Im Rückspiegel: AMORPHIS (Teil 4 - "The Beginning Of Times" - "Under The Red Cloud")

03.05.2018 | 12:30

Mit großem Erfolg zu einem weiteren Meilenstein.

Einen Teil verpasst?
Teil I ("The Karelian Isthmus" - "Elegy")
Teil II ("Tuonela" - "Far From The Sun")
Teil III ("Eclipse" - "Skyforger")

Schön, dass ihr wieder mit dabei seid, bei der vierten und vorerst letzten Rückspiegel-Ausgabe zu AMORPHIS. In diesem Teil werden die letzten drei Studioalben der Finnen besprochen, namentlich "The Beginning Of Times", "Circle" und "Under The Red Cloud". Nach der Veröffentlichung von "Skyforger" hat die Band im Jahr 2010 zudem eine Live-DVD ("Forging The Land Of The Thousand Lakes"), auf der ein Auftritt in Finnland und die Summer Breeze-Show der Truppe aus dem Jahr 2009 enthalten sind, sowie ein Album mit Neuaufnahmen von Songs der ersten drei Scheiben ("Magic & Mayhem") veröffentlicht. Auf diese werde ich an dieser Stelle jedoch nicht näher eingehen, da ich mich ausschließlich auf die regulären Studioalben beschränke.

Musikalisch setzt AMORPHIS in dieser Phase den eingeschlagenen Weg seit der Verpflichtung von Tomi Joutsen unbeirrt fort, der eigens kreierte Stil wird von Album zu Album verfeinert und leicht verändert, vor großen Überraschungen wie in der Anfangszeit der Band bleiben die Fans jedoch verschont. Auffallend ist, dass vor allem der Anteil von Growls in dieser Phase wieder erhöht wurde, aber auch auf andere Einflüsse aus früheren Zeiten wurde erneut zurückgegriffen. Konstant geblieben ist neben dem Line-up auch wieder die hohe Qualität der Alben, die sich sowieso wie ein roter Faden durch die Diskographie von AMORPHIS zieht.

The Beginning Of Times (2011)


Das "Eier-Album", wie "The Beginning Of Times" in Fankreisen gerne aufgrund des Artworks genannt wird, kommt als Konzepalbum über den finnischen Halbgott Väinämöinen, der als zentraler Charakter jedes Songs fungiert, daher. Klar, dass mit diesem Hintergrund vor allem die Folk-Einflüsse auf "The Beginning Of Times" wieder sehr ausgeprägt vorhanden sind. Und nicht nur das, die bereits früher zum Einsatz gekommene Flöte wurde auch wieder in mehreren Songs verwendet. Zudem gibt es diverse exotische Instrumente. Stilistisch ist das Ganze mit den drei Vorgängeralben vergleichbar, auch wenn es noch verspielter und verträumter daherkommt. Der gutturale Einsatz kommt zwar häufiger zum Einsatz als beim direkten Vorgänger "Skyforger", dennoch wirken die Songs in ihrer Gesamtheit softer, da der Fokus mehr auf den Melodien und den Folk-Elementen zu liegen scheint. Sicher ist das auch der Hauptgrund, warum "The Beginning Of Times" meist nicht einmal bei Fans der Band besonders hoch in der Gunst steht. Mir gefällt es trotzdem sehr gut und ich höre es auch immer wieder gerne, da es doch einiges zu bieten hat und auch immer wieder Spaß macht.

Die Kritiken fielen sehr wechselhaft aus, von "Durchschnitt" bis "Meisterwerk" war so ziemlich alles dabei. Aber es kam ja schon öfters vor, dass ein Album von AMORPHIS etwas polarisiert hat und die Meinungen spaltete. Verkauft hat es sich dennoch mehr als ordentlich; in Finnland konnte erneut die Spitzenposition in den Albumcharts erreicht werden, in Deutschland wurde auch ein deutlicher Sprung nach oben gemacht mit Platz 16 ("Skyforger" landetet noch auf 55). Auch in unseren Nachbarländern Österreich (41) und Schweiz (32) konnte man wieder Chartplatzierungen einfahren.

Circle (2013)


Der Nachfolger von "The Beginning Of Times" wurde in den legendären Abyss-Studios gemixt. Für die Produktion konnte zudem der Boss der Studios, Peter Tätgren (HYPOCRISY, PAIN), gewonnen werden. Und genau das hört man der Scheibe auch an. Die folkigen Elemente sind zwar immer noch zahlreich vorhanden, wurden auf "Circle" allerdings mehr in den Hintergrund gesetzt, als es auf den Vorgängern noch der Fall war. Die Gitarren stellen ganz klar die dominante Macht im Sound dar, was "Circle" härter und brachialer klingen lässt, als es für viele Jahre der Fall war. Am meisten profitieren davon natürlich die schnellen und harten Passagen der Songs, die hier noch eine ganze Ecke bedrohlicher klingen als sonst. Das heißt natürlich nicht, dass es auf "Circle" keine verträumten Momente mit wunderschönen Melodien mehr gibt, im Gegenteil. Vor allem 'The Wanderer' und 'Narrow Path' bieten massig Momente zum Dahinschmelzen, wenn auch im etwas metallischeren Gewand.

Auch der Erfolg von "Circle" kann sich sehen lassen. In Finnland konnte sich die Scheibe erneut (und damit zum dritten Mal in Folge) den ersten Platz in den Albumcharts sichern und auch für 20 Wochen in denselben halten. In der DACH-Region wurden auch fast schon traditionell die Charts geentert, in Deutschland (Platz 13) und Österreich (Platz 24) konnte sogar die bis dato höchste Platzierung der Bandgeschichte eingefahren werden. Insgesamt zeigt sich AMORPHIS hier wieder mehr von der härteren Seite, ohne die melodischen und folkigen Einflüsse gänzlich zu vernachlässigen. Wem diese auf den vorherigen Alben zu überpräsent erschienen, der dürfte an "Circle" wohl eher Gefallen finden. Mir persönlich gefällt die Scheibe zwar sehr gut, aber als herausragend sehe ich sie in der Diskographie nicht, da haben andere Alben ganz klar die Nase vorn.

Under The Red Cloud (2015)


Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als "Under The Red Cloud" veröffentlicht wurde und ich es zum ersten Mal in den Player schob. Mir gefiel das Gehörte auf Anhieb sehr gut, aber es wurde mit jedem Durchgang noch besser. Die Scheibe hielt sich über Monate hartnäckig in meinem Player und wird bis heute immer wieder gerne eingelegt (und meistens bleibt es dann auch nicht bei einem Durchgang). "Under The Red Cloud" vereint nicht nur alle Einflüsse der Band gekonnt, sondern kann auch mit durchweg starkem und mitreißendem Songwriting überzeugen. Die härtere Seite von "Circle" wurde beibehalten, jedoch wurden die Keyboards und Folk-Elemente wieder mehr in den Vordergrund geholt. In einige Songs wurden sogar wieder arabisch klingende Instrumente und Melodien integriert, was es schon lange Zeit nicht mehr auf einer AMORPHIS-Scheibe zu hören gab. Gänsehautmomente gibt es zuhauf, und natürlich wird auch mit wunderschönen Melodien und Gitarrensoli nicht gegeizt. Einmal mehr zeigt Tomi Joutsen, dass er der perfekte Sänger für AMORPHIS ist, indem er seine meiner Meinung nach bisher beste Performance abliefert. Der Genuß von "Under The Red Cloud" stellt für mich jedes Mal das Abtauchen in eine andere Welt dar, aus der man erst zurückkommt, wenn die letzten Töne des Albums verklungen sind. Deshalb, und aufgrund der hohen Hitdichte (selbst die Bonustracks des Digipaks sind Hits) ist das für mich eine klare 10er-Scheibe und ein weiterer Meilenstein in der starken Diskographie von AMORPHIS. Besser und mitreißender kann man diese Art von Musik einfach nicht machen. Gut möglich, dass mich AMORPHIS trotzdem irgendwann eines Besseren belehrt und noch einen draufsetzt.

Wie erfolgreich war dieses von mir so hochgelobte Album denn nun? Nun, in Finnland konnte diesmal nicht die Pole Position, sondern nur der zweite Platz erreicht werden, was ich mal auf die starke Konkurrenz zum Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückführe (IRON MAIDEN und KAMELOT veröffentlichten im gleichen Zeitraum ebenfalls erstklassige Alben). In der DACH-Region konnten hingegen in jedem Land die höchsten Platzierungen der Bandgeschichte eingefahren werden. In Deutschland landete die Scheibe auf Platz 10, in Österreich auf 20 und in der Schweiz auf Platz 11. Ich bin schon sehr gespannt, ob dieser Aufwärtstrend der letzten Alben mit "Queen Of Time" fortgesetzt werden kann, und so langsam ist es auch in Deutschland mal Zeit für eine Spitzenplatzierung.

Damit sind wir am Ende dieser Rückspiegel-Serie mit AMORPHIS angekommen. Hoffentlich hat es euch ebenso viel Spaß gemacht wie mir, vielleicht konnten die Artikel den Einen oder Anderen dazu bewegen, sich etwas intensiver mit der Diskographie dieser tollen Band zu beschäftigen. Natürlich werden wir auch ein Review des im Mai erscheinenden neuen Albums "Queen Of Time" veröffentlichen, außerdem gibt es vor der Veröffentlichung noch ein Interview mit dem Drummer und Gründungsmitglied Jan "Snoopy" Rechberger. Also seid gespannt.

Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass es in Zukunft weitere Ausgaben dieser Serie (mit anderen Bands) geben wird, vielleicht sogar mit mehreren Autoren. Sollten euch diese Artikel begeistert haben oder falls ihr der Meinung seid, dass das ja eh alles Quatsch ist, was ich geschrieben habe, dürft ihr mir das gerne über das Kontaktformular [oder noch besser uns allen im Forum - Anm. d. Red.] mitteilen. Dann wünsche ich euch natürlich noch viel Vergnügen beim Entdecken der drei besprochenen Alben. Hoffentlich konnte ich euch mit dieser Artikelreihe die Wartezeit auf "Queen Of Time" etwas verkürzen.

Redakteur:
Hermann Wunner

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