HYPOCRISY: Interview mit Mikael Hedlund

01.01.1970 | 01:00

HYPOCRISY im Dauerstress, und Mikael Hedlund nimmt sich kurz Zeit, um bei mir durchzuklingeln. Der ruhige Bassist erzählt zwar nicht so gerne von Alkohol-Exzessen wie Frontman Peter Tägtgren, dafür umso mehr über das neue Album "The Arrival" und dessen Vorgänger "Catch 22".

CARSTEN:
Hy Mikael, wie geht's?

MIKAEL:
Gut, danke.

CARSTEN:
Was hast du die letzten Tage so gemacht?

MIKAEL:
Die Promotion und Tourvorbereitung nehmen jeden Tag in Anspruch.

CARSTEN:
Und wie war die vergangene Tour mit DIMMU BORGIR?

MIKAEL:
Die war klasse. Beide Touren in Europa und Amerika waren riesig für uns.

CARSTEN:
Was war deiner Ansicht nach das beste Konzert?

MIKAEL:
Bestes Konzert, oh, das ist schwer zu sagen. Ich würde sagen, alle Konzerte waren gut, aber es gab eines in Europa, das mich überrascht hat. Als wir in Schweden spielten, kamen 3.000 Zuschauer. Ich habe in Schweden gar nicht so viele erwartet.

CARSTEN:
Ich habe euch in Köln gesehen, war eine gute Show.

MIKAEL:
Ja, die war auch gut.

CARSTEN:
Im "Hammer" erschien ein Metal-Quiz zwischen euch und DIMMU BORGIR. Ihr hattet keine Chance gegen Nick Barker. Wart ihr außer Form? Zu viel Alkohol?

MIKAEL:
(lacht) Nein, in diesem Moment nicht, glaube ich zumindest. Ich war wohl mehr von dem Treffen mit ihnen beeindruckt.

CARSTEN:
Wo wir grad beim Thema sind - was war der lustigste Moment auf der Tour?

MIKAEL:
Der lustigste ... oh, hm ...

CARSTEN:
Gibt es einen speziellen Moment, der dir einfällt, wenn du an die Tour denkst?

MIKAEL:
Hm ...

CARSTEN:
Die Backstage-Partys?

MIKAEL:
Die gibt's natürlich immer auf Tour.

CARSTEN:
DIMMU BORGIR's Silenoz hat einen Text für euer neues Album geschrieben, oder?

MIKAEL:
Ja, er hat den Text für 'New World' geschrieben. Der ist auch sehr gut. Auch Swan Danö (Ex-Produzent) hat fünf Songtexte geschrieben.

CARSTEN:
Davon hab ich gehört. Er hat hauptsächlich über Aliens geschrieben.

MIKAEL:
Ja, das ganze Album hat ja dieses Alien- und Science-Fiction-Konzept.

CARSTEN:
Wie wichtig ist denn die Alien-Thematik für euch persönlich? Seid ihr beispielsweise große Akte-X-Fans oder so was in der Richtung?

MIKAEL:
Ich selbst nicht so sehr. Ich sehe mir zwar gerne diese Dokumentationen an, die sie im Fernsehen zeigen. Aber ich bin nicht so sehr interessiert wie Peter, der ist ja völlig darin vernarrt.

CARSTEN:
Wie würdest du denn euer neues Album "The Arrival" einem Außerirdischen beschreiben?

MIKAEL:
Einem Außerirdischen? (lacht) Ich würde ihm zum Vergleich erzählen, dass unser letztes Album "Catch 22" etwas ungewöhnliche Stücke enthielt. Das neue Album geht mehr zurück zu Alben wie "Abducted". Viele Leute sagen das und ich stimme ihnen zu. Es enthält mehr Melodien und mehr Midtempo-Songs, und ich denke, das ist es, was wir am besten können.

CARSTEN:
Was würdest du sagen, wie groß die Unterschiede zwischen "The Arrival" und "Catch 22" sind?

MIKAEL: Nun, viele Leute sagten "das sind nicht HYPOCRISY" über "Catch 22", aber dem würde ich nicht zustimmen. Es ist natürlich immer noch HYPOCRISY auf diesem Album, aber sicherlich geht das Neue, wie soll ich sagen, etwas mehr zurück in die Vergangenheit. Zurück zu dem, was wir früher taten, aber in einer neuen, frischeren Art.

CARSTEN:
Siehst du "Catch 22" heute auch kritisch, so wie es einige Leute taten?

MIKAEL:
Nein, ich liebe dieses Album. Ich denke, es ist ein sehr gutes Album. Ich bin ein bisschen enttäuscht davon, was die Leute darüber sagten.

CARSTEN:
Einige Kritiker sprachen ja sogar von Nu Metal. Wie denkst du darüber? War "Catch 22" eine Art Nu Metal?

MIKAEL: Nein, das denke ich nicht. Gut, zu dieser Zeit waren wir vielleicht etwas von SLIPKNOT beeinflusst, weil wir die sehr oft gehört haben. Aber es ist nicht so, dass wir unseren Stil in Richtung Nu Metal ändern wollten.

CARSTEN:
Ihr wolltet also nicht auf die Nu-Metal-Welle aufspringen?

MIKAEL:
Nein, nein. Ich denke, wir haben unseren eigenen Stil.

CARSTEN:
"The Arrival" scheint ja das ultimative Album zu sein, das eure Fans hören wollen. Siehst du das auch so?

MIKAEL:
Genau so sehe ich das. Sicherlich waren die Leute enttäuscht von der "Catch 22", zumindest einige. Natürlich hörten wir uns an, was die Leute darüber sagen. Also sagten wir, "lasst uns das tun, was wir am besten können". Ich meine, es ist halb und halb, unsere Wahl, Songs zu schreiben.

CARSTEN:
Ihr scheint euch viel darum zu kümmern, was eure Fans sagen. Dachtet ihr nie darüber nach, zu sagen "es kümmert uns nicht, was die Leute sagen; "Catch 22" ist der neue HPOCRISY-Stil und wir gehen diesen Weg weiter"?

MIKAEL:
Nein, wie gesagt, es ist 50:50. Wir müssen uns schon anhören, was die Fans sagen. Das ist, denke ich, sehr wichtig.

CARSTEN:
Als ich mir "The Arrival" zum ersten Mal anhörte, dachte ich: O.k., auf der einen Seite gibt es wieder die typischen HYPOCRISY-Songs der späten Neunziger. Aber auf der anderen Seite hätte sich ein Song wie 'Stillborn' auch auf der "Catch 22" befinden können. War es auch eure Absicht, alte und neue Sounds zu kombinieren?

MIKAEL:
Ähm, darüber denken wir gar nicht so viel nach. Das kommt mehr aus dem Bauch heraus. Aber ein Song wie 'Stillborn' hätte, wie du bereits sagtest, auch auf der "Catch 22" sein können. Er ist er eben nur gitarrenlastiger. Aber über so etwas denken wir nicht so viel nach.

CARSTEN:
Wer hat eigentlich die Riffs von 'Stillborn' geschrieben?

MIKAEL:
Das war tatsächlich ich. Ich habe schon einige Leute gehört, die sagten, die Riffs seien von Bands wie PAIN beeinflusst. Ich bin ein großer Fan von PAIN, vielleicht kommt es daher. (lacht)

CARSTEN:
Wie läuft das, wenn Peter und du neue Songs schreiben?

MIKAEL:
Speziell bei diesem Song hat es sehr gut geklappt, es war wie eine Teamarbeit zwischen mir und Peter. Er kam mit einem Riff, dann ich mit dem nächsten. Wir haben das halbe Album zusammen geschrieben.

CARSTEN:
Und wie groß ist der Anteil von Lars (Ex-Drummer, s.u.)?

MIKAEL:
Er kam nur mit ein paar Riffs, ich weiß auch nicht, warum.

CARSTEN:
Und was ist mit Andreas? Ist er inzwischen zu einem vollständigen Mitglied von HYPOCRISY geworden?

MIKAEL:
Ja. Er ist schon sehr lange Zeit ein guter Freund. Er und ich haben schon vor HYPOCRISY zusammen in einer Band gespielt. Ich kenn ihn schon seit der Schule. Er ist auch ein guter Songschreiber und wir haben mit ihm ja schon oft live als Session-Gitarrenspieler zusammengearbeitet. Dann sagten wir, es ist Zeit, ihn als permanentes Mitglied in der Band zu haben. Ich denke, dass das sehr positiv für uns als Band und für das zukünftige Songwriting ist.

CARSTEN:
Hat er schon etwas zum neuen Album beigesteuert?

MIKAEL:
Nein, zu "The Arrival" hat er noch nichts beigesteuert, das wird er beim nächsten Album tun.

CARSTEN:
Dann bin ich mal auf das nächste Album gespannt, wenn er mitarbeitet.

MIKAEL:
Ja, bin ich auch.

CARSTEN:
Was war denn für dich das Wichtigste bei den Aufnahmen zum neuen Album?

MIKAEL:
Es war, wie ich bereits sagte, eine gute Teamarbeit, mehr denn je. Wir rücken immer näher zusammen und machen alles gemeinsam.

CARSTEN:
Ist "The Arrival" das absolut Beste von HYPOCRISY oder könnt ihr sogar noch kreativer sein?

MIKAEL:
Ich denke, dass man sich natürlich immer weiter entwickeln kann. Aber das ist schon mit das Beste, was wir machen können.

CARSTEN:
Wie wichtig ist "The Arrival" für HYPOCRISY?

MIKAEL:
Natürlich ist jedes Album wichtig. Vielleicht ist diese jetzt wichtiger, gerade weil die Leute von "Catch 22" verwirrt waren.

CARSTEN:
Anders herum gefragt: Sind Touren und Konzerte vielleicht wichtiger als Alben?

MIKAEL:
Ich weiß nicht, ob sie wichtiger sind, aber sie machen auf jeden Fall mehr Spaß.

CARSTEN:
Mehr Spaß als im Studio zu sitzen?

MIKAEL:
Ich mag es, live zu spielen. Aber vielleicht ist es 50:50.

CARSTEN:
Was erwartest du von der bevorstehenden Tour mit CANNIBAL CORPSE?

MIKAEL:
Ich denke, das wird sehr gut. Als wir mit DIMMU BORGIR spielten, waren sehr viele Black-Metaller im Publikum. Bei der US-Tour mit CANNIBAL CORPSE werden sicher mehr Death-Metaller kommen. Das passt perfekt zu uns.

CARSTEN:
CANNIBAL CORPSE haben in den USA bereits einen Namen. Eine Tour mit ihnen kann also sehr gut für euch sein.

MIKAEL:
Ja, natürlich. Die Leute erzählen, dass jede ihrer Shows sehr laut sei. Wir werden sehen.

CARSTEN:
Im Gegensatz zu Europa habt ihr ja noch keinen so großen Namen in Amerika.

MIKAEL:
Es ist zwei Jahre her, dass wir unsere erste Tour in Amerika spielten. Und das erst nach zehn Jahren. Ich denke also, dass es an der Zeit ist, mehr in Amerika zu spielen.

CARSTEN:
Gibt es Unterschiede zwischen den Konzerten in Europa und Amerika?

MIKAEL:
Eigentlich gibt es keine Unterschiede, außer vielleicht, dass in den USA mehr Leute zu den Konzerten kommen.

CARSTEN:
Gibt es Unterschiede zwischen Zuschauern?

MIKAEL:
Nein, würde ich nicht sagen.

CARSTEN:
Es gibt ja auch eine neue HYPOCRISY-DVD. Was können wir davon erwarten?

MIKAEL:
Ja, das ist die Limited-Edition der neuen CD. Die ersten 1.000 Kopien enthalten die Show vom Summer Breeze 2002.

CARSTEN:
Enthält die DVD auch Backstage-Szenen? Auf eurem Wacken-Video sah man euch ja Bier trinkend im Pool oder Lars, wie er ein paar Porno-Magazine herumzeigt. Gibt's solche Szenen wieder?

MIKAEL:
Nein, es ist nur das Konzert vom Summer Breeze. Es wäre schöne gewesen, ein paar Backstage-Szenen mit drauf zu haben. Wir haben bei unseren Touren aber nie Backstage-Kameras dabei. Vielleicht sollten wir das mal einführen.

CARSTEN:
Spielst du eigentlich noch in anderen Bands neben HYPOCRISY?

MIKAEL:
Nein, derzeit habe ich kein Nebenprojekt. Im Moment konzentrieren wir uns hundertprozentig auf HYPOCRISY, da bleibt keine Zeit für so etwas.

CARSTEN:
Peter spielt ja noch bei PAIN. Wie funktioniert das? Sagt er plötzlich "jetzt ist PAIN dran" und ihr seht ihn dann für ein halbes Jahr nicht mehr?

MIKAEL:
Nein, er ist ein Workaholic. Wenn er etwas macht, dann hundertprozentig. Er würde nie sagen "so, jetzt machen wir mal ein bisschen HYPOCRISY".

CARSTEN:
Gibt es etwas, was du euren Fans sagen möchtest?

MICKAEL:
Ja, ich hoffe, ich sehe euch alle auf der Tour im März und April, bei den No-Mercy-Festivals und bei den Festivals im Sommer. Und hoffentlich gefällt euch das neue Album.

CARSTEN:
Und was können euren Fans von euren Shows erwarten?

MIKAEL:
Sicherlich werden wir eine völlig neue Setlist spielen. Wir haben jetzt zwei Jahre lang fast dasselbe gespielt und werden nur drei Songs von der alten Setlist beibehalten.

CARSTEN:
Was ist denn dein Lieblingssong vom neuen Album?

MIKAEL:
Natürlich mag ich sie alle, weil ich sehr zufrieden mit dem Album bin. Aber ich würde vielleicht 'Eraser' sagen, der zweite Song, weil wir zu dem letzte Woche auch ein Video gedreht haben.

CARSTEN:
Hab ich noch nicht gesehen, warum geht's in dem Video?

MIKAEL:
Ich hab's auch noch nicht gesehen. Es geht um dieses Science-Fiction-Konzept und ein paar nackte Ladies, die schwarz angemalt sind. Ich bin selber schon sehr gespannt, es zu sehen. (lacht)

CARSTEN:
Science-Fiction ist ja wirklich wichtig für HYPOCRISY.

MIKAEL:
Ich denke, es ist verbunden mit HYPOCRISY.

CARSTEN:
Vielleicht hat ein paar Leuten genau das auf dem letzten Album gefehlt.

MIKAEL:
Weiß ich nicht genau, glaub ich aber nicht.

CARSTEN:
O.k., dann dank ich dir für deine Zeit und wünsche euch alles Gute für die Tour.

MIKAEL:
Danke. Bye.

p.s.: In dem Interview ging leider völlig unter, dass Lars Szöke die Band nach den Aufnahmen verlassen hat. Wie ich mittlerweile erfuhr, gab es nach zwölf Jahren "unüberbrückbare Differenzen". Nachfolger ist Horgh, der zuvor bei IMMORTAL und auch schon bei Peter Tägtgrens Zweitband PAIN hinter der Schießbude saß.

Redakteur:
Carsten Praeg

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