MISERY SPEAKS: Interview mit Martin

26.01.2008 | 19:35

Im Rahmen der "Darkness Over X-Mas"-Tour ergab sich die Gelegenheit für ein Schwätzchen mit MISERY SPEAKS-Basser Martin, welcher freundlich beim Bierchen Auskunft über die neue Scheibe "Catalogue Of Carnage", seine Heimatstadt Münster und über alte Helden gab. Ab dafür!

Enrico:
Ihr veröffentlicht mit "Catalogue Of Carnage" eure erste Scheibe auf Drakkar. Wie kam es zu dem Wechsel, immerhin habt ihr auf Alveran Records gerade erst ein Album veröffentlicht.

Martin:
Bei Alveran hatten wir das Gefühl, dass sie nicht mehr die Möglichkeiten hatten, uns zu pushen. Was sie gemacht haben für die Band in allen Ehren, sie haben wirklich viel für uns getan, aber trotzdem wollten wir weg. Wir sind dann eher aus Zufall bei Drakkar gelandet. Als wir mit den Jungs von THE SORROW gespielt haben, welche bei Drakkar unter Verrag stehen, haben wir uns eben auch über die Plattenfirmen unterhalten, worauf wir uns entschieden, mal was hinzuschicken. Einen Tag später rief dann Marius von Drakkar an und hatte ein Angebot für uns parat. Logischerweise haben wir natürlich sofort zugegriffen.

Enrico:
Habt ihr einen gewissen Druck gespürt durch das größere Label bzw. was hat sich durch den Wechsel zu Drakkar geändert?

Martin:
Was sich auf jeden Fall geändert hat, ist die Außendarstellung - Pressefotos, CD-Layout und dergleichen. Bei Alveran war es alles mehr in Eigenregie, jetzt bei Drakkar ist da natürlich ein ganz anderes Niveau. Es ist schon eine Umstellung, welche jedoch viel Spaß macht. Wir haben uns lange mit den Jungs von Drakkar unterhalten, über das was sie vorhaben zu verkaufen, was das Ziel wäre. Richtigen Druck verspür ich jetzt nicht, eher Freude bei einem Label sein zu können, welches zu den traditionellsten deutschen Metallabels gehört.

Enrico:
Also musikalisch wurde da nix reingeredet?

Martin:
Auf keinen Fall. Das Album stand vorher schon, es war also fertig und wir sind damit auf Suche gegangen. Marius von Drakkar hörte es sich an und fand es auf Anhieb super. Wir mussten daher nicht noch einen extra Refrain hinzuaddieren, eine neuen Melodie, oder Frauenstimmen oder was es da sonst noch gibt.

Enrico:
An sich schwimmt ihr ja schon auch ein wenig gegen den Trend. Metalcore verkauft sich offensichtlich wie geschnitten Brot, doch ihr haust eher auf traditionellen Death-Metal-Spuren. Man könnte ja auf Nummer sicher gehen und einfach klare Stimmen in die Refrains einbauen - den Kids und dem Geldbeutel könnte es gefallen.

Martin:
Also ich persönlich stehe auf so einen Sound gar nicht. Ich komm eher aus der Old School Thrash-Ecke. Die anderen der Band begeistern sich auch weniger für diese typische grunzen-clean-grunzen-clean-Struktur. Wir haben auch nicht vor unsere Schiene zu ändern, sondern führen unseren Sound fort, den wir schon vor zehn Jahren gespielt haben. Orientierung an aktuellen Trends liegt uns fern. Wir hoffen auch so Erfolg zu haben bzw. die Leute anzusprechen. Mir ist es im Endeffekt persönlich egal, wer da schließlich vor der Bühne steht. Jedoch je mehr Headbanger, umso besser.

Enrico:
Klar, am Ende ist es ja egal, wer die CDs kauft.

Martin:
Auf jeden Fall, aber für mich persönlich ist es immer am schönsten, wenn wir eine reine Metalshow spielen können.

Enrico:
Auf eurer MySpace-Seite steht unter der Feld "klingt wie" geschrieben: "thousands of vikings running down the bloody battlefield !!!" Wie klingt das denn?

Martin:
Uff, die Frage hat mir jetzt wohl unser Gitarrist eingebrockt. Es klingt auf jeden Fall sehr heroisch, brachial und hat viel mit Blutvergießen zu tun. Wo die alle hinrennen, weiß ich auch nicht ganz genau.

Enrico:
Ihr habt euer Album ja nun mit dem Titel "Catalogue Of Carnage" bezeichnet? Was wird in solch einem Katalog angeboten?

Martin:
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich mit den Texten nicht so stark befasst habe. Soviel ich weiß, versucht Klaus viele persönliche Themen in die Texte aufzunehmen, ohne jedoch über seine Exfreundin oder solche Sachen zu singen. Richtig Plan hab ich aber nicht, da ich mich lieber auf meinen Bass konzentriere.

Enrico:
Ich finde, dass ihr auf eurem Album, neben der obligatorischen Härte, auch vermehrt Platz für melodische Parts eingeräumt habt.

Martin:
Die Band hatte an sich schon immer den Hang zu einer Mischung aus derbstem Geknüppel und leicht kitschigen Melodien, was somit natürlich einen kleinen Kontrast darstellen soll, eben von Blastbeats bis zu Kindermelodien. Wenn man das dann nicht übertreibt, mit Frauengesang, Geigen usw. ist das schon eine gute Mischung, mit der ich mich voll identifizieren kann. Wer Propellerbangen will, hat seine Blastbeats und die Fistbanger können auch mitsingen. Daher macht so ein schöner Refrain schon was her.

Enrico:
Stimmt, man will ja auch die alten Kuttenträger irgendwo erfreuen.

Martin:
Logo, in letzter Zeit haben wir vermehrt Metalshows gespielt. Früher waren wir viel mit HEAVEN SHALL BURN, NEAERA und Konsorten unterwegs und da hast du einfach ein anderes Publikum. Trotzdem freut man sich, wenn die Akzeptanz da ist und du somit auch ein etwas anderes Publikum ansprichst.

Enrico:
Warum scheint Münster ein gutes Pflaster zu sein, was den Metal-Nachwuchs angeht? Die angesprochenen NEAERA kommen ja auch von dort. Ist die Stadt besonders langweilig oder was gibt den Ausschlag?

Martin:
Tja, vielleicht ist da auch besonders viel los. Viele Gruppen haben sich im Umfeld von Münster gegründet, wobei vieles dann auch wieder im Sande verläuft. NEAERA, mit denen wir uns den Proberaum teilen, ist dann das erste dicke Ding geworden. MISERY SPEAKS kam dann jetzt ein bisschen später. Aber woran das jetzt liegt? Zumindest wurde Münster ja zur lebenswertesten Stadt der Welt erklärt. Vielleicht liegt es ja an der schönen Umgebung: Im Sommer am Kanal sitzen, Grillen, eventuell hat das ja was damit zu tun.

Enrico:
Dann müsstet ihr doch "schöne-Welt-Musik" machen?

Martin:
Aber man muss ja wieder in den stinkigen Proberaum, und dieser Kontrast gibt dann möglicherweise den Ausschlag.

Enrico:
Wie sieht die Metal-Szene dort aus?

Martin:
Die Szene ist mit Herzblut dabei, schon seit vielen, vielen Jahren. Die unterschiedlichsten Stile werden probiert, bis man schließlich gefunden hat, was am besten passt und wo man am meisten dahinter steht. Diese Erfahrung und diese Liebe zur Musik hört man der Musik auch an. Irgendwann trägt die Energie, die man investiert, eben auch Früchte.

Enrico:
Mit welchem Produzenten habt ihr bei der neuen Scheibe zusammengearbeitet?

Martin:
Wir haben zusammengearbeitet mit Alexander Dietz, im "Rape Of Harmony", das liegt irgendwo im Osten. Kann man das so sagen?

Enrico:
Klar, ist ja lediglich eine Himmelsrichtung.

Martin:
Eben. Dort haben wir schon die erste CD produziert. Zum finalen Abmischen und Mastern konnten wir Dan Swanö von EDGE OF SANITY gewinnen. Er ist natürlich ein dicker Name, den wir da im Boot haben. Er hat den Sound noch mal richtig schön verfeinert. Wir produzierten die Scheibe somit zunächst im "Rape Of Harmony", um sie anschließend nach Schweden zu Dan zu schicken. Er verfeinerte alles noch ein wenig und hat diesmal sogar noch seine Stimme, das Outro zum letzten Song und diverse Keyboardharmonien beigesteuert. Die Zusammenarbeit mit Dan, als auch mit "Rape Of Harmony" lief wirklich super.

Enrico:
Wo liegt's denn nun genau, das "Rape Of Harmony"?

Martin:
Ui... (nach einiger Zeit erfahren wir, dass es wohl in Thüringen liegt - Anm. des Verfassers)

Enrico:
Wie seid ihr an Dan Swanö rangekommen?

Martin:
Unser Manager, welcher auch bei Century Media arbeitet, hat da einige Kontakte und hat das Ganze dann angeleiert. Wir fanden das total stark, vor allem da Dan lange Zeit im Bereich des Death Metals nichts mehr gemacht hat und unsere Musik wirklich super fand. Da Dan mit uns erneut zusammenarbeiten wollte, zeigt uns ja auch, dass er damit wohl zufrieden war und ist.

Enrico:
Welcher ist dein Lieblingssong auf der neuen Scheibe?

Martin:
Mhh, vielleicht der letzte, 'Fall Of Envy', den hab ich nämlich geschrieben. Aber ich glaube im Moment gefällt mir 'Lay This Burden Down' am besten, u.a. weil Dan Swanö auf diesem Song eben auch mitsingt. Der Song zeichnet sich durch eine schöne fröhliche Melodie aus und lädt somit bestens zum Mitsingen ein.

Enrico:
Haben sich schon die neuen Songs in die Setlist eingeschlichen?

Martin:
Natürlich, bei der aktuellen Tour sind es wohl 'Sentiment Is Missing' und 'To My Enemies', beide auch auf der Myspace-Seite verfügbar.

Enrico:
Wie schaut es mit einem schicken Video aus?

Martin:
Ende Januar soll zu 'Engraved In Stone' ein Clip erscheinen, was dann passend zum Release der Scheibe veröffentlicht werden soll und auf unserer Homepage online gestellt wird. Eigentlich hatten wir ursprünglich vorgehabt, den Clip auf CD zu packen, aber irgendwann machte uns die Zeit einen Strich durch die Rechnung.

Enrico:
Und was wird inhaltlich geboten werden?

Martin:
Es werden auf jeden Fall Zombies drin vorkommen, die irgendwas anprangern. Was genau, dass steht noch nicht fest. Wir arbeiten mit einem Regisseur zusammen, der sich bisher durch die Arbeit an Kurzfilmen auszeichnen konnte. Wir schreiben das Drehbuch und hoffen es im Januar abdrehen zu können. Es soll kein Musikvideo im herkömmlichen Sinne sein, sondern wir hoffen, eine Art Kurzfilm zu produzieren, mit einer Länge von zehn Minuten. Der Song soll irgendwann ausgeblendet werden, eine Zwischengeschichte erfolgt, bis es am Ende mit dem Song weitergeht.

Enrico:
Wo siehst du jetzt die größten Unterschiede des neuen Albums im Vergleich zum Vorgänger?

Martin:
Es ist einfach besser. Der größte Unterschied ist schon, dass die Songs alle ein bisschen homogener und durchdachter sind. Es ging nicht mehr nur darum, möglichst brutal zu spielen, sondern mehr auf die Details zu achten. Das Album wirkt insgesamt abwechslungsreicher. Bei der ersten Scheibe gab es schon ein paar Songs, die man locker wegskippen konnte, weil man diesen oder jenen Track schon vorher in der Art gehört hat. Bei der neuen Scheibe wird keiner drum herum kommen, sich das ganze Ding am Stück anzuhören. Es steckt einfach mehr Arbeit drin. Die Stimme von Klaus ist wesentlich geiler und noch tiefer geworden, die Gitarristen sind besser, der Bass ist jedoch noch genauso scheiße.

Enrico:
Wie kam es zu deinem Einstieg?

Martin:
Mein Vorgänger Pascal war auch nicht so lange bei der Band, da er noch eine andere Band hatte, so eine Schweinerock-Combo. Darauf wollt er sich dann eher konzentrieren, was den Ausstieg bei MISERY SPEAKS zur Folge hatte. Da ich die Jungs kannte, habe ich sie einfach gefragt, ob es nicht möglich wäre, einfach mal mitzuspielen, auch um zu schauen, ob es mir überhaupt gefällt. Eine Woche später haben wir dann den Deal mit Alveran Records bekommen, so dass ich mich quasi ins gemachte Nest gesetzt hab.

Enrico:
Wie hat sich denn durch deinen Einstieg die Band verbessert?

Martin:
Ganz gemeine Frage... Mhh, dadurch, dass der vorherige Bassist, wie der Rest der Band, aus der Schwedenecke kam bzw. kommt, denke ich, dass ich ein wenig Oldschool-Mentalität reingebracht habe. Vorher fanden alle das Schwedenzeug gut, was bis auf wenige Ausnahmen nicht mein Ding ist. Jetzt kommen einfach mehr Einflüsse zusammen, was an sich nur von Vorteil sein kann. Alle peilen das gleiche Ziel an, bringen jedoch unterschiedliche Einflüsse mit. Dies ist auch wichtig, um die Songs auch aus unterschiedlichen Blickrichtungen betrachten zu können. Wir ergänzen uns somit hervorragend. Wenn die Jungs meine Ideen für ein wenig altbacken halten, legen wir eben noch ein Schwedenriff drauf, so dass es sich schlussendlich wunderbar ergänzt, und das hört man auch auf der Scheibe.

Enrico:
Also Demokratie wird groß geschrieben?

Martin:
Auf jeden Fall. Klaus macht nur die Texte, die musikalischen Elemente kommen vom Rest der Band. Jeder bringt seine Ideen mit, aus denen wir dann im Proberaum die Songs zusammenbasteln. Manchmal geht es schneller, manchmal weniger.

Enrico:
Wie schnell läuft es von der ersten Idee bis zum finalen Song?

Martin:
Manchmal geht's wirklich schnell, man trifft sich, probt und nach vier, fünf Stunden steht der fertige Song. Andere schiebt man immer so vor sich her, an denen man dann kontinuierlich weiterbastelt.

Enrico:
Wie schaut es mit Tourplänen aus?

Martin:
Wir werden Februar/März mit THE SORROW und GRANTIG durch Deutschland, Schweiz und Österreich tingeln. Dabei werden wir uns mit THE SORROW als Headliner abwechseln. Wir freuen uns alle tierisch drauf, endlich so eine Tour absolvieren zu dürfen.

Enrico:
Wie wichtig sind für euch die Live-Erfahrungen?

Martin:
Also, ich persönlich hab nur angefangen Musik zu machen, um live auf der Bühne zu stehen. Ich hab irgendwann GUNS N' ROSES live spielen gesehen...

Enrico:
Richtig live???

Martin:
Na ja, leider nur auf Video. Aber wenn man sieht, wie die auf der Bühne stehen und voll fett abposen und die Zuschauer, die ganzen Mädels, ausflippen. Auf der Bühne zu stehen, das ist schon das Geilste. Nach 40-50 Minuten geht man runter und hat nicht mehr so wirklich auf dem Schirm, was da eben so abging. Diese Erfahrungen sind schon mit das Schönste, was man im Leben machen kann, neben diversen anderen Dingen.

Enrico:
Bekommt man beim Livegig eigentlich die Reaktion der Fans mit oder konzentriert man sich nur aufs Instrument?

Martin:
Man bekommt das schon mit, vielleicht nicht den einzelnen Fan, aber die Stimmung im Ganzen schon, ob es jetzt mau ist oder ob sie abgehen. Und das legt sich dann natürlich auch auf das eigene Gemüt und beeinflusst die Stimmung auf der Bühne.

Enrico:
Wo seht ihr euch denn in fünf oder zehn Jahren?

Martin:
Dort wo GUNS N' ROSES vor 20 Jahren waren. Ich hoffe mal, dass wir zu einer eigenen Institution werden, Stadien füllen und mit eigenem Hubschrauber zum Gig geflogen werden. Mal ernsthaft, es ist jetzt schon schwierig den Beruf und das private Leben mit der Band unter einen Hut zu bekommen. Wir sind ja jetzt auch keine 23 mehr. Da muss man schauen, dass man alles unter Kontrolle bekommt. Gerade da die Musik nicht der Beruf ist, bekommt es so eine gefährliche Semi-Professionalität. Man ist ständig auf der Suche nach dem Mittelweg, dass man einerseits sein Butterbrot bepacken kann, aber am Wochenende auch auf Tour fährt. Daher sind die Touren auch toll, da man eine Woche lang keine Ausgaben hat. Andererseits kann aber auch kein Geld verdienen. Da sind so die negativen Momente, weil man sich oft Gedanken machen muss, wie man sein Leben neben der Band plant. Einen richtigen Berufseinsteig kannst du nicht eingehen. Wenn spontan eine Touranfrage kommt, mit DOG EAT DOG oder so, dann musst du natürlich sagen, klar wir fahren mit. Wenn jetzt aber drei Leute arbeiten und die frei nehmen müssen, wird das schon zum Problem. Das geht auch schon los, wenn man Freitag spielt. Die wenigsten Konzerte sind in der Gegend, somit musst du Mittags um zwölf losfahren. Da müsstest du alle drei Wochen fragen, ob du mal frei nehmen kannst, das funktioniert nicht. Das ist echt das Schwierigste an der Sache.
Wo ich in fünf oder zehn Jahren sein werde? Ich hoffe zunächst mal, dass man da noch nicht als Opa verschrien wird. Ob man da immer noch dieselbe Band hat oder mit einer dicken Plauze rumläuft und Blues macht, wird man sehen. Natürlich hoffen wir, die Erfolge ausbauen zu können.

Enrico:
Wie empfand das euer familiärer Anhang, als ihr ihnen berichten musstet, wo ihr euch über Weihnachten rumtreibt?

Martin:
Ach, meine Familie unterstützt mich da schon so gut wie es geht. Heilig Abend wurde mit der Familie gefeiert, natürlich wäre ich auch etwas länger zu Hause geblieben, aber wenn der Metal ruft, dann sind wir da.

Redakteur:
Enrico Ahlig

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