ICARUS WITCH: Interview mit Jason Myers

28.01.2008 | 14:50

Zu den Bands, die 2007 das Traditionalisten-Herz höher schlagen ließen, gehörten auf jeden Fall ICARUS WITCH, die auf ihrem zweiten Longplayer "Songs For The Lost" jede Menge großartiger Songs aus der Schnittmenge von dynamischem Hard Rock und klassischem Heavy Metal amerikanischer Machart verewigt haben. Ein untrügliches Gefühl für anspruchsvolle, spannende Kompostionen begegnet auf dieser Platte anschmiegsamen, unter die Haut gehenden Melodien und kraftvoll rockenden Gitarren. Grund genug, um den kreativen Kopf der Band, Bassist Jason Myers, zu einem Plausch zu bitten. Der Mann entpuppte sich als Szene-Kenner, musikalischer Feinschmecker und höchst interessanter, redseliger Gesprächspartner.

Martin:
Jason, hier bei uns in Europa wird euer Sound oft als energiegeladene Mischung aus DEEP PURPLE und QUEENSRYCHE bezeichnet. Kannst du damit etwas anfangen? Wie würdest du die Musik von ICARUS WITCH möglichst kurz und prägnant erklären?

Jason:
Ich finde das völlig normal, dass man noch recht unbekannte Bands mit anderen, bekannteren vergleicht. Wenn in unserem Fall diese beiden genannt werden, werte ich das als Kompliment, weil ich ein großer Fan sowohl von PURPLE als auch von QUEENSRYCHE bin. Daher kann es auch durchaus sein, dass deren Werke auf unsere Musik abgefärbt haben. Für mich sind ICARUS WITCH schlicht und ergreifend eine Heavy-Metal-Band, zumindest im ursprünglichen Sinn dieses Begriffs, der einmal sehr weitläufig war und sowohl für PRIEST und DIO als auch für Bands wie TRIUMPH oder ZEBRA gebraucht wurde. Aber die Sprachgewohnheiten haben sich im Laufe der Zeit geändert, was man heute zumindest hier in den Staaten als Heavy Metal bezeichnet, ist viel brutaler und ruppiger. Folglich sind wir nach aktuellen Standards gemessen wahrscheinlich eher eine Hard-Rock-Band. Die Einteilungen in Dutzende Subgenres finde ich eh ziemlich sinnlos und an den Haaren herbei gezogen. Ich glaube, das geht vielen Musiker so, die empfinden es als etwas frustrierend, wenn sie stundenlang darüber diskutieren müssen, ob sie nun Power Metal, Melodic Metal oder vielleicht doch Progressive Metal spielen.

Martin:
Eine derart präzise Definition eurer Musik ist eh kaum möglich, weil sie so vielseitig ist. Ich habe mich manchmal zum Beispiel auch an US-Metal-Acts wie HELSTAR erinnert gefühlt und sogar an BLACK SABBATH und OZZY OSBOURNE.

Jason:
Mit der Musik von HELSTAR bin ich nicht sonderlich gut vertraut. Ich habe deren Sänger mal auf einer Party in Cleveland getroffen, das ist ein cooler Typ. BLACK SABBATH verehre ich sehr, und zwar alle Phasen, auch die viel zu oft übersehene mit Tony Martin. OZZYs frühe Solo-Werke mit Randy Rhoads und Jake E. Lee sind fantastisch und waren zu ihrer Zeit bahnbrechend.

Martin:
Stimmt es eigentlich, dass ihr sehr eng mit den Jungs von ATTACKER befreundet seid?

Jason:
Könnte man so sagen, ja. Ich habe die Band erst kennen gelernt, als sie vor ein paar Jahren mal beim Classic Metal Fest in Chicago aufgetreten ist. Inzwischen sind wir gute Freunde und haben schon einige Gigs zusammen gespielt. Wir eröffneten zum Beispiel für ATTACKER in New Jersey, und sie im Gegenzug für uns in Pittsburg. Bob Mitchell und ich bemühen uns seit einiger Zeit um den Aufbau eines Netzwerks, das wir "True Metal America" nennen, und dessen Ziel es ist, die Old-School-Metal-Bands zu fördern und auch junge Bands zu unterstützen, die ähnliche Vorlieben und Philosophien haben.

Martin:
Wer sind deine ganz persönlichen musikalischen Helden und Idole?

Jason:
Ich bewundere eine ganze Menge Leute sehr für ihre musikalischen Leistungen, dazu gehören Ritchie Blackmore, Stevie Nicks, Jimmy Page, Yngwie Malmsteen, Ronnie James Dio, Steve Harris, Geezer Butler, Tony Iommi, Gene Simmons, Nikki Sixx, Joe Lynn Turner, Ian Astbury, Chris DeGarmo, George Lynch, Randy Rhoads, Geddy Lee, Angus und Malcolm Young, Rudolf Schenker, Eddie Van Halen, David Coverdale, Bob Daisley und Jake E. Lee. Schon als ich fünf Jahre alt war, liebte ich KISS und wollte auch Rockstar werden. Ich habe alles von KISS gesammelt, was ich in die Finger kriegen konnte: Karten, Comics, Poster, Action-Figuren, Brotdosen und ihre Alben natürlich. Steve Harris und Geezer Butler haben mich zum Bassisten gemacht, als ich 13 war, und von Nikki Sixx habe ich gelernt, dass es völlig okay ist, genau so auszusehen, wie es einem selbst gefällt. Authentizität und Hingabe sind das Wichtigste. Wenn du etwas nicht mit 100% deiner Kraft und deines Herzens tust, lass es lieber sein!

Martin:
ICARUS WITCH gibt es erst seit 2004, dafür habt ihr schon eine ganze Menge Besetzungswechsel hinter euch, vor allem Schlagzeuger und Gitarristen geben sich die Klinke in die Hand. Woher kommt das?

Jason:
Ich würde mal sagen, es ist nicht gerade einfach, bei ICARUS WITCH zu spielen. Wir erwarten von jedem Bandmitglied bedingungslosen Einsatz und harte Arbeit. Wir fahren oft sehr lange Strecken für Gigs und verbringen viele, viele Stunden im Studio. Ich glaube, manche haben einfach ein falsches Bild von unserer Band, wir üben offenbar eine gewisse Faszination auf die Leute aus und sind so etwas wie eine lokale Größe. Ich meine, Pittsburgh ist keine Weltstadt, da ist es schon was Besonderes, wenn du überhaupt einen Plattenvertrag hast. Viele glauben wohl, wir seien Rockstars oder so. Was sie übersehen ist, dass wir uns wirklich den Arsch aufreißen für die Band, für unsere Musik und für die kleinen Erfolge, die wir feiern dürfen. Wir geben 100% für ICARUS WITCH, die Band ist unser Leben. Wer insgeheim auf Glanz und Glamour hofft und dann mit Schufterei und Geldnot konfrontiert wird, der bleibt nicht lange. Manchmal war es auch so, dass Musiker kamen, die beim Vorspielen den klassischen Hardrocker gegeben haben, um den Job zu kriegen und später, als es dann ans Songwriting ging, überall moderne, komplexe, brutale Sachen einbauen wollten. Das ist aber nicht das Ding von ICARUS WITCH, das macht ja auch fast jede andere Band da draußen zur Zeit. Und dann versuch mal einem Drummer, der nur Thrash und Death Metal hört, zu erklären, dass er mal ein paar Cozy Powell- oder Tommy Aldridge-Beats raushauen soll, das funktioniert einfach nicht. Oder sie kriegen es halbwegs hin, aber langweilen sich dabei, weil sie ihr Kit nicht wie wild verprügeln dürfen...

Martin:
Wie schätzt du die Halbwertszeit des aktuellen Line-Ups ein?

Jason:
Bei der Auswahl der aktuellen Besetzung sind wir sehr vorsichtig und sorgfältig vorgegangen, weil wir unbedingt weitere böse Überraschungen vermeiden wollten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieses Line-Up eine ganze Weile zusammen bleiben wird, aber ich habe längst aufgehört, auf solche Vorhersagen etwas zu geben. Matthew Bazilia und ich haben die Band gegründet, wir haben eine sehr starke Vision von dem, was ICARUS WITCH sein soll. Mit Drummer Chris Batton und Gitarrist Quinn Lukas läuft es zur Zeit sehr gut, sie sind voll motiviert bei der Sache. Wenn jemand nicht mehr so richtig Lust auf die Band hat, ist es mir grundsätzlich lieber, er sagt es und geht, halben Kram mag ich halt nicht. Wahrscheinlich bin ich das, was man einen Control-Freak nennen könnte. Aber hey, irgendjemand muss das Schiff doch steuern!

Martin:
Wenn du heute zurück blickst auf euer Debüt-Album "Capture The Magic", in welche Richtung haben sich ICARUS WITCH seither entwickelt?

Jason:
Ganz einfach: Wir sind besser geworden, hahaha! Zunehmende Erfahrung im Studio und auf der Bühne zahlt sich eben aus. Auf "Capture The Magic" war das Songwriting-Niveau nicht ganz so konstant hoch, den einen oder anderen Song auf dieser Scheibe hätte man mit etwas bösem Willen auch als Füller bezeichnen können. Für "Songs For The Lost" haben wir uns eine Menge Zeit genommen. Wir haben die neuen Songs allesamt vorher live ausprobiert und so ein viel besseres Gefühl dafür bekommen, was funktioniert und was nicht. Vielleicht ist unsere Musik einen Tick düsterer geworden. Vor allem aber ist sie heute vielseitiger. Wenn ich eine Vorhersage machen soll, wie die Zukunft aussehen wird, prophezeie ich mal, ICARUS WITCH werden sich noch mehr von den progressiven, verschnörkelten Elementen entfernen und etwas direkter und hymnischer klingen. Ich bin einfach durch mit diesem "Guckt mal, was für schnelle und komplizierte Sachen ich spielen kann", das kommt mir heute unreif und langweilig vor. Was mich beeindruckt, sind wirklich gute Songs. Die sind es auch, die eine Band unsterblich machen, nicht das technische Können.

Martin:
Warum habt ihr das neue Album "Songs For The Lost" genannt?

Jason:
Dass uns dieser Name einfach passend erschien, hat verschiedene Gründe. Einige von uns haben in der Songwriting-Phase tatsächlich schwerwiegende Verluste erlitten, sei es durch eine Trennung oder sogar den Tod eines geliebten Menschen. Diese persönlichen Tragödien finden auch Ausdruck in einigen Texten. Für mich persönlich ist der Titel auch eine Hommage an die glorreichen Zeiten des Heavy Rock. Wir und einige andere versuchen die Fahne des klassischen Heavy Rock hochzuhalten, doch diese Art von Musik wird zumindest in den Staaten oftmals gar nicht mehr wahrgenommen. Viele tolle Bands haben aber auch schon längst aufgegeben, sie sind ebenfalls mit "The Lost" gemeint. Vor ein paar Jahren fühlte ich mich fremd und isoliert in dem, was aus der amerikanischen Metal-Szene geworden war. Ich vermisste die guten alten Zeiten sehr und in diesem Geiste wurden ICARUS WITCH gegründet. Unsere Songs sind den Leuten gewidmet, die weiterhin einstehen für das, was sie lieben, auch wenn es vielleicht gerade nicht so angesagt und hip ist.

Martin:
Ein Song, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist 'Smoke And Mirrors', ein ruhiges Stück mit einem gewissen Folk-Touch. Magst du uns dazu ein bisschen was erzählen?

Jason:
Ja, klar. Ich wollte unbedingt einen Track machen, der zeigt, dass wir auch emotional berühren und fesseln können ohne Tonnen verzerrter Gitarren und Drum-Gewitter. Das war eine echte Herausforderung, denn hinter einer Wand aus Distortion und Geschrei kann man sich unter Umständen auch wunderbar verstecken. Bei einer Ballade im klassischen Sinne ist das nicht möglich, da erkennt man sofort, ob jemand kompositorisches Talent hat oder nicht. Bei 'Smoke And Mirrors' hat uns eine Gastsängerin unterstützt, und zwar meine gute Freundin Katharine Blake, die einem britischen Klassik-Ensemble angehört. Außerdem ist Cassandra Sotos an der Geige mit vor der Party. Sie spielt in einer Country-Band, ist in ihrem Herzen allerdings eine Rockerin. Durch ihren Beitrag kommt wohl dieses leicht melancholische 'Dust In The Wind'-Feeling der Nummer. Den Text hat Matthew geschrieben, er erzählt hier eine wahre, traurige Liebesgeschichte, die er selbst erlebt und durchlitten hat.

Martin:
Auf eurer Website wird "Songs For The Lost" unter anderem mit dem Ausdruck "neoclassic masterpiece" beschrieben. Bei diesem Adjektiv denken zumindest wir Europäer wohl eher an eine Orchester-Metal-Version von YNGWIE MALMSTEEN...

Jason:
Ach, der Spruch kommt vom Label, dafür kann ich nichts. Aber "neoclassic" ist nicht "neoclassical", es steht einfach für unser Bestreben, traditionelle Sounds in die Gegenwart herüber zu transportieren. Auch wenn wir auf dieses symphonische Orchester-Zeug nicht so stehen, gibt es doch einige Klassik-Einflüsse auf der Platte, verschiedenen Akustik-Gitarrenparts zum Beispiel oder das Piano und die Geige. Diese sind allerdings eher subtil und zur Untermalung oder Abrundung eingebaut, sie stehen nicht wirklich im Vordergrund.

Martin:
ICARUS WITCH ist sicher ein eher ungewöhnlicher Bandname. Icarus war ja bekanntlich der Sohn des Daedalus und zusammen mit diesem ein Gefangener des sagenhaften Königs Minos auf Kreta. Der Vater baute Flügel für sich und den Sohn, die beiden hoben tatsächlich ab in die Lüfte, doch dann kamen sie der Sonne zu nah, und das Wachs, das die Flügel zusammen hielt, schmolz. Wie bringe ich denn damit das Wort "Witch" zusammen?

Jason:
Für mich ist Icarus einfach der ultimative Rebell, eine Art Luzifer-Figur. Er hat das Größte und Unerhörteste gewagt, ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben. Das Wort "Witch" finde ich sehr kraftvoll und mächtig. Es löst immer gleich sehr starke mentale Reaktionen und Assoziationen aus. Eine Hexe zeichnet sich aus durch Weisheit, sie kennt die alten Gebräuche und Rituale, die verbotenen Künste, sie hat eine innige Beziehung zur Natur. Was wir als Musiker erreichen möchten, lässt sich eben symbolisch durch diese zwei Worte hervorragend darstellen. Die Verbindung dieser Worte erzeugt für mich ein starke Magie. Darum ist der Bandname eine Hommage an den klassischen Heavy Metal und an den Einfluss des Übernatürlichen und Okkulten auf die Musik vom Teufelsgeiger Paganini, über den sagenumwobenen Blues-Gitarristen Robert Johnson bis hin zu BLACK SABBATH und MERCYFUL FATE.

Martin:
Ihr habt ziemlich am Anfang eurer Karriere mal an einem RUNNING WILD-Tribute-Album mitgewirkt. Ihr gebt dort den Song 'Evilution' zum besten und zwar zusammen mit dem großartigen Jim Dofka an der Gitarre. Wie kam es dazu?

Jason:
Das war zu der Zeit, als wir gerade zum ersten Mal ernsthaft über einen Europa-Deal verhandelten mit Remedy Records. Wir hatten uns im Underground einen Namen gemacht mit der "Roses On White Lace"-EP, vor allem aus Deutschland bekamen wir eine Menge positives Feedback. Jörn von Remedy bot uns einen Platz auf dem Tribute-Album an, die Chance konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Ich durchforstete also meine alten RUNNING WILD-Platten und kam zu dem Schluss, dass 'Evilution' am besten zu unserem Stil passen würde. Ich habe dann Jim angerufen, mit dem ich gut befreundet bin, und ihn gefragt, ob er nicht ein paar Leadgitarren zu der Nummer einspielen wolle. Hat er dann auch gemacht. Das war wirklich beeindruckend, er kam ins Studio, stöpselte seine Gitarre ein und drei Takes später war alles im Kasten. Dafür hätten die allermeisten Gitarristen einen ganzen Tag gebraucht.

Martin:
Wo wir gerade bei Cover-Songs sind: Auf "Songs For The Lost" gibt es eine wirklich gelungene Version des DEF LEPPARD-Gassenhauers 'Mirror Mirror' mit einem Gastbeitrag von Joe Lynn Turner. Das Label macht kräftig Werbung mit dieser Nummer...

Jason:
Ach ja, die Industrie braucht halt ihre Werbeschlagzeilen. Und wenn der Kunde irgend etwas Bekanntes sieht, kriegt man eher seine Aufmerksamkeit. Sollen sie ruhig machen, wenn wir deshalb ein paar mehr Platten verkaufen, soll's mir recht sein. Wenn du keine Platten verkaufst, gibt dir kein Label auf der Welt Geld für ein weiteres Album, da ist es völlig egal, wie künstlerisch wertvoll deine Musik ist. 'Mirror Mirror' war eigentlich gar nicht für das neue Album gedacht. Wir hatten bereits eine erste Version aufgenommen, bevor wir für "Songs For The Lost" ins Studio gingen. Der Track sollte eigentlich auf einem DEF LEPPARD-Tribute von Cleopatra Records erscheinen, doch dieses Album wurde nie fertig. Wir fanden unsere Version einfach zu schade, um sie in der Schublade vergammeln zu lassen. Das mit dem Gaststar war auch eher eine Idee des Labels. Sie sagten, sie würden uns dabei helfen, würden alles möglich machen, und ein bisschen auch um sie zu testen sagten wir, wir wollen Joe Lynn Turner. Joe ist nämlich ein Freund unseres neuen Managers. Eigentlich hatte ich mir wenig Hoffnung gemacht, dass das klappt, schließlich ist Joe einer der ganz Großen und hat schon mit RAINBOW, MALMSTEEN und DEEP PURPLE gearbeitet. Doch er hörte sich unsere Musik an, stellte fest, dass er sie mochte und sagte zu. Das Ergebnis finde ich großartig, seine Stimme und die von Matthew ergänzen sich glänzend.

Martin:
Ich muss unbedingt noch nach dem Cover-Bild von "Songs For The Lost" fragen. Ich mag es sehr, die düstere, mystische Atmosphäre ist toll. Was ist das für ein alter Turm?

Jason:
Ich finde das Cover auch super, hehehe. Der Turm steht irgendwo in Irland und das Foto wurde von einem irischen Fotografen namens Steve Ford Elliot gemacht und trägt den Titel "Abode Of Crow". Ich selbst habe dem Bild den verwunschenen, magischen Touch gegeben. Ich mag es so sehr, weil es für mich majestätische, zeitlose Stärke darstellt. In meiner Vorstellung dient der Turm als Unterschlupf und Schutz gegen einen herannahenden Sturm. Allerdings muss man wohl etwas Mut aufbringen, um dieses gewaltige Bollwerk zu betreten, es hat eine ziemlich unheimliche Ausstrahlung.

Martin:
In Europa ist "Songs For The Lost" bei Cruz Del Sur Records erschienen, einem noch recht jungen Label, das sich aber binnen kürzester Zeit zur ersten Adresse für anspruchsvollen, aufregenden Heavy Metal reinsten Wassers gemausert. Ich erinnere nur an die exzellenten Alben von HAMMERS OF MISFORTUNE, IGNITOR, SLOUGH FEG und PHARAOH. Wie seid ihr mit Cruz Del Sur in Kontakt gekommen?

Jason:
Ich kenne die Jungs von WIDOW und PHARAOH ganz gut und die wussten nur Gutes zu berichten von diesem Typen namens Enrico. Nicht nur dass er klassische amerikanische Metal-Bands unter Vertrag nimmt, er macht auch noch gute Promo-Arbeit, hat ein gutes Gespür fürs Geschäft und hält seine Versprechungen. Ich habe ihm dann eine E-Mail geschrieben und ihm das Album zum Europa-Release angeboten.

Martin:
Mit Bart Gabriel und seiner berühmt-berüchtigten Dragonight Agency arbeitet ihr ja auch zusammen...

Jason:
Schon irgendwie, aber einen offiziellen Vertrag oder so gibt es nicht. Wir haben per virtuellem Handschlag ein Unterstützungsabkommen geschlossen, wenn du so willst. Ich habe Bart über Myspace kennen gelernt, wenn ich mich recht erinnere. Allzu viel erwarte ich nicht, Dragonight arbeiten locker mit sehr vielen Bands zusammen. Ich glaube, die Jungs mögen einfach ICARUS WITCH und das, wofür die Band steht. Aber wenn wir durch diesen Kontakt auch nur eine größere Show oder einen Platz auf einem Festival-Billing in Europa kriegen, hat sich die Sache schon gelohnt.

Martin:
Nachdem du dich hier als erlesener Kenner der Metal-Szene gezeigt hast, würde mich mal brennend interessieren, welche klassischen Alben dir besonders wichtig sind. Allerdings meine ich jetzt nicht Sachen wie SABBATH, MAIDEN oder DOKKEN, sondern eher so etwas wie vielfach übersehene Perlen.

Jason:
Zunächst muss ich da "No Parole From Rock'n'Roll" von ALCATRAZZ nennen, eine wirklich perfekte Scheibe von Anfang bis Ende. Das Teil hat Klasse und Stil, Feuer unterm Hintern und enthält nur Hits, für mich die beste Arbeit von Yngwie. Dazu kommt "Awaken The Guardian" von FATES WARNING, geniales Kopfkino, dieses Album zieht mich jedes Mal total in seinen Bann. Dann sollte ich die gleichnamige Platte von FASTWAY nicht vergessen, das ist für mich so ein Beispiel für eine völlig unterbewertete Scheibe, grandioser klassischer Riff-Rock, und dieser Sänger, der auf einmal aus Irland auftaucht und so göttlich singt wie sonst nur Robert Plant! Das selbstbetitelte Album von ADRIAN VANDENBERG ist eines der grandiosesten Gitarren-Alben seiner Zeit und enthält mit 'This Burning Heart' die vielleicht beste Metal-Ballade aller Zeiten. Essenziell ebenfalls: "Mean Streak" von Y&T, eine sehr amerikanische Platte, klingt wie VAN HALEN mit mehr Muskeln, hehehe. Irgendwie schaffen die Jungs es, Arena-Feeling und Bar-Atmosphäre gleichzeitig zu verbreiten. Außerdem fand ich das Cover immer schon toll. Last, but not least, will ich noch "Headhunter" von KROKUS erwähnen. Diese Platte rockt wie die Hölle, sage ich dir – das Meisterstück dieser Schweizer Truppe! Da sind so grandios geile Songs drauf wie 'Eat The Rich' oder 'Screaming In The Night', das sind wahre Metal-Klassiker. Was ich übrig ulkig finde ist, dass sich die Bands zu dieser Zeit fast alle mit nacktem Oberkörper ablichten ließen... LEPPARD, KROKUS, THE RODS... ob denen jemand erzählt hat, sie würden so mehr Platten an Mädchen verkaufen? Kann mir kaum vorstellen, dass jemand ernsthaft geglaubt hat, das sei sexy oder tough, hahaha...

Martin:
Werden wir ICARUS WITCH in Kürze auch mal live in Europa zu erleben?

Jason:
Kann ich dir nicht versprechen! Wir haben immer signalisiert, dass wir sehr gerne rüber kommen würden, dem Label und den Promotern. Aber du darfst nicht vergessen, dass es ja schon 5000 Dollar kostet, einfach nur die Band einzufliegen, dann braucht man ein Fahrzeug, Unterkünfte und so weiter. Aber wir werden jede Chance nutzen, damals beim Headbangers Open Air, das war wirklich ein fantastisches Erlebnis.

Martin:
Möchtest du unseren Lesern sonst noch etwas mitteilen?

Jason:
Ich möchte mich erstmal für das Interview bedanken. Es freut mich immer sehr, wenn die Leute sich mit uns und unserer Musik beschäftigen und versuchen zu verstehen, was wir ausdrücken wollen. Die Musik ist das Einzige, was wirklich zählt, darum hoffe ich, dass möglichst viele Fans mal in unsere Platte reinhören - und wenn ihnen gefällt, was sie da hören, sich das Teil natürlich auch kaufen! Wir stehen jedenfalls mit Leib und Seele hinter dem, was wir tun, und geben 100% von uns in die Musik. Außerdem gibt es nicht viele Bands heutzutage, die einen solchen Sound spielen wie wir!

Redakteur:
Martin van der Laan

Login

Neu registrieren