In der Gruppentherapie: DARK FORTRESS - "Ylem"

22.01.2010 | 10:36

DARK FORTRESS bieten auf "Ylem" abwechslungsreichen Black Metal deluxe. So gut, dass sogar der Teil der Redaktion begeistert hinhört, der dem Genre nicht so zugewandt ist. Das zeigt Platz 3 im Januar-Soundcheck mit durchgängig gute Noten. Drum endet diese Gruppentherapie auch mit einem Ritterschlag.


Eines vorweg: "Ylem" ist für mich das bisher stärkste Black-Metal-Album, das ich für den Soundcheck hören durfte. DARK FORTRESS sind nicht nur technisch beschlagen, sie verstehen es auf "Ylem" auch perfekt Atmosphäre aufzubauen und die Songs extrem abwechslungsreich zu gestalten. Da gibt es eher schwermütigen, frostigen Stoff wie 'As The World Keels Over', beinahe eingängige Hymnem mit heiseren Vocals wie 'Evenfall' oder das balladeske(!), mit cleanen Vocals veredelte 'Wraith' ebenso zu hören, wie bitterböse Riffs und fieses Gekeife in 'Satan Bled' oder melodische Leadgitarren wie in 'Ylem'. Das macht das sechste Studioalbum der Band zu einer enorm spannenden Scheibe, bei der die 70 Minuten Spielzeit wie im Flug vergehen. Selbst für Genrefremde wie mich. Ein größeres Kompliment kann man einer Band eigentlich nicht machen. Klasse Scheibe, die nicht nur Schwarzheimer anchecken sollten.

Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]

Black Metal ist ja schon nicht unbedingt meine Heimat, aber von deutschem Black Metal erwarte ich noch weniger. Sicherlich ein Vorurteil, das gebe ich gern zu, allerdings möchte ich auch, dass ihr versteht, mit welchen Gedanken ich an die aktuelle DARK FORTRESS heran gegangen bin. Bereits die Titel gebende Eröffnungsnummer lässt allerdings meine Kinnlade gen Erdoberfläche klappen, denn was die Truppe hier bereits für musikalisch kompetentes Inferno abfackelt, ist wirklich große Klasse. Unterstützt von einem transparenten, beinahe warmen Klangbild, gibt die atmosphärische Musikantenkeule auf die Löffel. Ein variabler, vor allem in den tiefen Tiefen grandios klingender Gesang gurgelt verständlich bösartige Weisheiten ins Mikrophon, während die Instrumentalbegleitung OPETH'sche Schwere unten drunter legt. Vor allem, wenn DARK FORTESS schleppend agiert, kann man eine majestätische Ausstrahlung nicht verleugnen. Ich verweise nur auf das tonnenschwere 'As The World Keels Over', bei welchem man das Gefühl hat, eine Armee würde durch den Kopfhörer marschieren. Toll. Und genau diese Stimmung durchzieht annähernd das ganze Album. Lediglich gelegentliche Geschwindigkeitsausbrüche verhindern eine höhere Wertung meinerseits, wobei ich auch hier erstaunt attestieren muss, dass DARK FORTRESS selten die Kontrolle verlieren. So bollert 'Satan Bled' herrlich breitseitig aus meiner Anlage und kann sogar trotz Highspeed-Gebolze allein aufgrund der beunruhigenden Tiefe überzeugen. Wie oft habe ich jetzt von Tiefe gefaselt? Muss wohl was dran sein.

Note: 8,0/10
[Holger Andrae]

Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich gesehen habe, dass die bayerischen Black Metaller von DARK FORTRESS auf dem dritten Platz in unserem Soundcheck gelandet sind. Gut so! Woran liegt es, dass eine derart böse Band selbst von unseren melodischen Häschen nicht weniger als sieben Punkte bekommt? Wahrscheinlich an der großartigen Technik, die DARK FORTRESS ins Feld führen. Die Gitarrenarbeit auf diesem Album ist schlicht atemberaubend. Die Riffs knallen, verbreiten eine schwarze Atmosphäre und bieten dennoch genügen Stoff zum Moshen. Die Leads und Soli stellen nicht nur eine Brücke in den dunklen, melodischeren Sektor dar, sondern bieten von Rekursen in die Achtziger bis hin zu epischen Melodieläufen alles, was das Herz begehrt. Der Gesang von Morean deckt eine unheimliche Bandbreite ab – Holger hat es ja schon angesprochen – die man im Black Metal selten findet. Ich möchte gar nicht wissen, was er mit seinen Stimmbändern angestellt hat, doch nachhaltige Benutzung sieht sicher anders aus. Zuletzt steht noch die tolle Produktion des Albums im Raum. Im Studio von V. Santura aufgenommen, knallt der Sound dermaßen fett und dabei unglaublich differenziert aus den Boxen, dass es eine wahre Freude ist. Das alles in einen Topf geworfen ergibt "Ylem". Doch was fehlt der Band zur Höchstwertung? Der letzte Kick an Atmosphäre, würde ich sagen. Denn nicht alle Songs funktionieren im Sinne des Black Metals, teilweise steht die Technik vor dem Gefühl. Doch alles in allem besitzt die Black-Metal-Gemeinde in Deutschland mit DARK FORTRESS ein Zugpferd, das sich über kurz oder lang zum Aushängeschild der Szene entwickeln wird – wenn sie das nicht sogar schon längst ist.

Note: 8,5/10
[Julian Rohrer]


Zwischen all dem unheimlich authentischen, wahrheitsgemäß aber beschämenden Klappersound, gestörter Härtegradwahrnehmung nach Clipping-Ekstase und undynamischem Trigger-Dung tauchen auch noch großartig produzierte Metalalben auf. Bands, die ihrer Musik Gutes widerfahren lassen möchten, sollten V. Santura mit Anfragen überziehen. Da der Mann aber ähnlich wie PORCUPINE TREEs Steven Wilson, der sich im Studio ebenfalls ein nettes Sümmchen erdrehen könnte, kreativ noch einiges vorhat und deshalb ausgelastet ist, müssen die meisten mit dem arbeiten, was übrig bleibt. Als Vorbild kann "Ylem" immerhin fungieren. Vorbild für natürliche Ambition. Vorbild für das unbedingt notwendige Streben nach einem schlüssigen Gesamtkonzept. Das unterscheidet die DARK FORTRESS-Kunst von BWL-Platten wie IMMORTALs "All Shall Fall". Ob 'Wraith' oder 'Evenfall', dessen Refrain sogar späten KILLING JOKE ähnelt, letztlich im Black Metal vor sich gehen dürfen, klären die misanthropischen Walduhus mit ihren imaginären Freunden. Die Deutschen gewähren Interessierten einen Einblick in dunkle Klangkorridore und sind kompositorisch und spielerisch so beschlagen, dass die klaustrophobische Stimmung bei dieser Besichtigung niemals abreißt. Der Verzicht auf zigfach rückwärts gegessene Genregitarrenharmonien bei gleichzeitiger Einbettung fabelhafter Riffs wie in 'As The World Keels Over' bildet einen weiteren Bestandteil der Vision. Und dann ist da noch der kleine Einfall mit der Snare. Selbst entdecken.

Note: 8,0/10
[Oliver Schneider]

Black Metal so weit oben im Soundcheck und ich kriege keinen Haarausfall? Wie kommt das denn? Na, ganz einfach: Da verbindet jemand seinen Dunkelstahl doch glatt mit großartigen Leistungen an den Instrumenten und schafft tatsächlich nachvollziehbare Melodien. Im Gegensatz zu vielen anderen Black-Metal-Scheiben schaffen es DARK FORTRESS, spannende und abwechslungsreiche Songs zu schreiben, deren Bann selbst ich mich nicht entziehen kann. Der Black-Metal-Gesang wird allerdings nur gelegentlich abgestellt, so dass ich dennoch weit davon entfernt bin, mit "DARK FORTRESS for Bundeskanzler"-Rufen durch die Fußgängerzone zu hasten, und die Blast Beats sind auch keinen Deut erträglicher als in diesem Genre sonst üblich, aber fast jeder Song hat Wendungen, die einfach hinhören lassen. Ein Song wie 'Silence', dem ich anfangs Stille tatsächlich vorziehen würde, ist im zweiten Teil ein toller, emotionaler Track, der mir Spaß macht. Zeitweise vertrackt, dann wieder melancholisch, immer wieder sehr aggressiv: Über die gesamte Strecke ist das dennoch eine ziemlich hohe und heftige Dosis. Aber wenn schon Black Metal, dann hätte ich ihn gerne so wie diesen hier, denn "Ylem" habe ich sogar schon mal aufgelegt, obwohl ich es gar nicht mehr für den Soundcheck hören musste! Ich glaube, das ist mein Ritterschlag für DARK FORTRESS.

Note: 7,0/10
[Frank Jaeger]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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