MADDER MORTEM: Interview mit Agnete M. Kirkevaag

01.01.1970 | 01:00

MADDER MORTEM, die bislang drei Alben (1997 "Mercury", 2001 "All Flesh Is Grass" und 2002 "Deadlands") und eine EP ("Misty Sleep", 1997) verbrochen haben, durften zusammen mit der schwedischen Ausnahmeband OPETH auf Tour gehen ( Konzertbericht ) und ihre ebenso ungewöhnliche wie erstklassige Musik vorstellen. Ich hatte vor dem Auftritt die Gelegenheit, die sympathische Sängerin Agnete M. Kirkevaag mit Fragen zu löchern.


Stephan:
Euer neues Album "Deadlands" ist nun schon seit einer Weile draußen. Wenn du mit ein wenig Distanz darauf zurückblickst, wie denkst du jetzt über es und was hätte man vielleicht noch verbessern können?

Agnete:
Musikalisch bin ich immer noch hundertprozentig damit zufrieden. Ich liebe die Songs und wie sie wirken. Aber es wird immer kleine produktionstechnische Details geben, die verbesserungswürdig sind, besonders da wir nur ein sehr limitiertes Budget hatten. Aber das sind Kleinigkeiten, die wahrscheinlich niemand außer uns hört.

Stephan:
Es ist offensichtlich, dass deine sehr vielseitigen Vocals einen großen Teil von MADDER MORTEM ausmachen. Nimmst du eigentlich Gesangsunterricht?

Agnete:
Nein. Ich hatte lediglich mal ein "basical training", aber ich habe schon viel eher begonnen zu singen. Ich singe mit einer Technik, die die klassischen Gesangslehrer hassen würden. Ich drücke den Teil meiner Stimme, der aus der Brust kommt, nach oben und die Kopfstimme nach unten. (demonstriert es) Es macht Spaß, denn es passt sehr gut zu Metal, aber es ist technisch nicht korrekt. (lacht)

Stephan:
Wenn du im Studio etwas einsingst, versucht du dann manches spontan zu variieren und verschiedene Sachen auszuprobieren?

Agnete:
Eigentlich nicht. Das würde sicher Spaß machen, aber da wir nur sehr wenig Zeit im Studio hatten, musste alles schon sehr genau vorbereitet sein. Normalerweise arbeiten wir immer sehr lange an Songs und wie der Gesang klingt und machen bereits eine Pre-production zu Hause. Im Studio ist es dann ziemlich klar, wie alles klingen wird. Es gibt immer kleinere Veränderungen im Gefühl und in der Aussprache, aber das Meiste ist schon vorher geplant.

Stephan:
Welche Anforderungen stellst du an dich und deine Musik, um damit zufrieden zu sein?

Agnete:
Ich weiß nicht. Wenn ich es mache, dann mag ich es auch. Ich denke, ich achte einfach auf Ehrlichkeit. Dass ich etwas mache, was ich wirklich so meine und was aus dem Herzen kommt. Das ist eine sehr wichtige Sache für mich. Außerdem mag ich Musik, die auch ein paar Ansprüche stellt. Etwas, was man nicht unbedingt gleich beim ersten Hören erfasst, sodass man sich intensiver mit der Musik beschäftigen muss.

Stephan:
Macht ihr eigentlich bewusst andere Musik als die meisten Bands oder kommt das ganz von selbst?

Agnete:
Das ist mit Sicherheit eine ganz natürliche Sache. Ich denke, das kommt daher, dass wir uns nicht um Genres oder verschiedene Stile kümmern. Wir machen die Musik einfach nach dem Gefühl. Außerdem hören wir eine Menge unterschiedlicher Musik. Und wir mögen es, die Verrückten vom Lande zu sein, deren Musik ein bisschen seltsam ist. (lacht)

Stephan:
Ist es wichtig für euch, euren Stil von Album zu Album ein bisschen zu verändern?

Agnete:
Eigentlich schon. Es ist zwar nichts, über das wir großartig nachdenken. Aber wenn man ein Album fertiggestellt hat, dann hat man mit dem Kapitel irgendwie abgeschlossen und dann will man schon mal etwas anderes probieren und sich einfach auch als Musiker weiterentwickeln. Ich würde es zudem als ein Alarmsignal betrachten, wenn wir zu ähnliche Platten machen würden.

Stephan:
Wäre es schlimm für dich, wenn jemand zu dir sagen würde, dein neues Album klingt genauso wie deine letzte Scheibe?

Agnete:
Nein, es steht der letzten Scheibe viel näher, als das zwischen "All Flesh Is Grass" und "Mercury" der Fall war. Wenn Leute so denken, dann können sie das ruhig sagen. Wichtig ist, dass ich fühle, etwas Anderes, etwas Neues gemacht zu haben und mich weiterentwickelt habe.

Stephan:
Ich kenne "Mercury" zwar nicht, aber ich würde sagen, dass "Deadlands" harmonischer und melodischer ist als "All Flesh Is Grass", welches auf der anderen Seite aber härter ist als die neue Scheibe. Kann man das so sagen?

Agnete:
Ja, ich denke schon. "All Flesh Is Grass" ist aggressiver und gradliniger, aber auf "Deadlands" haben wir mehr Groove und mehr Bewegung drin. Ja, da stimme ich dir zu.

Stephan:
Glaubst du, dass euer nächstes Album in eine komplett andere Richtung gehen wird?

Agnete:
Das ist eine schwierige Frage, denn wir haben noch nicht richtig mit dem neuen Album angefangen, wir haben lediglich ein paar Ideen herumschwirren. Wir haben noch keine Songs geschrieben. Aber ich denke schon, dass es ein bisschen anders werden wird, aber ich weiß noch nicht, wie sehr. Es könnte meilenweit entfernt sein oder auch bloß einen kleinen, natürlichen Schritt weiter gehen.

Stephan:
Wann kann man ungefähr mit dem Album rechnen?

Agnete:
Wir hoffen, dass wir im Oktober mit den Aufnahmen beginnen können, aber das hängt davon ab, wie wir mit dem Songwriting vorankommen, wenn wir uns nach der Tour zusammensetzen.

Stephan:
Warst du auf "Deadlands" erneut allein für das Songwriting verantwortlich?

Agnete:
Auf "All Flesh Is Grass" war es so, dass BP (M. Kirkevaag, Gitarrist und Bruder von Agnete - d. Verf.) und ich die meisten Songs schon fertig hatten, als die anderen drei zur Band gekommen sind. Sie hatten also nicht die Möglichkeit, daran viel mitzuarbeiten. Aber jetzt ist es so, dass BP und ich das Grundgerüst der Songs machen und dann gehen wir in den Probenraum und arbeiten gemeinsam daran, also mehr wie eine richtige Band als früher.

Stephan:
Ist der Beitrag der anderen Mitglieder erfrischend für die Band?

Agnete:
Ja, fünf oder sechs Hände sind besser als eine oder zwei. Wenn ich beispielsweise etwas für die Drums machen sollte, ist das eine blöde Sache, denn ich bin kein besonders guter Drummer. (lacht) Jemand, der das Instrument kennt, hat einfach mehr Möglichkeiten, etwas Gutklingendes daraus zu machen.

Stephan:
Und wie sieht das mit den Texten aus?

Agnete:
Die schreibe ich. Da ich diejenige bin, die sie singt, bevorzuge ich es, wenn sie in meinen Worten und mit meiner Bedeutung geschrieben sind. Auf "All Flesh..." gab es einen Songtext, der von einem Freund von mir geschrieben wurde und das war schon ein bisschen komisch für mich. Ich möchte meine Texte selber schreiben, denn es macht meiner Meinung nach einfach mehr Sinn. (hustet) Sorry, ich habe eine wirklich schlimme Erkältung.

Stephan:
Hoffentlich kannst du dann nachher singen...

Agnete:
Das klappt komischerweise, ich singe meine vierzig Minuten und habe keine Probleme, aber sobald ich von der Bühne runterkomme, haut es mich erstmal um.

Stephan:
Zurück zu euren Lyrics. Welche Themen behandeln die denn so?

Agnete:
Ich denke, man kann sagen, dass das übergreifende Thema Menschen sind, Beziehungen zwischen ihnen und wie sie handeln und das hauptsächlich im negativen Sinne. Ich habe versucht, fröhliche Lyrics zu schreiben, aber das kann ich einfach nicht. (lacht) Es dreht sich dabei alles um Gefühle. Ich habe keine politische Ader. Ich schreibe einfach, was ich über Menschen, Situationen und Gefühle denke und das auf einer sehr metaphorischen Art.

Stephan:
Kümmert es dich eigentlich, was Kritiker und Presse von deinen Alben halten?

Agnete:
Ja und nein. Es ist natürlich sehr schön, wenn es jemandem gefällt. Das macht mich sehr glücklich, weil ich so viel von mir selbst hineinstecke. Es ist wie wenn man ein Kompliment bekommt. Und einige Kritiken sind wirklich lustig, weil es interessant ist, dass manche Leute eine komplett andere Meinung davon haben können als wir. Aber es ist in Wirklichkeit nicht von Bedeutung, da ich die selben Dinge so oder so machen würde. Es hat keinen Einfluss auf die Musik. Aber es macht Spaß sie zu lesen, weil manche Leute wirklich sonderbare Sachen hören. Einer hat zum Beispiel eine Trompete auf "All Flesh Is Grass" gehört, das ist wirklich beeindruckend. (lacht)

Stephan:
Also ich kann da keine Trompete hören. (lacht auch)

Agnete:
Wenn er sagt, dass er eine Trompete hört, ist das okay, aber das ist gar keine. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass wir keine aufgenommen haben. (lacht)

Stephan:
Was war in deinen Augen der wichtigste Punkt in der Geschichte von MADDER MORTEM?

Agnete:
(überlegt) Das ist schwierig. Ich würde sagen, als die neuen Jungs in die Band gekommen sind. Das war sicherlich ein Wendepunkt für uns. Wir waren ohne Plattenvertrag und hatten keine Bandmitglieder und es ist schwierig, passende Leute zu finden. Man muss gut miteinander auskommen, denn man muss ja sechs Wochen zusammen im selben Bus wohnen und das ist nicht einfach, wenn man nicht auf einer Wellenlänge liegt. Aber natürlich müssen auch die musikalischen Fähigkeiten stimmen, wie sie über unsere Art von Musik denken und vielleicht auch noch die selben Vorstellungen beim Artwork haben. Wir waren sehr glücklich, dass wir jemanden gefunden haben und dann auch noch Leute, die wir schon kannten. Das ist eigentlich das Merkwürdige daran, denn wir kennen diese Jungs schon seit einer langen Zeit und nun hat einfach alles gepasst. Ein stabiles Lineup zu haben, ist sehr wichtig für uns.

Stephan:
Wie bist du eigentlich zum Heavy Metal gekommen?

Agnete:
Ich weiß es nicht, EUROPE vielleicht... (lacht)

Stephan:
Einige Leute sagen ja, dass die Kombination Frauen und Heavy Metal ungewöhnlich ist. Dieser Meinung bin ich zwar nicht, aber Manche sehen das ja so...

Agnete:
Ja, ich weiß. Ich denke, das Allererste war bei mir so etwas wie EUROPE. Dann kamen GUNS N ROSES und WASP, BP hatte ein paar Kassetten davon. Dann hat mir meine Tante "And Justice For All" gekauft und mein Vater eine FAITH NO MORE-Kassette. Aber der größte Sprung war, als ich in einen Plattenladen gegangen bin und mir die "Arise" gekauft habe. Das hat mich total umgehauen. Ich würde sagen, ich mag einfach die Möglichkeiten, die der Metal bietet. Wenn man sich nicht stur einem Genre verschrieben hat, dann hat man wirklich eine Vielzahl von Möglichkeiten. Wir können einen melodischen, lieblichen Song machen oder auch etwas absolut aggressives. Die Bandbreite beim Metal ist viel größer als z.B. beim Pop, das liebe ich daran.

Stephan:
Wie findest du OPETH und wie sind sie auf dieser Tour?

Agnete:
Sie sind eine absolut brillante Band. Sie haben bis jetzt sieben Alben herausgebracht, oder?

Stephan:
Sind es nicht sechs?

Agnete:
(zählt durch) Ach ja, stimmt. Sie haben aber schon eine siebte Platte gemacht, ich habe "Damnation" schon gehört. Ihre Alben sind sehr gut und sie ziehen ihr eigenes Ding ohne kommerzielle Hintergedanken durch. Sie sind keine Image-Junkies. Ich liebe ihre Musik und auch ihre Ansichten über die Musik. Mit ihnen auf Tour zu gehen, ist einfach umwerfend, wenn man eine Band mag und so die Möglichkeit hat, sie jeden Abend zu sehen. Wie sie auf dieser Tour sind? Sie spielen wie erwartet gut und sind eine sehr gute Liveband. Aber auch menschlich sind sie sehr nette Leute. Man kommt sehr gut mit ihnen aus, sie sind sehr freundlich zu uns als kleine Supportband.

Stephan:
Wie sind die Publikumsreaktionen auf euch? Sind die Leute mit euren Songs vertraut?

Agnete:
Nicht viele. (lacht) Aber manche sind es. Was ich beurteilen kann durch die Gesichter, die ich von der Bühne aus sehe, ist, dass viele Leute uns beim ersten Song wohl für eine Black Metal-Band halten. Wenn wir anfangen, dann schauen sie so als denken sie gerade: "Was zum Henker ist das denn?". (ahmt ein entsetztes Gesicht nach)

Stephan:
Mit welchem Song fangt ihr denn an?

Agnete:
Wir beginnen mit "Necropol Lit" und der ist ja so dumpf und düster. Aber nach einer Weile scheinen sie dann damit klarzukommen. Ich denke, die OPETH-Fans sind sehr offen für neue und etwas eigenwillige Sachen. Es sieht so aus, als ob es manchen doch ganz gut gefällt, wenn auch nicht allen. (lacht)

Stephan:
Spielt ihr dieses Jahr eigentlich noch auf ein paar Festivals?

Agnete:
Nur in Norwegen, da wir noch etwas Zeit brauchen, um neues Material zu schreiben. Da Festivals ja immer im Sommer sind, haben wir uns auch nicht weiter bemüht, auf ein paar Festivals zu kommen. Wir machen das Inferno Festival in Norwegen (u.a. mit OPETH, CHILDREN OF BODOM, SOILWORK und IMMORTAL, siehe http://www.infernofestival.net ) und noch zwei kleinere Festivals. Es wird sicherlich hart genug, das Album fertigzustellen.

Stephan:
Zum Schluss, was ist dein größter Wunsch im Zusammenhang mit MADDER MORTEM?

Agnete:
Das ist schwierig. Da gibt es zwei Seiten. Die eine betrifft das Musikalische, die andere unseren Ehrgeiz. Ich hoffe, dass es uns irgendwann möglich sein wird, von der Musik zu leben, damit wir uns voll darauf konzentrieren können und nicht noch nebenbei an irgendwelche Jobs denken müssen. Außerdem wäre es echt cool, irgendwann mal eine Headliner-Tour zu machen. Auf der musikalischen Seite hoffe ich einfach, dass wir viele schöne Jahre haben werden ohne gelangweilt zu werden und aufzuhören, uns zu verändern. Dass wir uns über viele, viele Jahre stetig weiterentwickeln können. (schaut auf die Uhr) Oh, jetzt muss ich mich aber wirklich fertig machen. (wir hatten uns etwas verquatscht, sodass es mittlerweile nur noch 20 Minuten bis zum Auftritt waren)
Hast du noch viele Fragen?

Stephan:
Nein, das war die Letzte.

Agnete:
Oh, gut. Dann hab vielen Dank.

Stephan:
Ich danke dir ebenfalls für das Interview.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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