HELLRAISER-CLUB ENGELSDORF: Interview mit Wito

01.01.1970 | 01:00

Das Tor zur Hölle steht ausgerechnet in einem Leipziger Vorort namens Engelsdorf. Dort existiert seit 1992 der "Hellraiser" und hat seitdem wohl wie kein anderer Club die Metalszene in Sachsen geprägt - schon allein wegen der langen Haltbarkeit von inzwischen zwölf Jahren mit Metal, Bier und guter Laune. Seit den Anfangstagen ist Wito Apitzsch dabei - er war bereits Chef des Clubs, jetzt ist er für das Buchen der Bands zuständig. Er erinnert sich: "Alles fing um 1992 herum an. Damals veranstalteten wir ab dem Frühjahr Metaldiscos in verschiedenen Clubhäusern. Es gab aber immer Ärger mit Anwohnern. Dann kamen wir auf die Idee einen Verein zu gründen." Der brauchte einen Namen: Wito hat gerade das damals aktuelle MOTÖRHEAD-Album "March Or Die" in der Anlage laufen, ein Song darauf heißt "Hellraiser"... Mit dem neuen Hellraiser-Verein im Rücken finden die Metalheads erst einmal Unterschlupf im Gasthof Engelsdorf, dort können sie den "Kartoffel-Keller" für bis zu 150 Fans ausbauen: Der Hellraiser ist geboren - bis 1996. Dann wollen die Metal-Mannen einen größeren Club, eine ehemalige Disko scheint der perfekte Ort. Wito: "Damals hatten wir schon den Bürgermeister von Engelsdorf auf unserer Seite. Er hat uns tatkräftig unterstützt. Mit rund 40 Leuten stampften wir den Club im Sommer 1996 aus dem Boden - dort gab es dann schon Duschen für Bands und auch ein Büro." Bis zu 500 Leute fasst die neue Location. Doch dann kommt er, der extreme Sackgang: Im Sommer 1998 flattert die Kündigung vom Vermieter ins Haus, der große Konzern RAB will das Haus wegen eigener großer Bauvorhaben abreißen. Einen Rechtsstreit will die Hellraiser-Crew nicht riskieren: Sie räumen kampflos das Feld, im Gegenzug hilft RAB den Metalfans bei der Suche nach einem neuen Domizil. "Mit so einer Firma im Rücken ging das recht leicht", sagt Wito. Jetzt ist es also das Haus auf der Werkstättenstraße in Engelsdorf, es steht auf einem ein älteren Gelände der Deutschen Bahn. Als die Hellraiser-Leute Anfang 1999 beginnen, ihre neue Bude zu sanieren, erleben sie erst einmal ihr blaues Wunder. "Es gab kein Wasser, keinen Strom, keine Heizung. Zum Teil sind die Pinsel in der Farbe eingefroren. Wir liefen zum Teil wie Polarforscher herum, haha."

Sonstige Höhepunkte der Arbeit bis dahin: Zwei Festivals, 1995 und 1998. Wito: "1995 waren unter anderem HYPOCRISY da - wir hatten in unserem jugendlichen Übermut einfach ein paar Bands angeschrieben und Peter hat zuerst geantwortet. Das war auch noch die Zeit, wo du Leute zum Beispiel noch mit einer Metaldisco anlocken konntest. Jedenfalls war das Open-Air ein echter Erfolg. Und Peter wollte dann schon gar nicht mehr zurück ins Hotel und lag besoffen in meiner Bude, haha." Dann kommen aber die Umzüge, das Geld wird knapper. 1998 wagen die Leute vom Hellraiser noch einen zweiten Versuch und organisieren zusammen mit Folter Records das erste "Under The Black Sun"-Festival, damals mit so illustren Black-Metal-Bands wie ENSLAVED, EINHERJER, GEHENNAH oder LORD BELIAL. "Danach hatten wir unser eigenes Haus. Und bekomme erst einmal 1000 Leute in einen Konzertsaal - da denkst du bald nicht mehr an Festivals. Außerdem war das Gelände damals nicht wirklich geeignet, besonders wegen der Nähe zu den Anwohnern", erklärt Wito, warum es keine vom Hellraiser organisierten Open-Airs mehr gibt.

Denn irgendwann sind die Arbeiten am neuen Haus in der Werkstättenstraße fertig, neben dem Club entsteht ein Jugendclub, in dem Hellraiser-Wito auch arbeitet. Ab Frühjahr 1999 laufen erste Konzerte. Heute stehen zwei verschiedene Räume zur Auswahl: Der große Saal bietet Platz für knapp 900 Leute, in den kleineren Raum passen rund 200 Menschen. Die Konzi-Palette reicht dabei von derbem Death Metal bis inzwischen sogar zu Elekro-Mugge. Die geschmackvoll-düsteren Airbrush-Bilder an den Wänden stammen aus der Hand von Meister Wito selbst. Das Bier bei den Partys kostet zwei Euro für den halben Liter, die Whiskey-Cola mit 4cl Alk gibt?s für drei Euro. Die Konzerte werden von den zwölf Vereinsmitgliedern selbst geschmissen, Geld bekommt niemand. Wito erklärt: "Wer bei uns mitmachen möchte, durchläuft erst einmal eine rund einjährige Probezeit. Dafür bekommt jedes Mitglied unseres Vereins eine Weste mit Hellraiser-Aufnäher. Diesen Patch gibt es in drei Teilen - wer sich alle drei Stück verdient hat, ist vollwertiges Mitglied im Hellraiser-Team." Und was soll das bringen? Schöne Erinnerungen mit Bands wie HYPOCRISY oder SIX FEET UNDER zum Beispiel, von denen Wito schwärmt: "Sehr korrekt, solche Bands sind umgänglich, kennen ihre Fans noch und sind richtig nett. Auch von DEICIDE war ich positiv überrascht, bei uns war Glen Benton sehr nett und freundlich. Immer wieder gern sehen wir auch Bands wie VADER oder DESASTER hier, diese Typen sind trotz ihres Erfolgs allesamt auf dem Boden geblieben." Über Jahre hinweg war der Hellraiser auch konkurrenzlos in Leipzig und Umgebung: Nun gibt es die "Heavy Metal Nix Im Scheddel"-Veranstaltungsreihe: Ernste Konkurrenz? Wito verneint: "Eche Konkurrenz war früher eher der ?Alarm!? in Zwickau, als es den noch gab. Die Scheddel-Leute machen ihren Job gut. Unser Konzept ist aber anders, dort kommt ja eher nur ?Knüppel?-Mugge. Aber für die Fans ist eine Adresse mehr natürlich nicht schlecht." Doch trotz solcher positiver Zeichen sieht der nun fast 40-jährige Wito die Gattung "Metalhead mit Idealismus" fast schon ausgestorben oder auf dem großen Tisch "Kommerz" geopfert. Wito: "Früher konnten wir wesentlich mehr Auftritte machen - doch es ist eben alles teurer geworden. Zum Glück haben wir nicht allzu hohe Mietkosten und sind nicht darauf angewiesen, pro Monat eine bestimmte Zahl von Konzerten zu veranstalten. Dadurch müssen wir auch nicht irgendwelche völlig überzogenen Gagen zahlen und können da zumindest ein bisschen gegensteuern."

[Homepage des Hellraiser-Clubs:]www.hellraiser-darkland-ev.de

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Redakteur:
Henri Kramer

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