NOVEMBRE: Interview mit Carmelo Orlando

01.01.1970 | 01:00

Dass es in Italien neben den altbekannten kulinarischen Spezialitäten und etlichen HELLOWEEN/HAMMERFALL-Clones auch noch anspruchsvolle Mucke gibt, haben NOVEMBRE mit ihrem Album "Novembrine Waltz" eindrucksvoll bewiesen. Zwar dürfte die Chose noch ein wenig eigenständiger sein, aber wenn die Südländer dieses hohe Qualitätsniveau halten können, werden sie in Zukunft zweifelsohne in die Königsklasse zu OPETH und Konsorten aufsteigen.
Bandkopf Carmelo (g./v.) beantwortete per eMail meine Fragen:

Rouven:
Ihr habt mit "Novembrine Waltz" ein starkes Album abgeliefert, was hält denn die Presse bisher davon? So stark hatte doch sicherlich niemand mit NOVEMBRE gerechnet, oder?

Carmelo:
Das stimmt, die Reaktionen sind einfach überwältigend. Wir bekommen jeden Tag eMails und Einträge in unser Gästebuch, die allesamt Meinungen beinhalten die ich als schlichtweg enthusiastisch bezeichnen würde. Die Presse ist auch wirklich nett, die Reviews sind zumeist gut und nach den Interviews, wenn der Recorder ausgeschaltet ist, überhäufen uns die Journalisten auch oft mit Lob.
Das ist grossartig, das hatten wir niemals erwartet! Ich finde es auch toll, wenn sich die Leute sogar jeden einzelnen Songtitel kennen, so etwas ist uns zumindest noch nie passiert.

Rouven:
Meiner bescheidenen Meinung nach ist "Novembrine Waltz" das mit Abstand beste NOVEMBRE-Album. Obwohl man ganz deutlich hört, dass ihr wohl exzessive OPETH-Listening-Sessions hinter euch gebracht haben müsst. Hat diese Band wirklich solch einen grossen Einfluss auf euer Schaffen?

Carmelo:
Ich glaube nicht, dass OPETH-Hören jemals exzessiv sein kann! Davon bekommt man nämlich nie genug. Neben OPETH als Einfluss würde ich noch PARADISE LOST nennen, die scheinen in letzter Zeit ziemlich in Vergessenheit zu geraten. Oder auch BATHORY.
Nebenbei denke ich dass Bands wie OPETH, NOVEMBRE und einige andere dieselben musikalischen Wurzeln haben, uns Verbindet die Tatsache, dass wir Musik hören und spielen, die sonst sehr wenige Leute überhaupt mögen. Ausserdem verbindet uns die Erfahrung mit Dan Swanö, die auch nicht jeder hat. Das könnte einige Gemeinsamkeiten erklären. Obwohl ich sagen würde, dass man OPETH viel mehr auf "Classica" hören konnte, das neue Album ist anders.

Rouven:
Wenn dir jemand sagen würde "Hey, cooles Album, aber es klingt ja fast wie "My Arms, Your Hearse" ", was würdest du antworten?

Carmelo:
Ich würde wohl "Hey, danke!" antworten. Aber das ist in Etwa so, als würde man zu Jennifer Lopez sagen "Hey, du siehst gut aus, aber du erinnerst mich an Claudia Schiffer!" - das wäre auch ein Kompliment, aber ein billiges, wie ich finde.

Rouven:
Wie kam es zur Coverversion von Kate Bush´s "Cloudbursting"?

Carmelo:
Wir wollten unbedingt unseren grössten Einflüssen Tribut zollen. Einer davon ist definitiv Kate Bush! Ich habe diesen Song geliebt seitdem ich 11 war. Diesen Song sollte unbedingt eine Frau singen, die talentiert ist und gleichzeitig auch zu NOVEMBRE passt. Also wer hätte besser gepasst als Ann-Mari Edvardsen, die ehemalige Sängerin von THE 3RD AND THE MORTAL? Sie war noch dabei, als sie meine Lieblingsalben "Painting On Glass" und "In This Room" veröffentlichten.
Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie zugesagt hat, den Song einzusingen und wünsche ihr weiterhin das beste, jetzt singt sie an der Oper.

Rouven:
Könntest du den Unterschied zwischen "Novembrine Waltz" und dem Vorgänger, "Classica", beschreiben?

Carmelo:
Nun ja, "Novembrine Waltz" ist eindeutig relaxter, obwohl wir es sehr schnell fertigstellen mussten. Wir hatten nicht so viel Zeit wie für "Classica" und das ist wohl besser, wenn es um Originalität geht. Wir hatten diesmal kaum Zeit, um über die Stücke nachzudenken und im Nachhinein was zu verändern. Die Stücke wurden also nicht durch ständiges Grübeln verunstaltet.
Das ist wohl mit "Classica" passiert, obwohl ich das Album irgendwie auf seine eigene Art und Weise perfekt finde. Vielleicht zu perfekt! Aber das ist auch verständlich, wir waren damals dermassen aufgeregt. Das war unser erstes Album für Century Media und es musste einfach alles stimmen.
"Novembrine Waltz" ist deutlich nüchterner und verträumter.

Rouven:
Gibt es eigentlich eine Art textliches Konzept? Falls nicht, um was geht es dann in den Lyrics?

Carmelo:
Nein, ein Konzept gibt es nicht. Wie immer bei NOVEMBRE sind die Lyrics eine Reise zurück durch meine Gedanken, Sensationen, Tag- und Nachtträume. Aber sie sind schon irgendwie komisch. Mir kommt es manchmal so vor, als würde mir die Musik die Wörter diktieren. Ich höre dem Song zu, höre was er sagt, und schreibe das dann auf. Es scheint so, als wäre der Song schon fertig, in der Musik verpackt, in meinem Kopf, und ich muss nur noch die Wörter dazu niederschreiben. Musik ist ein Mysterium, ein tägliches Wunder. Zumindest für mich!

Rouven:
Ist es für euch eigentlich schwer, in Italien auf Anerkennung zu stossen? Die gängigen italienischen Bands spielen ja deutlich simplere Musik als NOVEMBRE. Was hältst du im Allgemeinen von der Szene in deiner Heimat?

Carmelo:
Ich bin mehr als glücklich darüber sagen zu können, dass wir in Italien gut bekannt sind, und die Leute scheinen unsere Musik wirklich zu mögen und respektieren sie. Das ist wirklich klasse, wir sind jedem dankbar, der unsere Musik zu schätzen weiss.
Ich weiss nicht so recht, welche Bands du meinst, die ?simplere" Musik spielen sollen - vielleicht Eros Ramazzotti oder Laura Pausini?
Der Begriff "Metal-Szene" macht in meinen Augen nur Sinn, wenn wir eine repräsentative Szene haben, die auch ausserhalb der Landesgrenzen bekannt ist. Diese bestimmen Bands wie LACUNA COIL, NECRODEATH, OPERA IX oder vielleicht auch NOVEMBRE. Also könnte man sagen, es ist eine gute Szene, wenn auch die Bands nicht allzu zahlreich vorhanden sind. Wir haben sehr viele und sehr gute Undergroundbands, aber diese sollten auch in der Lage sein, diese "Dunkelheit" zu verlassen! Es gibt also noch einiges zu tun.
Neben dieser Szene gibt es noch RHAPSODY und LABYRINTH, die ca. 20 Mal grösser sind als alle bisher genannten Bands zusammen. Die spielen aber Metal, der so weit von unserem entfernt ist, dass man nicht sagen kann, ob sie dieser Szene gehören oder eine eigene, klassische Metal-Szene haben.
Es sind aber mit Sicherheit Bands, auf die wir stolz sein sollten, ob man sie mag oder nicht!

Rouven:
Welches sind eigentlich eure massgeblichen musikalischen Einflüsse?

Carmelo:
Oh, ich werde einfach die Liste der Bands hier einfügen, die ich im Booklet als fundamental wichtig für NOVEMBRE erachte, okay?
Here we go:
DEAD CAN DANCE, THE 3RD AND THE MORTAL, BEYOND DAWN, Fabrizio De Andrè,Franco Battiato, Marco Masini, Angelo Branduardi, CCCP/CSI, Roger Waters, Jean-Michel Jarre, U2, THE CURE, THE SMITHS, R.E.M, Kate Bush, Tori Amos,
Suzanne Vega, Björk, RADIOHEAD, DEPECHE MODE, Diamanda Galas, A-HA, OPETH, KATATONIA, OCTOBER TIDE, NIGHTINGALE, EDGE OF SANITY, BATHORY, THERION,
PARADISE LOST, ANATHEMA, MY DYING BRIDE, DURAN DURAN, ARCADIA, VOIVOD,METALLICA, IRON MAIDEN, NECRODEATH, SCHIZO, GOBLIN, TERRORIZER, REPULSION, S.O.D, NUCLEAR ASSAULT, NAPALM DEATH, CELTIC FROST, KREATOR, DESTRUCTION, SLAYER, ASPHYX, AUTOPSY, DEATH, BURZUM, AT THE GATES, Rondò Veneziano, Francis Lai, Tomaso Albinoni, Antonio Vivaldi, Vincenzo Bellini, Wolfgang
Amadeus Mozart, Zbigniew Preisner/Van den Budenmayer, Johann Sebastian Bach, Niccolò Paganini, Giuseppe Verdi, Ludwig van Beethoven, Pyotr Il'ich Tchaikovsky, Fryderyk Chopin...und ich bin sicher, ich hab noch jemanden vergessen.

Rouven:
Werdet ihr mit dem neuen Album im Gepäck auch auf Tour gehen?

Carmelo:
Yeah, am 8.11. startet die Europatour zusammen mit unseren Brüdern von KATATONIA und OPETH, diese wird bis zum 7.12. gehen. Wir werden in Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, der Schweiz, in Deutschland, England und Irland spielen. Ich denke, das wird eine grossartige Erfahrung werden.
Wir werden für ein Publikum spielen, das wegen unserer Musik gekommen ist und diese auch versteht.
Das war letztes Jahr auf der Tour mit MOONSPELL und KREATOR leider nicht so, aber das soll nicht heissen, dass die nicht gut war!
Ich kann´s auf jeden Fall kaum noch erwarten loszulegen!

Rouven:
Auch wenn ihr jetzt "nur" ein Trio seid, so ist die musikalische Performance auf "Novembrine Waltz" doch wirklich klasse. Wird das so bleiben oder sucht ihr euch für die Zukunft noch einen weiteren Gitarristen?

Carmelo:
Dummerweise hatten wir während den Aufnahmen einige Probleme mit Massimiliano, unserem ehemaligen Gitarristen, die schlussendlich zum Split geführt haben. So wie es momentan aussieht klären sich da aber einige Dinge und wir kommen wieder sehr gut klar. Massimiliano wird auf der Tour Gitarre spielen und hoffentlich danach auch wieder bei NOVEMBRE sein.

Rouven:
Hast du momentan eine persönliche Top 5?

Carmelo:
Klar!
1. NOVEMBRE - "Novembrine Waltz"
(Wieso sollte ich lügen, haha!)
2. Tori Amos - "Strange Little Girls"
3. STING - "The Dream Of The Blue Turtles"
4. OCTOBER TIDE - "Grey Dawn"
5. France Battiato - "Ferro Battuto"

Rouven:
Vielen Dank für das Interview. Noch irgend etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?

Carmelo:
Hallo Jungs, und ganz besonders die Mädels! Hoffentlich sieht man sich auf der Tour - Reign on!

Redakteur:
Rouven Dorn

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