Ages
12. PEARL JAM Gigaton
13. CELESTIAL SEASON The Secret Teachings
14. THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA Aeromantic
15. PSYCHOTIC WALTZ The God-Shaped Void
16. DEEP PURPLE Whoosh!
17. SÓLSTAFIR Endless Twilight Of Codependent Love
18. SODOM Genesis XIX
19. GODOJ, THOMAS Stoff
20. BLUES PILLS Holy Moly!

Redakteur:
Stephan Voigtländer
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