PENTAGRAM (US): Interview mit Victor Griffin

09.10.2011 | 12:27

Gitarrist Victor Griffin über die Reunion mit Bobby Liebling, das aktuelle Album und die Zukunft der Doom-Legende PENTAGRAM.

Martin Loga:
Victor, erzähle uns bitte, wie es zu deiner "Reunion" mit Bobby Liebling kam, die letzlich zum neuen Album "Last Rites" führte.

Victor Griffin:
Im März 2010 stieg Gitarrist Russ Strahan bei PENTAGRAM aus. Kurz vor einer anstehenden Tour. Die Tour spielte schließlich Johnny Wretched (ex-WRETCHED). Im Vorfeld der Tour rief mich Bobby an, ob ich die Tour mit PENTAGRAM spielen könnte, aber ich hatte andere Verpflichtungen im Rahmen der DEATH ROW-Reunion und im Hinblick auf PLACE OF SKULLS. Im Mai 2010 half ich bei einigen Konzerten nach der PLACE OF SKULLS-Tour aus. Seinerzeit stand es jedoch nicht im Raum, dass ich bei PENTAGRAM dauerhaft spiele. Greg Turley, mein Neffe, stieg zu dieser Zeit bei PENTAGRAM ein. Ich stellte fest, dass sich die Persönlichkeit und die Geisteshaltung von Bobby positiv verändert hatte, da er seine Drogenabhängigkeit besiegt hatte. Er hatte inzwischen sein Leben wieder unter Kontrolle. Die Tour im Mai 2010 lief echt gut und nach weiteren Konzerten stimmten Greg und ich zu, dass wir dauerhaft bei PENTAGRAM spielen würden. Schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass wir ein neues PENTAGRAM-Album aufnehmen wollen.



Martin Loga:
Kennst du die Gründe, warum der frühere langjährige Weggefährte von Bobby, Joe Hasselvander, nicht mehr bei PENTAGRAM dabei ist?


Victor Griffin
:
Zwischen Bobby und Joe bestehen noch immer größere persönliche Konflikte, die sie bisher noch nicht beilegen konnten. Sie entstanden bereits, als PENTAGRAM bei der italienischen Plattenfirma Black Widow Records unter Vertrag waren [ab 1999 mit dem Album "Review Your Choices" - Anm. d. Verf.]. PENTAGRAM bestanden damals nur aus Joe und Bobby. Joe nahm auf den Alben alle Instrumente auf und Bobby steuerte den Gesang bei. Die beiden kamen sich in die Haare wegen finanziellen Dingen und Plattenerlösen aus diesen Alben und so weiter, soweit ich das mitbekommen habe. Bobby ist aber nach wie vor willens, sich mit Joe zu versöhnen. Joe hingegen tut sich mit einer Beilegung der Konflikte offenbar nicht so leicht. Hoffentlich sind sie in der Lage, diese Streitereien zu überwinden, um beispielsweise wieder zusammen zu spielen. Es macht ja keinen Sinn, eine solch Last auf den Schultern das ganze Leben mit sich herumzuschleppen.


Martin Loga:
Ihr habt für das neue Album auch einige alte PENTAGRAM-Stücke aus den 1970ern aufgenommen, die auf dort platziert sind. Kannst du eigentlich Leute verstehen, die sich darüber beklagen, dass es sich nicht ausschließlich um neues Material, sondern um Neueinspielungen alter Stücke handelt?

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Victor Griffin:
Also ich kann die Kritik ein stückweit nachvollziehen. Aber es gibt hier zwei unterschiedliche Sichtweisen. Wenn man es aus der Sicht von Bobby betrachtet, dann ist es ja so, dass viele der Stücke nur als Demos aufgenommen wurden. Sie waren ursprünglich nicht dazu gedacht, in dieser Form auf Alben veröffentlicht zu werden, obwohl sie im Endeffekt lange Zeit später zum Beispiel auf "First Daze Here" erschienen. Diese Lieder waren entsprechend schwach produziert. Es hat sich heute so viel getan in Sachen Aufnahmetechnik und Sound. Man könnte im Übrigen einen solchen Sound bei einer Neueinspielung gar nicht mehr erzeugen, selbst wenn man es wollte. Die alten Stücke sind klasse, aber man muss sie eben klanglich zeitgemäß präsentieren, sonst macht es keinen Sinn. Ich finde es generell gut, altes Material mit neuen Stücken zu kombinieren. Auf das neue Album "Last Rites" hatte ich nur sehr wenig Einfluss im Hinblick auf das Komponieren, da ich zu dieser Zeit sehr mit PLACE OF SKULLS beschäftigt war. Greg komponierte einige Stücke. Zwei davon mit mir, eines mit Bobby Liebling. Bobby komponiert heutzutage eigentlich kaum noch, sondern er konzentriert sich auf die Liedtexte.


Martin Loga:
Mir persönlich gefällt 'American Dream' sehr gut. Deine Lead-Vocals sind hier sehr gelungen.


Victor Griffin:
Danke! Das Lied war eine Gemeinschaftsarbeit von mir und Greg. Ich dachte nicht daran, es einzusingen. Bobby kam mit dieser Idee im Studio an und wollte, dass ich den Gesang übernehme. Für mich ist das Ganze etwas ungewohnt, da ich beim Hören den Eindruck habe, als würde der Gesamtfluss des Albums etwas durch das Stück an Fahrt verlieren. Es freut mich aber, dass du das Stück magst. Vielleicht ist es auch nur so, dass ich nicht selbstbewusst genug bin, um meine Stimme auf einem PENTAGRAM-Album zu hören.


Martin Loga:
Liegt denn deine Top-Priorität in Sachen Musik noch immer bei deiner Band PLACE OF SKULLS?


Victor Griffin:
Ich kann mich bei PLACE OF SKULLS natürlich stärker musikalisch verwirklichen, da ich hier auch alle Vocals beisteuere. Ich habe mich in den letzten zehn bis zwölf Jahren auch als Sänger entwickelt. Mir macht auch das Singen viel Spaß und bei PENTAGRAM kann ich mich im Hinblick darauf nur wenig einbringen. Wenn ich ein Stück für PENTAGRAM oder PLACE OF SKULLS komponiere, ist es im Prinzip von der Kompositionsweise her so, dass man kaum ein Unterschied bemerken würde. Ich würde nicht sagen, dass ich eine Band über die andere stellen würde, denn derzeit läuft es mit PENTAGRAM wirklich gut. Wir hatten bislang keinerlei Konflikte untereinander und auch im Hinblick auf die Konzertplanung beider Bands gab es bis jetzt keine Überschneidungen. Aber ich werde PLACE OF SKULLS definitiv nicht aufgeben.


Martin Loga:
Ich finde, dass du ein sehr markant klingendes Gitarrenspiel hast. Welches sind denn die wichtigsten musikalischen Einflüsse für dich als Gitarrist?


Victor Griffin:
In Siebzigern waren meine Einflüsse Ace Frehley (KISS), Glen Buxton (dem Original-Gitarristen von ALICE COOPER), die Gitarristen von NAZARETH und der Blues-lastige Stil, den die Gitarristen von STEPPENWOLF hatten. Ausgehend von diesen frühen Einflüssen habe ich über die Jahre hinweg natürlich meinen eigenen Stil entwickelt. Ich bediene mich nur wenig der Spielweisen anderer Gitarristen, wobei man zugeben muss, das jeder mal hier und da einen Lick von einem anderen Gitarristen einbaut. Generell hat sich meine Spielweise in Richtung eines bluesigeren Stils entwickelt.


Martin Loga
:
Hast du eigentlich den Kontakt mit Bobbie über die Jahren hinweg - seit du PLACE OF SKULLS ins Leben gerufen hast - gehalten oder hast du ihn vor einigen Jahren wiederhergestellt?


Victor Griffin:
Wir haben den Kontakt über die Jahre hinweg stets beibehalten. Vielleicht war da mal ein Zeitraum von einem oder zwei Jahren, in denen wir nicht miteinander gesprochen haben. Aber es gab keine Konflikte. Wir sind Freunde und wir können offen miteinander reden. Unsere Beziehung zueinander ist wie die von Brüdern. Wir harmonieren miteinander, aber wir können uns auch mal anbrüllen und vertragen uns trotzdem wieder. Und so verhält es sich im Prinzip mit allen Bandmitglieder bei PENTAGRAM im jetzigen Line-up. Greg kennt Bobby wohl schon seit Mitte der 1980er. Auf Arbeitsebene gehen wir professionell miteinander um, und auch auf der Beziehungsebene kommen wir alle prima klar.


Martin Loga:
Wenn du dir alte DEATH ROW-Fotos aus den frühen 1980ern ansiehst mit den speziellen Bühnenklamotten und eurem Make-up: Was denkst du in diesem Moment?


Victor Griffin:
PENTAGRAM waren um 1978 herum auf dem absteigenden Ast. DEATH ROW wurden seinerzeit neu gegründet. Ich und rief damals DEATH ROW ins Leben. Später stieg Joe Hasselvander als Schlagzeuger ein und wir suchten eben nach einem Sänger. Das war damals fast unmöglich, weil wir niemanden mit einem solchen Gesangsstil, den wir wollten, fanden. Bobby passte perfekt und stieg dann bei uns ein. Was das Make-up und die Bühnenklamotten anbetrifft, so wollten wir Shock-Rock ähnlich wie die frühen BLACK SABBATH rüberkommen - wie wenn man ALICE COOPER, BLACK SABBATH und W.A.S.P. kreuzen würde. Einige Jahre fanden wir die Klamotten und die Makeup-Sache ziemlich cool. So bis etwa 1984. Aber dann funktionierte die  Konstellation zwischen Bobby, Joe, meiner Wenigkeit und Martin [Swaney, Bassist - Anm. d. Verf.]  nicht mehr. Uns brannten immer wieder die Sicherungen durch. Wir wollten alle unseren eigenen Kopf durchsetzen und wir hatten viel Streit damals.

MÖTLEY CRÜE hatten schließlich 1984 ähnliche Outfits wie wir. Mick Mars trug heftiges Make-up, das ich nicht mal getragen hätte. Wir hatten im Prinzip damals ein ähnliches Aussehen wie Black-Metal-Bands heute. Als Joe die Band verließ, haben wir den Namen 1984 zu PENTAGRAM geändert und uns von der Make-up Geschichte verabschiedet, obwohl wir auf dem Bandfoto für das erste Album "Relentless" (1985) Make-up tragen. Das Bild stammt nämlich von einer DEATH ROW-Fotosession.


Martin Loga:
Vor etwa zwei Jahren überwandt Bobby seine jahrzehntelange Drogenabhängigkeit. Früher war sie ein Teil seines Lebens, der auch im Dokumentarfilm "Last Days Here" festgehalten ist. Es ist schon etwas Außergewöhnliches, dass ihm der Ausstieg gelungen ist. Inwieweit hat sich die Persönlichkeit von Bobby verändert, seitdem er clean ist, wenn du ihn heute mit Bobby Liebling im Jahre 1983 vergleichst?


Victor Griffin:
Bobby hatte schon einige Jahre zuvor ernsthaft versucht, keine Drogen mehr zu konsumieren. Aber es gab viele Höhen und Tiefen, bis ihm das letztlich gelungen ist. Er ist auch heute noch ein ziemlich exzentrischer Mensch. Aber man kann mit ihm viel besser auskommen. Außerdem ist er heute zugänglicher - zumindest wenn du es schaffst, seinen Redefluss zu unterbrechen. Er ist auch gesprächiger als früher, da er die Drogen hinter sich gelassen hat. Seine Gedanken sind klar. Er interessiert sich heute eher dafür, wie es anderen Menschen und weniger, wie es ihm selbst geht. Außerdem hat er ja eine Ehefrau und ein kleines Kind, sodass er das Leben an sich anders sieht als früher. Er ist heute religiös. Offensichtlich muss er ein klares Ziel vor Augen haben, sonst hätte er diese Dinge wie den Entzug nicht durchgestanden. Manche Menschen hätten das gar nicht überlebt.


Martin Loga:
Was kannst du uns denn über die neue PENTAGRAM-DVD "When The Screams Come" berichten?

Victor Griffin:
Die Show wurde auf dem Maryland Deathfest aufgenommen, einem Open-Air-Festival, das wir im Mai 2010 spielten. Der Auftritt selbst lief zwar prima, aber wir waren ein wenig irritiert, Teil des Billings zu sein, da sonst fast nur Death- und Black-Metal-Bands dort spielten. Aber ich habe Ausschnitte der Aufnahme gesehen, und die ist echt gut geworden.


Martin Loga:
Wird es auch Bonus-Material geben, wie zum Beispiel den PENTAGRAM-Auftritt auf dem Hammer Of Doom-Festival vom April 2011 in Würzburg?


Victor Griffin:
Nein, das glaube ich nicht. Als wir unseren Plattenvertrag bei Metal Blade Records unterzeichneten, stand schon fest, dass es eine DVD geben wird, die unseren Auftritt beim "Maryland Deathfest" enthält. Wenn ein anderes Konzert darauf enthalten wäre, dann würde die Veröffentlichung einen anderen Charakter haben.


Martin Loga:
Wirf bitte einen Blick in die Zukunft. Werde PENTAGRAM in fünf Jahren noch aktiv sein und Doom Metal spielen? Was meinst du?

Victor Griffin:
Wenn die Dinge sich so entwickeln, wie es derzeit aussieht, dann nehmen wir ntsprechend unseres Vertrags drei Alben für Metal Blade Records auf. Unser aktuelles Werk "Last Rites" ist das erste.


Martin Loga:
Aber die DVD "When The Screams Come" zählt nicht dazu, oder?


Victor Griffin:
Nein, es wird noch mindestens zwei weitere Studioalben für Metal Blade geben. Wenn wir alle eineinhalb Jahre ein Album auf den Markt bringen würden, dann wären wir noch fast 4 Jahre aktiv. Mal sehen, wie sich die Dinge entwickeln.


Martin Loga:
Möchtest du am Ende dieses Interviews noch irgendetwas los werden oder eine kleine Botschaft unters Volk bringen?


Victor Griffin:
Wir sind  regelrecht überwältigt, dass wir mit PENTAGRAM so viel Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bekommen. Offensichtlich waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Gunst der Stunde wollen wir nutzen. Wir danken allen Fans, die PENTAGRAM die Treue gehalten haben. Ohne unsere Fans gäbe es uns nicht, und wir wären nicht hier, um Musik für euch zu machen!


http://www.myspace.com/thepentagramarchives
https://www.facebook.com/pentagramusa

Redakteur:
Martin Loga

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