IM RÜCKSPIEGEL: DREAM THEATER (Teil 5: "Dream Theater" - "The Astonishing")

24.02.2019 | 12:24

Wir kommen in die Gegenwart.

Einen Teil verpasst?
Teil 1 ("When Dream And Day Unite" - "Awake")
Teil 2 ("A Change Of Seasons" - "Metropolis Pt.2: Scenes From A Memory")
Teil 3 ("Six Degrees Of Inner Turbulence" -"Octavarium")
Teil 4 ("Systematic Chaos" - "A Dramatic Turn Of Events")
Teil 5 ("Dream Theater" - "The Astonishing")
Bonus (Die Official Bootlegs und die interessantesten Live-DVDs)

Das neue Album "Distance Over Time" dürftet ihr beim Lesen dieses Artikels schon in der Hand halten, oder zumindest in freudiger Erwartung sein. Ich kenne es beim Schreiben noch nicht und habe mich auch der Vorabteaser enthalten, so dass ich sehr gespannt bin, was uns jetzt präsentiert wird. Doch um diese Serie gebührend ans Ziel zu bringen, bedarf es noch der letzten beiden Alben in der neuen Besetzung, auf die wir hier einen Blick werfen dürfen. Hermann hat euch ja alles über den Besetzungswechsel mitgeteilt, ich möchte nur als Vorabbemerkung zu diesem Artikel feststellen, dass ich "A Dramatic Turn Of Events" so stark fand, dass ich die Scheibe damals auf Platz 1 meiner Jahresliste gesetzt hatte. Umso tiefer ging es danach aus meiner Sicht bergab.

 

DREAM THEATER (2013)

Das Jahr 2013 war einschneidend für mein Leben, schließlich wurde ich zum ersten Mal Vater, und einige Bands brachten schlichtweg überragende Alben auf den Markt - ATLANTEAN KODEX, DEAD LORD und SATAN mit ihren Zehn-Punkte-Meisterwerken zum Beispiel, oder auch die sehr gelungenen Alben von AMON AMARTH, ASGARD, BLACK SABBATH, CULTES DES GHOULES, ISVIND oder STRATOVARIUS. Als DREAM THEATER-Fanboy hoffte ich, dass mich auch diese Scheibe ähnlich bewegen würde, und so lief sie rauf und runter. Sie lief und lief und lief... und blieb doch nie so wirklich hängen. Natürlich fallen mir immer wieder Songfragmente ein, aber da sind auch ganz große Erinnerungslücken. Dabei lief das Album so oft wie kaum ein anderes Scheibchen in diesem starken Jahr, aber seitdem halt auch nie wieder. Jetzt, 2019, lege ich "Dream Theater" erstmals wieder auf für diesen Artikel.

In gewohnter Manier bei Roadrunner Records veröffentlicht, im frühen Herbst des Jahres, konnte man kommerziell sicher zufrieden sein. Rang vier in den deutschen Albencharts, ein gigantischer siebter Platz in den Billboard 200 und etliche weitere Top-Ten-Platzierungen lassen sich sehen. Hugh Syme hat ein farblich ansprechendes, aber eher unauffälliges Artwork kreiert. Wie immer seit 1999 (!) ist John Petrucci als Produzent aktiv, und irgendwie hat die Band das Händchen für die großen Hymnen verloren. Dabei ist "Dream Theater" trotzdem kein wirklich schlechtes Album, es reiht sich qualitativ irgendwo bei "Falling Into Infinity", "Six Degrees Of Inner Turbulence" und "Systematic Chaos" ein. Trotzdem war die Enttäuschung irgendwie da, gerade, weil die beiden direkten Vorgänger trotz des Bandsplits so stark waren. Meine Favoriten unter den Titeln sind 'The Enemy Inside', 'The Bigger Picture' und 'Surrender To Reason'. Ich liebe es, wenn DREAM THEATER U2-ähnliche Refrains auffährt und mit großartigen Melodien punktet, aber natürlich begeistern mich auch die Taktwechsel und Soli. Auf dieser Scheibe gab es einfach etwas zu wenig zum Dahinschmelzen.

 

THE ASTONISHING (2016)

Meine Erwartungen waren nach "Dream Theater" ja schon etwas gedämpfter. In meinem internen Lieblingsband-Ranking hatte IRON MAIDEN spätestens mit "The Book Of Souls" Platz 1 übernommen, von DREAM THEATER erhoffte ich mir aber natürlich trotzdem ein Album, das meine Jahres-Top-10 knackt. Das vorher veröffentlichte Artwork von Jie Ma weckte auf jeden Fall noch mal die Hoffnung, dass es wieder wirklich spannend werden könnte. Aber ich war schon skeptisch, als die Spielzeit von über 130 Minuten angekündigt wurde. DREAM THEATER hatte bereits mit einem Konzeptalbum fraglos ein unumstrittenes Meisterwerk erschaffen, und so viel sei klar formuliert - mit diesem hat die Band den eindeutigen Karrieretiefpunkt erreicht. Diese progressive Rock-Oper mit 34 Songs (von denen man sich keinen einzigen Titel merkt, weil alles irgendwie gleichförmig ist) erreichte dank der treuen Käuferschar (ich habe sie auch am Erscheinungstag in der Hand gehabt) wieder mal beste Chartplatzierungen, so zum Beispiel Rang fünf in Deutschland. Aber heute wird das Album immer nur dann genannt, wenn es um die großen Stinker in der Diskographie einer großen Band geht. Ja, natürlich erkenne ich die Mühen an, die die Jungs in die Kompositionen gelegt haben. Aber ich quäle mich durch die über zwei Stunden und frage mich, wo die Ohrwürmer geblieben sind, die es auch auf dem Vorgänger ja noch gab.

Wenn ich mich mit "The Astonishing" noch mal auseinandersetzen muss, wird mir klar, dass auch eine Überband wie DREAM THEATER nur aus Menschen besteht, die an einem überambitionierten Doppelalbum genauso scheitert wie es den meisten anderen gehen würde. Mit den ganzen Bombast-Elementen fällt man eher auf NIGHTWISH-Niveau. Natürlich, das ist nicht das Schlechteste, aber eben deutlich unter dem Standard, den diese Band bis 2013 mit wenigen schwächeren Durchhängern gesetzt hatte. Was kommt nun mit "Distance Over Time"? Die nächsten Wochen werden es zeigen. Ich wage aber schon mal zu behaupten: Es kann nur besser werden.

Mein Kollege Hermann Wunner setzt sich in einer abschließenden Runde mit den Live-DVDs auseinander. Sicher eine lohnenswerte Lektüre auch für mich, der ich da noch relativ schwach besetzt bin. Ich für meinen Teil bin durch mit dem DREAM THEATER-Rückblick und hatte wirklich meine Freude daran, mich durch diese abwechslungsreiche Diskographie zu wühlen. Hermann wird die Serie dann gebührend abschließen.

Redakteur:
Jonathan Walzer

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