NIGHTFALL: Interview mit Efthimis Karadimas

01.01.1970 | 01:00

NIGHTFALL sind eine griechische Band, die sich zwischen Melodic Death und Dark Metal bewegt, und immerhin schon seit 1992 existiert und auf sechs Langeisen zurückblicken kann. Ich unterhielt mich mit Bandkopf und Sänger Efthimis Karadimas über das neue Album "I Am Jesus" und den bisherigen Werdegang der Band.


Stephan:
Zuerst einmal, was habt ihr in den drei Jahren zwischen "I Am Jesus" und "Diva Futura" (Vorgänger aus dem Jahre 2000 - d. Verf.) gemacht?

Efthimis:
Wir haben darum gekämpft wieder aktiv sein zu können. Die Geschichte kann nicht mit wenigen Worten beschrieben werden, aber ich werde versuchen dich die gesamte Situation verstehen zu lassen. Nach dem Release von "Lesbian Show" in 1998 mit Holy Records war es für uns an der Zeit für den nächsten großen Schritt. Also haben wir bei Holy Records für zwei weitere Alben verlängert.
Wenige Wochen vor dem Release von "Diva Futura", dem ersten der beiden Alben, haben wir feststellen müssen, dass es zwischen uns und dem Label große Kommunikationsprobleme gab. Es wurde schnell klar, dass das ein großes Problem für uns war. Deshalb entschieden wir uns die Zusammenarbeit zu beenden, was allerdings auf Grund des bestehenden Vertrages rechtlich unmöglich war.
Jedenfalls hat die ganze Prozedur, NIGHTFALL freizubekommen, über zwei Jahre gedauert. So etwas würde ich selbst meinem größten Feind nicht wünschen, denn das ist mit Sicherheit der schlimmst mögliche Fall für jede Band. Aber nun sind wir mit gutem, neuen Material wieder da und haben mit Black Lotus ein neues Label gefunden.

Stephan:
Und was war während dieser Zeit mit der Band - habt ihr trotzdem Gigs gespielt und neues Material geschrieben?

Efthimis:
Nein, wir wussten nicht, ob die neuen Kompositionen überhaupt auf ein Album kommen würden, da sich niemand in der Band über die Zukunft von NIGHTFALL im Klaren war. Auf der einen Seite hatten wir diesen Vertrag über ein weiteres Album, auf der anderen Seite sagten wir uns aber, dass wir auf keinen Fall noch etwas für diese Leute herausbringen würden. Wir wollten lieber ganz aufhören als mit ihnen weitermachen zu müssen.
Fakt ist, dass wir nicht aktiv waren, bis auf eine Ausnahme. Das war das Wacken Open Air 2001. Da dies eines der größten Festivals der Welt ist und noch keine griechische Band jemals dort gespielt hatte, sind wir wieder zusammengekommen und haben für diese eine Show zwei Monate lang geprobt. Es war eine sehr schöne Erfahrung und hat uns auch neue Stärke gegeben um zu versuchen von Holy Records loszukommen, was letztendlich die Mühe auch wert war.

Stephan:
Stimmt es, dass ihr ein neues Lineup habt?

Efthimis:
Seit unserem Debütalbum "Parade Into Centuries" (1992 - d. Verf.) haben wir immer wieder unsere Mitglieder ausgetauscht. Es ist bei uns einfach so, dass ziemlich oft neue Leute in die Band kommen und alte aufhören. Nicht unbedingt, weil sie zu anderen Bands gehen, sondern meistens, weil sie meinen alles gesehen zu haben und zufrieden mit ihrer Zeit bei NIGHTFALL waren. Aber das ist nichts, worüber man sich Gedanken machen braucht, denn das einzige, was für die Fans zählt, ist die Band NIGHTFALL, egal welche Personen dahinter stehen.

Stephan:
Kannst du mit deinen eigenen Worten beschreiben, was die Musik von NIGHTFALL so besonders macht?

Efthimis:
Ich weiß es nicht. (lacht)
Seit 1992 haben wir sechs Alben veröffentlicht plus eine Reihe von kleineren Releases und keines von ihnen gleicht einem der anderen. Das ist schon eine Leistung, finde ich, dass man die Energie fließen lässt. Auf der einen Seite kontrolliert man es zwar, aber auf der anderen Seite lässt man auch allem seinen natürlichen Lauf. Man sollte seine Inspiration nicht kommerziellen Aspekten unterordnen. Diese Art von Orientierung mag ich nicht und das ist nicht das, wofür NIGHTFALL stehen. Wenn wir etwas veröffentlichen, dann stehen wir auch hundertprozentig dahinter.

Stephan:
Ich glaube, dass man NIGHTFALL niemals Stagnation vorwerfen konnte und dass die Band sich immer weiterentwickelt hat. Auch wenn es schwierig ist, kannst du beschreiben, wie sich die Band im Laufe der Zeit musikalisch entwickelt hat?

Efthimis:
Dazu muss ich sagen, dass unsere Alben immer das widerspiegeln, was wir zu dieser Zeit machen wollten. Auf dem "Parade Into Centuries"-Album war das so genannter Doom Metal. Unser zweites Album ("Macabre Sunsets" - d. Verf.) war dann total anders, es war sehr schnell und hatte einige Black Metal-Anleihen. Das lag daran, dass unsere damaligen Melodien und Kompositionen mit schnellem Tempo besser klangen.
Man kann Musik immer auf unterschiedliche Weise spielen und dabei können auch Dinge herauskommen, die einen selbst überraschen. Man muss aber immer absolut von dem überzeugt sein, was man macht, und das war stets das Wichtigste in der Karriere von NIGHTFALL. Das gilt besonders für "Diva Futura". Wir mussten bei diesem Album einiges an Kritik wegen den Vocals und der Produktion einstecken, die nicht besonders heavy war und mehr in die Gothic-Richtung ging. Aber das war genau das, was wir machen wollten und es war sehr ermüdend, jeden davon überzeugen zu müssen.

Stephan:
Kannst du mir ein Beispiel dafür geben, um welche Dinge sich eure Lyrics drehen?

Efthimis:
Ich bin für die Lyrics verantwortlich und ich spiele eigentlich bloß mit Worten. Bestimmte Worte und Sätze sind mit bestimmten Bildern in unserem Kopf verknüpft. Wenn man ein Wort nur ein wenig variiert, verändert man damit die gesamte Bedeutung und kreiert ein künstliches Chaos. Das ist sehr interessant, denn der menschliche Verstand ist ein großer Generator von Ideen und Gefühlen. Diese lustige Spiel verknüpfe ich oft mit Geschichten aus dem antiken Griechenland.
Man kann dadurch in eine neue Welt eintauchen und einfach die Sinne baumeln lassen. Man kann es mögen oder auch nicht, aber es ist auf jeden Fall sehr interessant zu beobachten, was durch so etwas ausgelöst wird. Wir haben nichts Konkretes zu sagen und mögen es auch nicht unseren Fans durch die Musik irgendetwas aufzudiktieren, denn wir sehen unsere Fans als klug genug an ihre eigenen Ansichten zu vertreten.
Wir versuchen einfach uns in der Musik zu verwirklichen, aber gleichzeitig wollen wir auch den Geist desjenigen, der die Lyrics liest, anregen. Das ist der einzige Zweck der Lyrics. Und es ist interessant zu beobachten, was der gleiche Text für unterschiedliche Bilder und Interpretationen hervorrufen kann. Und warum sollte man das zerstören?

Stephan:
Warum habt ihr den etwas verwirrenden Titel "I Am Jesus" für diese Scheibe ausgewählt?

Efthimis:
Genau aus diesem Grund, weil er verwirrend ist. (lacht)
Es ist eine 2000 Jahre alte Geschichte und manche sind ihm (Jesus - d. Verf.) und seiner Lehre gefolgt und andere haben ihn verwünscht und für viele schlechte Dinge auf diesem Planeten verantwortlich gemacht. Das ist sehr kontrovers. Diese Philosophie ist sehr interessant, allerdings nicht aus religiöser Sicht, denn ich bin weder Christ noch Satanist. Es hat absolut nichts mit religiösen Konzepten zu tun.

Stephan:
Ihr habt erneut in Tico-Tico aufgenommen, einem kleinen und unbekannten Studio in Finnland. Warum diese Wahl?

Efthimis:
Wir haben dort schon "Lesbian Show" gemacht und dieses Album war ein Meilenstein in unserer Karriere. Es war schön an den selben Ort und zu dem selben Menschen zurückzukehren. Der Besitzer des Studios ist ein Freund von mir und ein sehr fähiger Mann. Dieses Studio passt einfach zu dem Geist von NIGHTFALL und zwischen dem Studiobesitzer und der Band stimmt die Chemie. Nachdem wir uns von Holy Records betrogen fühlten, was ein Schock über Jahre hinweg war, wollten wir einfach zu alten und loyalen Freunden zurückkehren und nicht etwas mit neuen Leuten ausprobieren. Aus diesem Grund haben wir auch bei Black Lotus unterschrieben, denn ich kenne die Leute schon seit einigen Jahren.

Stephan:
Auch wenn ihr bereits sechs Alben und drei Headliner-Touren durch Europa gemacht habt, würde ich euch nicht als so großen Namen bezeichnen, wie es nach elf Jahren eigentlich der Fall sein müsste. Was könnten Gründe dafür sein?

Efthimis:
Das stimmt. Der Grund ist einfach und wir kennen ihn seit unseren Anfangstagen. Wenn man eine populäre Band werden will, dann muss man sich selbst wiederholen um sich nach und nach bei seinem Zielpublikum zu etablieren. Wenn die Alben gut sind, dann bekommt man auf diese Weise immer mehr Fans. Aber ist sehr langweilig immer wieder das selbe zu machen. Ich wollte nie von der Musik leben, ich wollte an der Sache Freude haben. Wenn es reines Business wird, dann wird es, zumindest für mich, todlangweilig. Wir sind keine kommerziell erfolgreiche Band, aber als kleine künstlerische Gemeinschaft empfinde ich uns als sehr erfolgreich.

Stephan:
Und wie ist es in Griechenland? Habt ihr dort eine größere Fanschar?

Efthimis:
Ja, das schon, aber es ist insgesamt nur ein sehr kleiner Markt. Im Gegensatz dazu ist Deutschland der größte europäische Markt, deshalb sind die Verhältnisse natürlich total verschieden. Wenn man in Deutschland eine top-selling-Band ist, dann ist man das automatisch auf der ganzen Welt, aber das gilt natürlich nicht für eine Band, die lediglich in Griechenland viele Platten verkauft.

Stephan:
Werdet ihr in näherer Zukunft in Deutschland auf Tour kommen?

Efthimis:
Ja, wir versuchen das zu arrangieren. Vermutlich wird es im Oktober, allerdings ist bis jetzt noch nichts bestätigt, aber wir arbeiten daran. Unsere neue Plattenfirma will einiges in Deutschland organisieren. Unser altes Label, welches ja aus Frankreich kam, war nicht gerade freundlich gegenüber Deutschland eingestellt und das ist noch sehr höflich ausgedrückt. Wir wollten eigentlich immer sehr gerne in Deutschland auftreten, aber in unserer gesamten Karriere haben wir nur in fünf oder sechs deutschen Städten gespielt, was sehr wenig ist.

Stephan:
Lass uns nochmal zu eurem Wacken-Gig zurückkehren. Warst du zufrieden mit eurem Auftritt und wie denkst du allgemein über dieses Festival?

Efthimis:
Es war ein großartiges Festival und eine tolle Erfahrung für uns. Es hat uns gezeigt, dass wir doch einen recht guten Ruf in der europäischen Szene haben, denn anders ist es nicht zu erklären, dass zu uns so viele Zuschauer kamen ohne dass wir eine aktuelle Platte draußen haben. Es war fantastisch und hat einen starken Eindruck bei uns hinterlassen.

Stephan:
Wenn du die elf Jahre NIGHTFALL Revue passieren lässt, was war der wichtigste Moment in eurer Karriere? War das vielleicht jener Wacken-Gig?

Efthimis:
Nicht unbedingt. Es war Ende 1991, als wir unser erstes Demotape rausbrachten und uns daraufhin ein Label unter Vertrag nehmen wollte. Das war für uns junge Kerle natürlich großartig, da überhaupt keine griechische Metalband zu dieser Zeit einen Plattenvertrag hatte. Daraufhin haben wir unterschrieben und unser erstes Album rausgebracht. Das war ein unglaublicher Augenblick für uns. 1994 haben wir dann unsere erste Tour gemacht, das war auch damit vergleichbar. Solche Momente sind es, die in Erinnerung bleiben. Das können ganz einfache Sachen sein, z.B. interessante Leute, mit denen man zusammenarbeitet, oder wenn man ein gutes Feedback bekommt.

Stephan:
Würdest da sagen, dass NIGHTFALL für dich persönlich der Mittelpunkt deines Lebens ist?

Efthimis:
Es spiegelt mein gesamtes Ich wider und ist etwas, womit ich mich verwirklichen kann. Ich will etwas aufbauen, dass alle meine Gefühle, meine Träume und mein sich veränderndes Inneres reflektiert. Außerdem finde ich darin eine Stütze für mein Leben und meinen Alltag. Aus diesem Grund habe ich mich auch nie besonders um die kommerzielle Seite der Band geschert.

Stephan:
Okay, das war es von meiner Seite. Willst du den deutschen Metalfans noch etwas mit auf den Weg geben?

Efthimis:
Ich hoffe, euch alle recht bald zu sehen. Es sollte irgendwann im Herbst klappen, dass wir nach Deutschland kommen. Und natürlich möchte ich mich bei dir für das Interview bedanken.
(sagt auf deutsch) Auf Wiedersehen!

Stephan:
Ich bedanke mich ebenfalls für das interessante Gespräch.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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