Perlen der Redaktion: Holger Andraes Highlights 2018

15.01.2019 | 09:12

2018 - für den einen ein Jahr voller Highlights, für den anderen hat es eher maue Kost abgeworfen und der Dritte spricht von viel Durchschnitt auf dem Veröffentlichungsmarkt. An dieser Stelle wollen wir unserem Redaktionspoll vorgreifen und lassen unsere Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen. Welche Scheiben haben es in die Top-20 geschafft und warum? Viel Spaß beim Lesen!

Hätte man mich Mitte des Jahres nach der Qualität der Neuveröffentlichungen gefragt, hätte ich vermutlich von einem weniger spannenden Jahr gesprochen. Dies liegt daran, dass ich mich von der unüberschaubaren Flut an Neuheiten und Re-Releases komplett erschlagen fühlte und mich von daher lieber mit den vergessenen Klassikern der eigenen Sammlung beschäftigt habe. Gut, es gab mit HOWLING SYCAMORE und DAUTHA bis dahin bereits zwei komplett gegensätzliche Scheiben, die mich fesseln können, aber das war es auch schon. Erst im Herbst ist die Begeisterung für neue Scheiben plötzlich wieder da, was sicherlich auch an der hohen Qualitätsdichte in dieser Zeitspanne liegt.


So erscheint im September das heiß erwartete Album der NWoBHM-Helden SATAN, welches den beiden Vorgängern aus meiner Sicht in nichts nachsteht. Erneut überzeugt das sympathische Quintett mit extrem spritzigen Gitarren und Melodien, die mich sofort und nachhaltig begeistern können. So führt "Cruel Magic" meine Liste auch ziemlich souverän an. Es gibt für mich kaum eine andere Band, die mich nach ihrer Reunion mehr begeistern kann. Auf dem zweiten Platz steht das neue Werk meiner franko-kanadischen Lieblinge namens VOIVOD. "The Wake", so der erfrischende Titel des Albums, ist die beste Scheibe der Band seit "The Outer Limits" im Jahr 1993. Da die Silberlinge dazwischen auch alle nicht von schlechten Eltern sind, ist dies schon eine außergewöhnliche Auszeichnung. Für mich gleichzeitig überraschend wie auch erfreulich, ist der Umstand, dass es in meinen Umfeld etliche Menschen gibt, die bislang mit VOIVOD wenig anfangen konnten und für die "The Wake" eine Art Dosenöffner ins Sci-Fi-Thrash-Universum des Quartettes ist. Obendrein ist das Konzert im ausverkauften Logo zu Hamburg ein Jahreshighlight. Den bronzenen Pokal erhält in diesem Jahr ein Album, von dem ich lange nicht glauben wollte, dass es physisch erscheinen würde. Die als deutsch/amerikanisches Projekt gestartete Truppe LEVEL FIELDS will nämlich lange Zeit Songs nur digital veröffentlichen. Zum Glück ist nun unter dem Titel "1104" ein acht Songs umfassendes Album erschienen, welches mich nicht allein aufgrund des Gesanges völlig in seinen Bann ziehen kann. Alan Tecchio halt.

Der Bogen zur folgenden Platzierung ist leicht geschlagen, hat Alan Tecchio mit dieser Band doch auf dem Keep It True-Festival den HADES-Smasher 'The Leaders?' gesungen. Die Rede ist natürlich von unseren griechischen Freunden SACRAL RAGE, die auch auf ihrem zweiten Langeisen knusprigen Frickel-Thrash der Sonderklasse abliefern. Nun folgt die Soloscheibe eines alten Wegbegleiters: GERRY NESTLER, Mainman hinter CIVIL DEFIANCE und PHILM, hat mit "Mama's Child" eine wunderbare Scheibe abseits aller Klischees eingespielt, die mich in der Vorweihnachtszeit fast täglich durch die Hektik manövriert hat. Wer auf warme Klänge mit Tiefgang steht und offen für etwas andere Musik ist, sollte hier dringend ein paar Ohren investieren. Auf dem nächsten Platz gibt es ein Album, mit dem ich mich anfänglich etwas schwer getan habe. Die Rede ist vom Reunion-Werk der alten Lieblinge namens HEIR APPARENT. Das Album kommt ungewohnt melancholisch und verhalten um die Ecke und hat nur einen flotten Song an Bord. Aufgrund der alten  Liebe und aufgrund der besten Gesangsleistung des Jahres (Will Shaw is godly!) ist das Album aber wirklich oft gelaufen und hat mich dann irgendwann abends komplett aus den Socken gehauen. Böse Zungen werden jetzt das Wort "schönhören" im Kopf haben. Vielleicht. Vielleicht war aber auch die eigene Erwartungshaltung zuvor im Weg oder ich war nicht in der richtigen Stimmung für diese Musik. Oder beides. Heute verstehe ich meine Zweifel zu Beginn nicht mehr. Wunderbare Musik.

Von gänzlich anderer Spielweise sind die Notenfolgen des bereits eingangs erwähnten Scheibchens von HOWLING SYCAMORE. Die Band von EPHEL DUATH-Mainman David Tiso hätte mich wahrscheinlich von der reinen Beschreibung der Musik her nicht interessiert. Da hier aber Jason McMaster am Mikrophon steht, musste ich ein paar Ohren riskieren. Ich war sofort verliebt und bin es bis heute. Ja, auf dem Album gibt es etliche No-Gos für mich, die in dieser Kombination aber wunderbar funktionieren. Bläser und Blastbeats. Für die entspannten Momente des Alltags. Platz Nummer sieben ist dann eine handfeste Überraschung. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, mal wieder eine JUDAS PRIEST-Scheibe in meinen Charts so weit oben zu haben. "Firepower" ist aber mal eben das beste Album der Briten seit 1984. Toll produzierte und toll gesungene Metalhymnen mit Faustfaktor und Melodie. Das müssen die anderen großen Altmetaller erstmal nachmachen. Wird schwer. Für den nächsten Platz verweilen wir auf der Insel und erfreuen uns an einer weiteren Band, die seit jeher eine Qualitätsgarantie in Sachen Epik Metal liefert. Leider erscheinen ihre Alben immer in sehr (!) großen Abständen. Lieber so als andauernd halbgares Müffelgemüse. Die Rede ist natürlich von SOLSTICE; die Band hat uns mit "White Horse Hill" einen grandiosen Kracher auf den Teller beschert. Dazu kommt ein fulminanter Auftritt auf dem Hell Over Hammaburg-Festival, auf dem sie beweisen konnte, dass sie diese intensive Atmosphäre auch live reproduzieren kann. All hail! Die ersten zehn Plätze vervollständigt dann ein weiterer "Grower". "A Prelude To Sorrow" von WITHERFALL hat auch erst im Nachgang nachhaltig gezündet. Klar, wir hören Anleihen bei NEVERMORE, aber die Jungs um den aktuellen SANCTUARY-Sänger legen hier ein wunderbar verspieltes, modernes US-Metal-Album aufs Parkett. Der zeitgemäße Klang stört mich hier überhaupt nicht, denn man wird als Hörer nicht von einem klinisch toten Soundwall erschlagen. Alles ist herrlich transparent in Szene gesetzt und die Melodien gehen tief unter die Haut. Ein Album mit Langzeitfaktor.


Den zweiten 10er-Block eröffnet eine weitere Reunion-Scheibe. Die Rede ist von "The Third Secret" von FIFTH ANGEL. Auch wenn der klinische Drumsound etwas sauer aufstößt, ist das Gespür für Melodien noch immer großartig und Kendall Bechtel, der auch noch bei TKO die Saiten schwingt, macht einen tollen Job als Sänger. Nach diesem bunten Strauß an fröhlichen Klängen folgt die erste Scheibe aus dem Bereich Doom. Trotz der extrem starken Konkurrenz sind hier die Kollegen von DAUTHA aus Schweden führend. "Brethren Of The Black Soil" bietet wunderschönen, erhabenen Epik-Doom, der tiefe Furchen in die eigene Verfassung gräbt. Obendrein hat man mit dem fast 12minütigen 'The Children's Crusade' eine Hymne für die Ewigkeit im Köcher. Ganz groß! Auch die nächste Platzierung stammt aus diesem Subgenre: Das lang erwartete neue Album von MIRROR OF DECEPTION "The Estruary" ist der erhoffte Hammer und wäre eventuell weiter oben gelandet, wenn ich seine Langzeitwirkung bereits kennen würde. So kurz vor Jahresschluss kann ich bisher nur sagen, dass man erneut beweist, weshalb man so verehrt wird. Ein warmes Winter-Doom-Album mit sehr viel Tiefgang und mit dem abschließenden 'Immortal' auch ein sofort erkennbarer Soon-to-be-classic am Start. Auf Platz 14 finden wir dann noch eine Band, die im hohen Alter noch einmal Vollgas gibt. Waren schon die letzten Scheiben von URIAH HEEP toll, so ist auch "Living The Dream" ein frisch klingendes Feuerwerk, welches sofort gute Laune verbreitet. Ohne Anbiederung an modernen Schnickschnack oder Trends liefern Mick Box und seine Bande ganz einfach tolle Rocksongs ab, die kurzweilig und gleichzeitig nachhaltig toll klingen. Ich sage nur: 'Waters Flowing'. Treppchensong?

Die nächste Position belegt eine deutsche (All-Star)Formation mit ihrem zweiten Album. Techno-Thrash hat man diese Musikrichtung mal genannt. Damals. Ich nenne das heute auch noch so und freue mich riesig, dass die Musiker von SEPTAGON diese Spielart so herrlich rüberbringen. Rhythmisch angenehm hektisch, zwirbeln die fünf Herren hier eine Tube Highspeed-Gefrickel aus den Boxen, die mir ausgesprochen gut mundet. Toll! Die nächste Scheibe belegt, dass ein extrem toller Sänger für mich manchmal schon die ganze Miete ist. "Traces" von JOURNEY-Sänger STEVE PERRY ist objektiv betrachtet ein recht kitschiges Album geworden. Betrachtet man die Umstände der Entstehung, versteht man vielleicht, weshalb es so klingt, wie es klingt. Das ändert natürlich wenig daran, ob einem das zu soft ist. Ich für meinen Teil bin froh diese Stimme wieder mit neuen Liedern hören zu können und schwelge gern in "Traces".  Und wo wir schon in poppigen Gefilden unterwegs sind, lege ich mit GHOST gleich noch einen obendrauf. Klar, das ist mit Perry nicht vergleichbar, aber wird von nicht wenigen mit dem Pop-Argument abgetan. Mir ist das völlig schnuppe, denn die Songs sind einfach großartig. Da kann mir Kult und die Vermarktung-Maschine nicht egaler sein. Ich muss es ja nicht kaufen. Mir reicht das schlichte Album und ich bin glücklich. Auch ohne Soap Opera und Masken-Firlefanz. Bessere Mainstream-Musik fällt mir momentan nicht ein. Ghostlich.

Weiter im Text geht es mit FALLEN ANGEL und dem zweiten Teil der Trilogie. "Cast Out Of Heaven" ist eine erstklassige Ansammlung modernen US Power Metals. Schneidende Gitarren, kraftvoller Gesang und eine coole Story machen dieses Album zu einem Dauerbrenner in meiner Anlage. Freunde von früheren ICED EARTH-Sachen sollten hier unbedingt hinein hören. Die vorletzte Platzierung geht dann nochmal in Richtung Doom: KHEMMIS mit "Desolation". Waren schon die Vorgänger toll, so hat sich die Band nochmal gesteigert und liefert ein echtes Highlight ab. Der letzte Platz geht an das beste SLAYER-Worshipping seit langer Zeit. SUBTYPE ZERO aus Ohio feuert auf "The Astral Awakening" zwölf Mal aus allen Rohren. So und nicht anders geht dieser Thrash!


So viel zu den gesetzten Plätzen. Aber es gab auch noch weitere Leckerbissen, die nur knapp an meinem Poll gescheitert sind. Ich erwähne DARK MILLENNIUM, IS LOVE ALIVE?, APOSTLE OF SOLITUDE, THEM, CRIPPLED BLACK PHOENIX oder CHEMICAUST. Neben den Longplayern dieser Truppen hat mich aber ganz besonders eine Veröffentlichung im Jahr 2018 heiß gemacht. Ich rede von der grandiosen 7" "Citadel" von TANITH. Die Band um den SATAN-Gitarristen Russ Tippins hat hier zwei wundervolle Songs abgeliefert, die sehr große Hoffnungen auf das bald erscheinende Album machen.

Es soll außerdem ein Album nicht unerwähnt bleiben, nur weil es eigentlich bereits 2017 erschienen ist und somit nach metal-beamtischen Regeln nicht in dieser Liste geführt werden darf. Die Rede ist von "Systematic Annihilation" der Band STORMTHRASH aus Venezuela. Ganz tolle, facettenreiche Platte mit sehr viel Feingefühl für Melodien und Technik.


Außerdem muss ich noch anfügen, dass es auch in diesem Jahr wieder einige ganz ausgezeichnete Live-Erlebnisse gab. Neben den beiden gewohnt tollen Festivals - Keep It True und Headbangers Open Air - haben mich besonders MAYFAIR, BST, VOIVOD und DESOLATION ANGELS begeistern können. Davon bitte auch gern mehr in diesem Jahr.

Rang BAND ALBUM
01. Satan Cruel Magic
02. Voivod The Wake
03. Level Fields 1104
04. Sacral Rage Beyond Celestial Echoes
05. Gerry Nestler Mama's Child
06. Heir ApparentD The View From Below
07. Howling Sycamore Howling Sycamore
08. Judas Priest Firepower
09. Solstice White Horse Hill
10. Witherfall A Prelude To Sorrow
11. Fifth Angel The Third Secret
12. Dautha Brethren Of The Black Soil
13. Mirror Of Deception The Estruary
14. Uriah Heep Living The Dream
15. Septagon Apocalyptic Rhymes
16. Steve Perry Traces
17. Ghost Prequelle
18. Fallen Angel Cast Out Of Heaven
19. Khemmis Desolation
20. Subtype Zero The Astral Awakening

Redakteur:
Holger Andrae

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