MYSTIC CIRCLE: Interview mit Ezpharess

01.01.1970 | 01:00

Eine Überraschung kommt selten allein: Nachdem das neue MYSTIC CIRCLE-Album „The Great Beast" schon sehr positiv auffiel, stellte sich mein Gesprächspartner, Gitarrero Ezpharess, als supersympathischer Mensch heraus. Fast anderthalb Stunden dauerte das Gespräch, hier sind allerdings nur die für den Leser relevanten Teile des Interviews aufgeführt:

Rouven: Na, die No Mercy-Festivals gut überstanden?

Ezpharess: (stark verschnupft) Ja, das war eine echt heftige Tour! Fünf Wochen lang, einunddreißig Gigs - das war anstrengend! In Antwerpen haben wir vor 1.600 Leuten gespielt, das war mit Abstand das geilste Konzert. Leider war nicht annähernd so viel los wie letztes Jahr, aber da war das Billing auch deutlich stärker.

Rouven: Und wie kamen MYSTIC CIRCLE beim Publikum an? Jetzt konntet ihr ja endlich mal musikalisch überzeugen und hattet keine überzogene Show oder Ähnliches nötig...

Ezpharess: Wir kamen echt gut an. Ich denke mal, viele werden - wie du ja auch von unserem Album - positiv überrascht gewesen sein. In Berlin, wo die meisten unserer „Kritiker" sind, bekamen wir diesmal sogar Zugabe-Rufe. Das ist der Lohn für eine ehrliche Show, die wir jetzt geboten haben. Früher sah das leider anders aus...

Rouven: Wie kam’s denn eigentlich überhaupt zu der deutlichen qualitativen Steigerung? Und zu der Tatsache, dass MYSTIC CIRCLE endlich mal ein eigenes Gesicht haben, stilistisch gesehen?

Ezpharess: Das hat wohl Hauptsächlich mit dem Weggang von Aaarrrgon, einem unserer Gründungsmitglieder zu tun. Er wollte immer „True Black Metal" spielen, sogar irgendwann mal die Keyboards weglassen. Und das hiesse auf der einen Seite, weiterhin Corpsepaint aufzutragen und mehr oder weniger lächerliche Shows aufzufahren, und auf der anderen Seite, dass man stilistisch so gut wie gar nicht eigenständig sein kann.
Auf „The Great Beast" war ich alleine für die Gitarrenarbeit zuständig, und das hat der ganzen Sache einen deutlichen „klassischen" Heavy Metal-Touch gegeben. Unser neues Album klingt grob gesagt wie eine Mischung aus Death-Gesang, Headbanger-Riffs und einem Keyboardteppich. Und da das mit typischem Black Metal nichts mehr zu tun hat, entschieden wir uns für die Bezeichnung „Dark Satanic Metal", Beelzebub (Sänger / Bassist - d. Verf.) verwendet ja immer noch satanische Texte.

Rouven: Seid ihr mit dem Album zufrieden, oder gibt’s was, was man in deinen Augen noch verbessern könnte? Und soweit ich das sehe, gab’s durch die Bank weg gute bis sehr gute Bewertungen in der Presse.

Ezpharess: Ja, das stimmt. Ich habe noch kein wirklich schlechtes Review gelesen, aber das ist auch nicht so wichtig. Wenn das Rock Hard unsere Platte jetzt zerissen hätte, wär’ mir das auch egal gewesen.
Zum Album: Ich bin das erste Mal richtig zufrieden mit der Gitarrenproduktion! Endlich hört man mal das Riffing und die einzelnen Anschläge, es ist nicht alles von den Keys zugekleistert. Und ich denke, dass wir jetzt auch musikalisch schon internationales Niveau erreicht haben.

Rouven: Dem kann ich nur zustimmen - im Düstermetallbereich haben MYSTIC CIRCLE nun endlich Fuß fassen können und brauchen auch Vergleiche mit „Größeren" nicht zu scheuen.
Seid ihr mit eurer neuen Plattenfirma, Massacre Records, zufrieden? Das dürfte ja alles deutlich professioneller laufen als bei Last Episode, schätz’ ich mal...

Ezpharess: Das auf jeden Fall! Man merkt schon einen deutlichen Unterschied. Im Großen und Ganzen bin ich mit Massacre auch zufrieden, und ich glaube, es gibt kaum eine Band, die wirklich hundertprozentig mit ihrem Label zufrieden ist. Was uns besonders entgegenkommt, ist, dass wir jetzt endlich die Plattenverkäufe auch genau im Auge haben, das Ganze besser kontrollieren können, als es bei Last Episode der Fall war. Da gingen sicherlich einige Einnahmen in die eigene Tasche, aber was willst du bei ‘nem Mailorder-Vertrieb machen - die kannst du kaum kontrollieren.

Rouven: Laut dem Flyer von Massacre seid ihr schon für einige Sommerfestivals gebucht und bestreitet eine Co-Headlinertour im Herbst?

Ezpharess: Echt, sind wir? Cool, davon wusst ich noch gar nichts (lacht). Naja, wir wollten mal schauen, ob wir vielleicht beim Wacken Open Air und eventuell beim Summer Breeze ins Billing kommen können.
Und zur Tour im Herbst: Entweder gehen wir mit DARK FUNERAL zusammen auf Tour (Juhu! Das dürfte dann der Wettstreit der absoluten Bassvirtuosen werden, Beelzebub gegen Caligula, wer zupft die Viertel langsamer? -d. Verf.), oder wir werden eine Headlinertour starten. Mal schauen...

Rouven: Dann hätte ich gerne mal einen Kommentar zur deutschen Black Metal-Szene von dir gehört...

Ezpharess: Auweia. ISEGRIM kennst du? Da spielt Aaarrrgon jetzt, das solltest lieber du kommentieren (Was ich mit einem Lachen auch tat - d. Verf.). Ansonsten fallen mir spontan noch die DUNKELGRAFEN und EMINENZ ein...oder DESASTER - und das würde ich vom Auftreten her eher als lächerlich bezeichnen. Ich weiss, dass wir früher genauso waren, aber wir haben mittlerweile diese dämlichen Shows abgelegt, zum Glück! Ansonsten muss man zu der Szene leider sagen, dass die Leute verdammt intolerant sind. NAGAROTH (BM-Band aus den neuen Bundesländern - d. Verf.) haben zum Beispiel Anti-MYSTIC CIRCLE-Shirts auf den Markt gebracht. Und auch wenn es uns jetzt direkt betrifft, sowas hätte es in der Szene in den ‘80ern nicht gegeben. Damals war Metal einfach Metal, egal welche Richtung, zumindest mehr als heutzutage. Und wenn man dann noch die rechtsradikalen Tendenzen innerhalb der Szene sieht, insbesondere im Osten, dann ist das schon mehr als traurig. Diese Leute sind dermaßen unerfahren und naiv, und doch tut keiner was...das ist schon ein Armutszeugnis für die Szene.

Rouven: Die nächste Frage muss sich jede Black Metal-Band von mir anhören - seid ihr überzeugte Satanisten, ist das ganze nur Show für euch oder wolltet ihr in Deutschland das umgedrehte Kreuz hochhalten, wie es DARK FUNERAL und Konsorten in Skandinavien tun?

Ezpharess: Unsere Texte sind keinesfalls ernstgemeint. Das ist noch nicht mal Klischée, sondern Image. Hey, Metal ist Showbusiness, und dementsprechend treten wir auf. Früher haben Bands wie DESTRUCTION, KREATOR oder gerade SLAYER mit diesem Image Riesenerfolge gehabt, später dann VENOM als erste Black Metaller. In gewissem Sinne ist unser Auftreten auch eine Hommage an diese Combos.
Und zum Satanismus noch: Ich persönlich sehe das Ganze eher als Philosophie, was weniger mit ausgeübter Religion zu tun hat (Richtig... - d. Verf.), ich spreche hier nicht von irgendwelchen obskuren Sekten oder fehlgeleiteten Jugendlichen, die meinen, sie wären evil, wenn sie Hühner schlachten und dabei umgedrehte Kreuze in den Sand malen, sondern eher das, was Aleister Crowley oder Anton La Vey gesagt und geschrieben haben. Ohne jetzt danach leben zu wollen, aber alleine schon die Tatsache, sich damit auseinanderzusetzen, es zu verstehen, ist sehr interessant.

Rouven: Wie schaut’s denn mit der Zukunftsplanung aus? Schon ‘ne Ahnnung bezüglich des nächsten Albums?

Ezpharess: Ja, ein paar Songs haben wir schon. Das Ganze dürfte etwas schneller und härter ausfallen, aber im Großen und Ganzen auf der stilistischen Schiene von „The Great Beast" weiterlaufen.

Rouven: Hast du momentan ne Top 5?

Ezpharess: Hmm...aber nicht lachen, ist eher untypisch für Black Metal. Und nein, die neue DIMMU hab ich mir noch nicht angehört!
1. Motörhead - We Are Motörhead
2. Krokus - Hardware
3. Slayer - Show No Mercy
4. Witchery - Dead, Hot & Ready
5. Pretty Maids - Red, Hot & Heavy

Rouven: Und last, but not least, ein kurzes Statement zum Internet und mp3s...

Ezpharess: Hm, ich stehe der Sache ziemlich positiv gegenüber. Auf unserer Homepage kann man einen Song vom neuen Album runterladen, das kommt ja auf dasselbe raus, wie ein Sampler-Beitrag auf der neuen RockHard-CD. Was ich bei der ganzen Sache verurteile, ist der Verlust, der für den Künstler entsteht, dass er keinen Lohn für seine Arbeit sieht. Wobei es meistens aber die Plattenfirmen sein dürften, die Verluste machen, und die können sich das leisten. Sagen wir mal, 60% dagegen, 40% dafür. Wobei ich mir selbst früher fast alles auf Tape aufgenommen habe, und das ist nichts anderes als das CD-Brennen von heute...

Rouven: Dann besten Dank für das Interview - noch einen abschliessenden Satz an unsere Leser?

Ezpharess: Stay black, stay Metal - und vor allem: seid tolerant!

Redakteur:
Rouven Dorn

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