POWERMETAL.de - The Essentials: Platz 80 - 71

04.06.2016 | 11:12

Am ersten Samstag ist es natürlich so weit: der drite Teil der POWERMETAL.de-Essentials darf von euch verschlungen werden. Auch dieses Mal darf man staunen, diskutieren, zustimmen oder sich freuen. Gerne auch mit uns in unserem Forum. Auch diese zehn Plätze werden wieder kommentiert von Redaktionslegende Holger Andrae. Und nun hinein ins Vergnügen.

Peter Kubaschk
- Chefredakteur -

Weiter im Text geht es mit Platz 80 und einem ziemlich finsteren Album aus dem Jahr 1992. Das zweite Album der Norweger DARKTHRONE mit dem Titel "A Blaze In The Northern Sky" wird heute als eines der wegweisenden Black-Metal-Alben angesehen und wenn man sich die sechs langen Nummern auf der Scheibe anhört, kann man diese Ansicht verstehen. Das Trio Fenriz, Nocturno Culto und Covermodell und Gitarrist Zephyrous haben hier in Zusammenarbeit mit Bassist Dag Nilsen, der die Band nach den Aufnahmen verlässt, ein extrem grimmiges Werk abgeliefert. Der heutige Szenen-Guru und Oberthroner Gylve Fenris Nagell sagt selbst über die Scheibe, dass es eigentlich nur Death-Metal-Riffs im Black-Metal-Stil gespielt seien. Während die Band auf ihrem ersten Album im Jahr zuvor noch mit Death Metal auf sich aufmerksam machen konnte, haben angeblich zwei Faktoren zu dem recht drastischen Stilwechsel geführt: Auf der einen Seite nennt Fenris ein auf einem defekten Kassettenrekorder abgespieltes Demo der polnischen Band VADER, auf der anderen Seite ist der Einfluss von  Øystein "Euronymous" Aarseth (MAYHEM) offensichtlich recht groß. Der extrem rohe Klang des Albums veranlasste ihre Plattenfirma Peaceville zunächst, die Scheibe überhaupt in dieser Form an die Öffentlichkeit zu geben. Heute ist es genau dieses "nichtproduzierte" Klangbild, welches den ganz besonderen Reiz dieser Musik ausmacht. "A Blaze In The Northern Sky" wird gern als Wegbereiter der so genannten "zweiten Welle des Black Metal" angesehen. Hört man sich das Album an, so versteht man sogar als Außenstehender, welche Faszination diese Musik ausüben kann. Das Attribut "frostbitten" kommt einem gern in den Sinn, denn die klirrende Kälte der Kompositionen ist allgegenwärtig. Vor allem während der extrem schnellen Passagen, wie im ungestümen 'Where Colds Winds Blow' hat man das Gefühl von einem nordischen Unwetter weggeblasen zu werden. Die undefinierten, heiseren Kreisch- und Gurgelgesänge von Fenriz und Nocturno Culto addieren sich als weitere Boni zu den bereits genannten Höllenzutaten dieses infernalen Weltuntergangssoundtracks, den Rüdiger, Michael, Ben und Christian in diese Liste gewählt haben. Frost well.


Platz 79 geht an einen beinahe ebenso bösen Klassiker aus dem Jahre 1983.  Die Rede ist von "Melissa", dem ersten Langdreher der dänischen Eminenz MERCYFUL FATE. Ein Album, auf welches damals wohl der gesamte Underground mehr als gierig gewartet hat. Die Band um Frontmann King Diamond hatte im Jahr zuvor bereits mit einer 4-Song EP und etlichen Liveauftritten für Furore gesorgt, denn keine andere Band war auf ihre Art so extrem wie die fünf Dänen. Sänger Kim Bendix Petersen, der unter dem bis heute verwendeten Pseudonym King Diamond als einer der ersten Musiker mit Warpaint auftritt, und seine vier Mitstreiter sind musikalisch extrem versiert, textlich extrem okkult und in Summe daher besonders extrem.  Die sieben Songs auf "Melissa" sind bis zum heutigen Tag unerreicht und gelten allesamt als Klassiker. Das Zusammenspiel der beiden Gitarristen Michael Denner und Hank Sherman ist an Präzision, Feingefühl und Facettenreichtum kaum zu schlagen, was man daran ablesen kann, wie viele Bands dieses Duo als Einfluss und Inspiration angeben. Selten bekommt man einen standardisierten Songaufbau geboten. Immer wieder werden überraschende Breaks eingeflochten, an allen Ecken gibt es Mini-Solo-Einlagen und die abwechslungsreiche, aber permanent nach vorne drückende Rhythmussektion bestehend aus Timi "Grabber" Hansen (bs.) und Kim Ruzz (dr.) unterlegt dieses Saitenfeuerwerk mit adäquater Genialität. Selten klang komplizierte Musik eingängiger. Einzelne Songs des Albums, welches von einem furchteinflößenden und gleichzeitig ikonischen Artwork umhüllt wird, hervorzuheben, ist bei der gleichbleibenden Qualität quasi ausgeschlossen. Diesen Gedanken hatten wohl auch die Kollegen Fähnrich, Jäger und Andrae  als sie beschlossen "Melissa" mit auf ihre Insel zu nehmen. Wer sich bisher noch gar nicht mit MERCYFUL FATE beschäftigt hat, dem sei zum Einstieg der knapp drei Minuten kurze Longtrack "Black Funeral" ans Ohr gelegt. Wenn ihr hier noch nicht vom extrem hohen Gesang des Meisters vergrault worden seid, steht eines felsenfest: Es wird nicht euer letzter Song dieser genialen Band bleiben. Den fortgeschritteneren Ohren empfehle ich das mit über elf Minuten Spielzeit schon als episch zu bezeichnende "Satan's Fall", in welchem die Band mal eben so viele Ideen verbrät, wie andere Truppen während ihrer zehn jährigen Bandgeschichte.


Platz 78 belegt ein Album, welches schon in unserer ersten Liste vor gut zehn Jahren vertreten war. Damals noch auf Position 90, heute zwölf Positionen weiter oben. Gleich fünf Redakteure haben diesen modernen Klassiker in unsere Auswahl gehievt. Das waren Sebastian, Haris, Tobias, Juliane und Ben. Den meisten Lesern dürfte längst klar sein, dass ich vom 95er Album der Schweden AT THE GATES rede. Auf "Slaughter  Of The Soul" zelebrieren die Björler-Brüder, die nach dieser Scheibe THE HAUNTED starten, so etwas wie die Blaupause des Melodeath-Metal. Verwurzelt im Hardcore, verbindet das Quintett auf dem Album grauschwarze Elemente mit griffigen Melodien. Alles unterlegt von extrem schnellen Rhythmen und vorgetragen vom heißer-kreischenden Tomas "Tompa" Lindberg, der nach dem Split unter anderem bei LOCK UP, GROTESQUE und THE CROWN hinterm Mikrofon zu hören und zu sehen war. Wenn den so viele Bands haben wollen, kann der so schlecht ja nicht sein. Ist er auch nicht. So eine Aussage aus dem Mund eines Weichbrotproggels, wie ich es einer bin, darf man schon mal zum Anlass nehmen, sich einen Schlüpferstürmer der Marke 'Blinded By Fear' anzuhören. Diese Nummer kann nämlich mal eben alles. Vor allem Schädel spalten und Genickmuskeln strapazieren. Müsste ich jemandem erklären, wie zeitgemäß produzierter, sehr harter Metal in meinen Ohren zu klingen hat, wäre dieser Song ein potentieller Kandidat, dies zu demonstrieren. Aber auch das restliche Material des Albums weiß zu überzeugen. Die Band begeht nämlich niemals den Fehler die ganze Zeit Vollgas zu treten, sondern baut immer wieder geschickt teils feist stampfende Passagen in ihre - an sich sehr forsch nach vorne vorgetragenen - Stücke ein. Obendrein haben die Klampfer den Dreh heraus, wie man markige Riffs schreibt. Das hat manchmal schon die Qualität von SLAYER. Ein größeres Kompliment kann man in diesem Segment wohl kaum machen. Fett.


And now for something conmpletely different: FAITH NO MORE mit ihrem Megahitalbum "The Real Thing" auf Platz 77.  Album Numero Drei in der Diskografie, Album Numero Uno mit dem durchgeknallten Mike Patton hinterm Mikrofon. Schon die Single-Auskopplung 'Epic' sorgt für massiven Medienhype. Das Ding lief in den entsprechenden Formaten rauf und runter und versorgt die Band mit Vorschusslorbeeren in der Menge einer mittelgroßen Kleingartenanlage. Die musikalische Mischung auf dem Album ist genau betrachtet lediglich die logische Fortsetzung ihrer ersten beiden Scheiben "Introduce Yourself" und "We Care A Lot", auf denen noch ein gewisser Chuck Mosley für den Gesang zuständig war. Allerdings hat man mit Matt Wallace einen Produzenten hinzu gezogen, der den extrem feurigen Crossover der Band entsprechend kantig und explosiv in Szene setzt. Während die beiden Vorläuferscheiben ganz eindeutig der Indierockbewegung zuzuordnen waren, hören wir mit "The Real Thing" eines der ersten Crossover-Alben, auf dem sich der garstige Gitarrensound von Brillenmaniac Jim Martin wunderbar quer zum luftig-wavigen Keyboardgwaber eines Roddy Bottum bewegt und auf dem die Hüftschwung erzeugenden Beats der Rhythmustruppe bestehend aus Mike Bordin (dr.) und Billy Gould (bs.) jeden Bewegungsmuffel gehörig unter Zugzwang stellen. Aus dem Album werden insgesamt fünf Singles ausgekoppelt, die allein schon die unglaubliche Bandbreite der Band darstellen. Man höre nur einmal das kurze Metalbrett 'Surprise! You're Dead' und im Anschluss den Schnorchel-Waver 'Underwater Love'. Selten waren Songtitel treffender gewählt. Mit den beiden formidablen Longtracks 'The Real Thing' und 'Zombie Eaters' hat man dann obendrein auch noch emotionale Epizentren Deluxe an Bord. Die damals nur als CD Bonus erschienenen Extras , die herzzerreißende Ballade 'Edge Of The World', sowie der SABS-Koffer 'War Pigs', sind keinen Deut schlechter als das restliche Material auf dieser wegweisenden Scheibe. Etwas erstaunlich finde ich den Umstand, dass ausgerechnet vier unserer Alte-Schule-Kollegen dieses noch heute extrem innovativ klingende Album in ihren Listen haben. Die Rede ist von den Herren Kubaschk, Fähnrich, Volz und Andrae. Vielleicht ein Grund mehr für alle Zuspätgeborenen hier mal aufzuarbeiten.


Ein Jahr älter ist die vierte Scheibe von BON JOVI mit dem Titel "New Jersey", die vom Ehepaar Dahs und Herrn Staubach auf Platz 76 gewählt wurde. Ein Album, welches Jon Bon Jovi seine zweite Nummer Eins Platzierung in den USA nach "Slippery When Wet" beschert. Zwei der ausgekoppelten Singles – namentlich 'Bad Medicine' und 'I'll Be There For You' – toppen auch noch die Singlecharts in Nordamerika. Musikalisch bewegt man sich im Fahrwasser des extrem erfolgreichen Vorgängers und bietet eine gelungene Mischung aus radiotauglichem Hardrock, schmalzigen Ballade, etwas Springteen-Flair und Country-Pop. Das ursprünglich als Doppelalbum geplante Scheibchen, welches eigentlich "Sons Of Beaches" heißen sollte, wird von der Plattenfirma auf Singlealbumlänge geschrumpft und der Titel in "New Jersey" geändert. Einige der entfallenen Titel findet der geneigte Freund der Band später auf Single-B-Seiten wieder. Unter anderem sind dies : 'Love Is War', 'Let's Make It Baby', 'Outlaws Of Love', 'Rosie' und 'Diamond Ring'. Für etwas Wirbel sorgt das freizügige Video zum Song 'Living In Sin', in welchem ein Paar an verschiedenen Örtlichkeiten das macht, was der Titel suggeriert. Im Land der alkoholischen Papiermäntel ist so etwas natürlich nicht erlaubt. Ungeachtet dieser Umstände ist "New Jersey" ein bis heute gern gehörtes Rockalbum, welches den "test of time" sicherlich bestanden hat.


Ein weiteres Album, welches unbestritten eben jenen Test bestanden hat, ist das Werk auf Rang 75 von den Metal-Priestern aus Birmingham. Bezeichnend mit "British Steel" überbeschriftet ist dieses Album wohl die Scheibe der Metal Gods, die am häufigsten als ihre vermeintlich Essentiellste genannt wird. Der Grund liegt auf der Hand: Befinden sich auf der Scheibe mit 'Breaking The Law' und 'Living After Midnight' zwei der bekanntesten JUDAS PRIEST-Songs. Das sind Stücke, die eben auch außerhalb des Heavy-Metal-Universums gehört werden, die auf etlichen Rock-Compilations stehen und die sogar im normalen Radio ab und an gespielt werden. "British Steel" ist das erste Album mit Dave Holland am Schlagzeug, welcher in den Ohren des Verfassers ein wenig hölzern klingt. Die Seventies-Einflüsse, die schon auf dem Vorgänger "Killing Machine" kaum noch zu hören waren, sind 1980 komplett verschwunden, was unter anderem an der boomenden NWoBHM liegen wird. Prodzuiert wird die Scheibe von Tom Allom im Ringo-Starr-Studio, in welchem auch bereits die voran gegangene "Live"-Scheibe "Unleashed In The East" bearbeitet wurde. Yvonne Päbst, Rüdiger Stehle, sowie Walter Scheurer haben das Album, welches 1989 Platin-Status erlangen konnte, in ihren Listen platziert. Neben den bereits genannte Hit-Singles beinhaltet die Scheibe mit 'Metal Gods' auch noch die Hymne zur Selbstdefinition, sowie mit dem Opener 'Rapid Fire' ein rasantes Eröffnungsfeuer. Die heimlichen Highlights hören allerdings auf die Namen 'Grinder', 'Steeler' und 'The Rage'. Mit 'United' finden wir auf "British Steel" additiv noch eine vor Pathos triefende Mitsing-Hymne, die sicherlich jedem auf irgendeiner Party schon mal durch die Ohren gepustet worden ist. Ich muss nicht weiter darauf eingehen, dass die Musik auf diesem Album natürlich lupenreiner Heavy Metal mit einigen Schlenkern in Richtung Hard Rock – 'You Don't Have To Be Old To Be Wise' – ist. Das Gitarrenduo Glenn Tipton/KK Downing gilt nicht umsonst zu den stildefinierenden Saiten-Doppels überhaupt. Ihr schneidender Gitarrenklang ist oft kopiert, selten erreicht, ihre Harmonien einprägsam, meist ohne an Härte zu verlieren. Der Gesang von Frontmann Rob Halford ist immer extrem. Mal extrem hoch, mal extrem schrill, mal extrem hart, mal extrem gefühlvoll. Ein Meister seines Faches eben. Leider fehlen auf diesem Album die epischen Longtracks der Vergangenheit (und der damaligen Zukunft), was aber nichts am Status dieser Scheibe ändert. Amüsante Randnotiz: Die zu hörenden Effekte sind im Zeitalter ohne Samples entstanden. Um Donnergeräusche zu erzeugen werden zum Beispiel Türen zu geschlagen. Aus heutiger Sicht sicherlich kaum vorstellbar.


Auf Platz 74 folgt ein Album, welches immer etwas im Schatten seines übergroßen Vorgängers steht. Ob es deswegen "The Dark" heißt, ist anzuzweifeln, ich vermute dahinter eher eine Beschreibung der Grundstimmung dieser zweiten Scheibe von METAL CHURCH. Die fünfköpfige Band aus Seattle hat 1984 mit seinem Debütalbum einen Meilenstein der Metalgeschichte veröffentlicht und muss 1986 nun beweisen, dass sie auch ohne jahrelange Vorbereitungszeit in der Lage ist, ein solches Knallerwerk nachzulegen. Auch wenn "The Dark" nicht ganz an seinen älteren Bruder heran reicht, so ist das Material auf dieser Scheibe trotzdem bärenstark. Schon die als Single ausgekoppelte Halbballade 'Watch The Children Pray' lässt überrascht aufhorchen, denn solche Töne sind auf dem Debüt nicht zu hören gewesen. Alle weiteren Songs auf "The Dark" schlagen aber eindeutig in die Kerbe des Erstlings. Beginnend beim bezeichnend betitelten Opener 'Ton Of Bricks' bekommt der Hörer zehn erstklassige US-Metal-Gourmethappen serviert, die etwas straffer klingen als das Material des Erstlings. Trotzdem finden wir auch auf dem zweiten Album der Band wieder ausreichend spannende Musik. So zum Beispiel den alles vernichtenden Titelsong mit seinen kirchlich sägenden Gitarren und dem herrlichen Kreischgesang von David Wayne oder die verschachtelte Hymne 'Burial At Sea' , die mit Tausendundeinem Ohrwurm seit drei Jahrzehnten in meinen Gehirnwindungen verankert ist. Wer die flotteren Töne aus dem Handgelenk des Gitarristen Kurdt Vanderhoof mag, ist mit dem irrwiitzigen 'Psycho' wunderbar versorgt. Hier ballert sich auch Drummer Kirk Arrington jeden Funken Aggression aus den Knochen. Ein absoluter Brecher, diese Nummer! Wie auch das rattenscharfe 'Line Of Death'. Ein Song, der in einer gerechten Metalwelt im Musikschulunterricht zum Pflichtsong gemacht werden müsste, beinhaltet er doch alles, was ein großartiger Song beinhalten muss: Messerscharfe Riffs, abwechslungsreiche Rhythmik, unfassbar großartige Melodien und einen Sänger, der alles in Grund und Boden schreit. Da entschuldigt man auch mal zwei unspektakulärere Nummern wie 'Western Alliance' und 'Over My Dead Body', für die andere Bands immer noch töten würden. Auch wenn diesem Album die Überhits der Sorte 'Gods Of Wrath', 'Metal Church' und 'Beyond The Black' fehlen, ist es in seiner Gesamtheit kaum schlechter als der Vorgänger. Immerhin gelingt den Jungs ein knapper Einstieg in die US Charts auf Platz 92, was sicherlich dem recht massiven Airplays der Single zu danken sein wird. Leider ist dies ja das (beinahe) letzte Studioalbum mit David Wayne, der aufgrund seines Alkoholproblems danach von Mike Howe (vormals HERETIC) ersetzt wird. Erst 1999 kommt es auf dem Album "Masterpeace" wieder zu einer Zusammenarbeit von Wayne und der Band. Dass dieses gern etwas übersehene Album in dieser Aufzählung auftaucht haben wir den Kollegen Scheurer, Staubach, Meyer und Rapp zu  verdanken. Vielen Dank, meine Herren!


Über die Band auf Platz 73 muss man eigentlich gar nichts mehr schreiben, denn in den letzten Wochen wurde wohl alles gefühlte 1000 Mal zu MOTÖRHEAD wieder gekäut, was man wiederkäuen konnte. 1991 erscheint das neunte Studioalbum der Band, die zu dem Zeitpunkt aus Würzel, Phil, Philthy und Lemmy besteht. Es ist quasi das erste Album der Band für ein Majorlabel. Das ist aber nicht die einzige Erstmaligkeit: Kaum ein anderes MOTÖRHEAD-Album ist in sich so vielseitig und kein anderes Album der Band beinhaltet so viele ruhige Momente. Das mystische 'Nightmare/The Dreamtime', welches auf Lemmys typisch knarzendem Bass basiert, der von schrägen Keyboardklängen und ebenso unheimlichen Gitarrensoundcollagen begleitet wird, ist einer dieser ungewöhnlichen Songs. Das direkt daran anschließende 'Love Me Forever' ist gleich der nächste. Wer bei diesem Gesang keine Gänsehaut bekommt, sollte seine Gefühlsrezeptoren untersuchen lassen. Der abschließende Titelsong ist dann für den Verfasser dieser Zeilen einer der besten Songs, die diese Band jemals veröffentlicht hat. Begleitet von einem Cello, einer Orgel und einem  Drumcomputer gibt Lemmy hier ein Anti-Krieg-Statement zu Protokoll, das so bildhaft ist, dass man jedes Mal(!) erneut mit einem Kloß im Hals zurück bleibt. Wahrscheinlich hat er den Song ganz bewusst ans Ende des Albums gesetzt, damit man danach in der Stille den Text reflektieren kann. Ich möchte hier aber nicht zu besinnlich werden und verweise nun auf die restlichen, gewohnt flotten Nummern dieses Albums hin. "1916" ist der beste Beweis gegen all' diese Kennste-einen-Song-kennste-alle-Nörgler. Wir haben mit 'Angel City' einen Rock'n'Roller an Bord, mit 'Ramones' einen punkigen Tribut an eben jene Band und mit dem grandiosen 'No Voices In The Sky' einen absoluten Smasher, der locker flockig mit riesengroßem Chorus in dein Herz rammt. Drumherum gibt es allerlei erstklassigen MOTÖRHEAD-Stuff, der bestgelaunt aus der Anlage dröhnt. Man hört diesem Album einfach die Aufbruchstimmung an, in der sich die Band zu diesem Zeitpunkt befindet. Lemmy ist erst kurz vor den Aufnahmen nach Los Angeles gezogen, der neue Plattenvertrag, alles Dinge, die offenbar noch mehr motivieren konnten als bisher. Nicht umsonst wird "1916" bis heute von vielen als eine der besten MOTÖRHEAD-Scheiben genannt. So auch von unseren Mitarbeitern Yvonne, Rüdiger, Marius und Stephan Voigtländer.


Platz 72 schmückt eine Band, die man schon anhand einer Farbkombination erkennen kann: Schwarz/Grün. Die Rede ist natürlich von TYPE O NEGATIVE und deren drittem Album "Bloody Kisses". Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Scheiben "Slow, Deep And Hard" und "The Origin Of Fences" geht die Band um den ehemaligen CARNIVORE-Leader Peter Ratajczyk, – besser bekannt als Peter Steele – neue Wege. Der rabiate, stark vom Hardcore beeinflusste Sound der Vergangenheit weicht einem extrem düsteren, teils im gothischen Indiebereich verwurzelten Klangbild, zu welchem der extrem tiefe Gesang natürlich außergewöhnlich gut passt. Das Album hat im Jahr 2000 Platinstatus erzielt und ebnet den Durchbruch für die Band. Interessant ist der Umstand das ausgerechnet die beiden langen Albumeröffner  'Christian Woman' und 'Black No. 1' als erfolgreiche Singles ausgekoppelt werden. Gerade der zweite Song ist wohl der bekannteste Song der Band überhaupt. Zwischen den ganzen düsteren Nummern gibt es mit 'Kill All The White People' und 'We Hate Everyone' zwei kurze, ruppige Nummern, die in zweierlei Hinsicht an die Vergangenheit der Band erinnern (sollen). Auf der einen Seite sind beide Songs eine Reaktion der Band auf die Vorwürfe, es würde sich um eine Band mit rechtsradikalen Ansichten und Texten handeln und auf der anderen Seite klingen in beiden Nummern natürlich aus dem gleichen Grund die musikalischen Wurzeln sehr deutlich durch. Als das Album später als Digipak wiederveröffentlicht wird, sind beide Songs nicht mehr Bestandteil der Playlist. Angeblich, weil sie sich zu sehr vom restlichen Material unterscheiden würden. Interessant ist die doomige Interpretation des SEALS AND CROFT Hits 'Summer Breeze', welcher im Original eine butterweiche Softpopnummer der 70 Jahre ist. Die Band – und vor allem dieses Album – ist eine der großen Metalerscheinungen der 90er und erreicht eine enorm breite Hörerschar. Dies belegen auch die guten Platzierungen in den Listen solch' unterschiedlicher Ohren wie denen von Frau Päbst, Herrn Fähnrich und Herrn Durakovic.


Auf Platz 71 bleibt es melancholisch. In diesem Fall gibt es aber die reine Doom-Lehre zu hören. Noch ohne Gemüse, denn im Jahr 1986 singt bei der schwedischen Doom-Legende CANDLEMASS noch nicht der Gemüsepriester Messiah Marcolin, sondern Johan Längquist, der leider nach diesem ersten CANDLEMASS-Album "Epicus, Doomicus, Metallicus" aussteigt. Aber langsam. Die Band entsteht aus den Resten der Truppe NEMESIS, die ein paar Jahre zuvor mit einer sehr guten EP namens "The Day Of Retribution" auf sich aufmerksam machen konnte. Bassist und Bandkopf Leif Edling gründet hiernach CANDLEMASS. Schon der Titel und das Artwork des ersten Albums sind unschlagbar. Ikonisch für dieses Subgenre. Die gebotene Musik hält in diesem Fall zum Glück das, was die Optik erhoffen lässt. Alle sechs langen Songs des Albums zählen heute zu den besten Songs des epischen Doom Metals und werden jeden Freund jener Stilistik in einen Freudentaumel versetzen. Im Gegensatz zu den von BLACK SABBATH bekannten schlürfenden oder psychedelischen Riffs setzt Leif Edling auf kristallklare, schneidende Riffs, epische Melodien und drückende Rhythmik. Manchmal könnte man sagen, dass man sehr langsamen US Metal hört, aber das trifft den Stil nur marginal. Man kann kaum auf einzelne Songs eingehen, da hier eben alle Nummern auf einem gleichhohen Niveau sind. Daher erwähne ich jetzt mal 'Under The Oak', weil diese Nummer zwei Alben später noch einmal auftaucht. Sie gehört nämlich zu einem textlichen Konzept, an welchem Leif Edling über Jahre hinweg arbeitet und dessen Fertigstellung das Album "Tales Of Creation" darstellt. Wenn man bedenkt, dass die Band ohne festen Drummer und Sänger ins Studio geht, um mit HEAVY-LOAD-Fronter Ragne Wahlquist an den Reglern das Album aufzunehmen und dass Johan Längquist die Songs demnach ohne Vorbereitungszeit einsingt, ist das Ergebnis umso erstaunlicher. Schon das eröffnende 'Solitude' lässt keine Wünsche offen. Akustisch eingeleitet, gibt es schnell ein Doomriff für die Ewigkeit und Gesangsmelodien mit Entenparka. Das extrem schwere 'Demon's Gate' legt dann härtemäßig noch ein paar Schüppen nach und 'Crystal Ball' ist dann so etwas wie die nicht ausgekoppelte Hitsingle des Albums. Weiter im Text geht es mit dem kantigen 'Black Stone Wielder' bis dann nach dem bereits erwähnte 'Under The Oak' das göttliche 'A Sorcerer's Pledge' das Album beschließt. Das einzige Manko dieses ansonsten makellosen Albums ist das Ende des letzten Songs. Hier gibt es eine elfenhafte Frauenstimme über der von Johan gesungenen Choruslinie und verzaubert den Hörer unwillkürlich. Leider, leider, kommt es aber genau hiernach zu einem Fadeout, welcher mich jedes Mal aufs Neue in den Wahnsinn treibt. Diese Meldoie möchte man bis zum letzten Stündlein hören oder aber doch zumindest noch ein paar weitere Male, weil sie einfach so unfassbar schön ist. Diese bittere Pille ist aber nur ein winziger Minuspunkt eines wunderbaren Albums, welches in jeder vernünftigen Sammlung stehen sollte. Das sehen vor allem Rüdiger, Simon, Michael und Alex in unserer Redaktion so.


Hier endet nun dieser 10er Block, zu dem ich abschließend noch anmerken möchte, dass vier der genannten Alben bereits in unserer ersten vertreten waren. Im Detail sind das TYPE O NEGATIVE, MOTÖRHEAD, FAITH NO MORE und AT THE GATES. Wer nun wissen möchte, auf welchem Platz diese Alben vor gut zehn Jahren standen, darf sich gern die alte Liste anschauen. In einem Monat geht es weiter und vielleicht gibt es dann schon die Auflösung, ob es weitere Alben von DIO, IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD und METAL CHURCH in unsere Liste geschafft haben.

Redakteur:
Holger Andrae
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