HARPYIE: Interview mit Aello

23.04.2017 | 22:15

Erwecke das Tier in dir! HARPYIE appelliert mit dem neuen Album der Mittelalter-Rocker an unsere animalischen Instinkte. "Anima" erscheint am 28. April. Wir sprachen mit Sänger Aello Freitag...

Die altehrwürdige Mittelalterszene erlebt in den letzten Jahren einen Wandel, wie Aello Freitag findet. "Mittlerweile ist die Szene ziemlich gemischt", so der Sänger von HARPYIE. "Viele großen Bands ziehen sich immer mehr zurück. Dafür kommen junge Gruppen nach, die du in zwei verschiedene 'Lager' einteilen kannst. Da sind zum einen die richtigen Mittelalter-Fans. Die legen großen Wert auf möglichst authentische Musik. Die anderen sind da etwas experimenteller, freier. Leider gibt es davon nicht so viele." NACHTGESCHREI führt er als leuchtendes Beispiel an und KRAYENZEIT. Für ihn seien das Musiker, die aus den zahlreichen Gruppen herausstechen.

Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs steckt der sympathische Frontmann der Sturmvögel voll im Release-Stress. Am 28. April erscheint mit "Anima" der neue Langspieler von HARPYIE. "Wir machen noch sehr viel selbst, da sind diese Wochen sehr anstrengend", gesteht Aello. "Das spart zwar viel Zeit, aber Nerven nicht wirklich", fügt er lachend hinzu. Die Arbeit abgeben? Das kommt für ihn dennoch nicht in Frage. "Auf das Artwork habe ich aber auch richtig Bock", sagt er. "Wenn jemand anderes unser Cover gestalten würde, würde das nie genauso werden, wie ich mir das vorstelle." Kreativität beweist HARPYIE jedoch nicht nur beim fast dystopischen Design der "Anima"-Scheibe und den ungewöhnlichen Bühnen-Outfits, die die Truppe schon beim Vorgänger, der "Freakshow", zum Blickfang machten. Denn für den geneigten HARPYIE-Fan gibt es mittlerweile sogar das passende Getränk: 'Harpynol' heißt der Flugstoff für Sturmvögel. Ein Met, den HARPYIE bei den Konzerten verkauft. "Das kommt bei den Menschen richtig gut an", freut Aello sich. "Die Kunde ging schnell rum."

Bis Ende April ist HARPYIE gemeinsam mit den Klamaukbarden von FEUERSCHWANZ auf deren "Sex Is Muss"-Tour unterwegs. Auf die Frage, ob alles so läuft wie die Band sich das vorgestellt hat, muss Aello erst einmal breit grinsen. "Ich glaube, es läuft nicht so, wie das Publikum es sich vorgestellt hat", beginnt er. "Viele kannten uns noch nicht, daher hatten wir den Überraschungseffekt auf unserer Seite." Die Resonanz fiel jedoch durchweg positiv aus. Dazu hat Aello sogar handfeste Zahlen. "Das kann man am Verkauf am Merch-Stand sehr gut sehen", erklärt er. "Wenn Fans da sind, verkaufen wir zumeist viele T-Shirts. Kennen viele unsere Musik noch nicht und fanden uns gut, gehen die CDs besser weg. Dass wir bei dem FEUERSCHWANZ-Publikum so gut ankamen, freut mich aber sehr."

Wo wir schon bei positiven Reaktionen sind: Auch von der Presse bekam "Anima" bisher nur Topnoten und wurde durch die Bank weg gelobt. Haben die Sturmvögel damit gerechnet? Aellos Antwort fällt kurz aus: "Nein." Dann holt der Sänger doch ein wenig weiter aus: "Wir haben natürlich schon das bewährte Konzept der "Freakshow" weiter verfolgt - never change a winning team. Aber dass wir schon vor dem Release und vor der Veröffentlichung der Musikvideos so ein tolles Feedback bekommen... das ist überwältigend." Auch freue es ihn sehr, dass ein Favorit unter den Tracks bisher noch nicht wirklich auszumachen sei. "Jeder hat da seinen eigenen Liebling." Ein Muster, das sich auch bandintern fortsetzt. "Wir waren uns noch nie so uneins", gesteht er. Das sei von der Reihenfolge der Songs bis hin zur Entscheidung gegangen, welche Songs es überhaupt auf das Album schaffen. 
Auch das Leitthema "Anima" habe nicht von Anfang an derart klar festgestanden. "Wir wollten kein Album mit erhobenem Zeigefinger produzieren, eine Richtung, in die andere Bands aus der Szene derzeit gehen. Andererseits aber wollten wir schon die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen nicht außer Acht lassen", schildert Aello die ersten Gedankengänge von HARPYIE. Daraus sei der Gedanke entstanden, die Welt aus den Augen eines Tieres zu sehen. "Was braucht es denn, um die Probleme zu lösen, die aus unserer Lebensart entstanden sind?", schließt Aello und zitiert das Lied 'Schöne neue Welt': "Alles, was es braucht, für eine schöne neue Welt, ist, dass die alte in sich zusammenfällt." Daraufhin kamen immer mehr Lieder dazu. Erst der Country-Song 'Unter Geiern', den nach den Worten Aellos noch keiner als Country-Song erkannte und andere Lieder, die immer häufiger den Charakter des Albums herauskristallisierten: "Die Lieder hatten alle etwas Animalisches", resümiert Aello.

Doch auch wenn HARPYIE auf "Anima" durchaus soziale Missstände und Probleme unserer Gesellschaft anprangert, eines sind die Sturmvögel nicht: "Wir sind weder eine politische, noch eine religiöse Band", betont Aello und schiebt gleich hinterher: "Auch sehen wir uns nicht als typische Mittelalter-Band." HARPYIE sei keine Gruppe, die auf klassische Märkte passe. Privat sei das jedoch eine andere Sache: "Ich bin schon gerne dort unterwegs und treffe mich dort mit Freunden und Kollegen. Ich finde das schon sehr schön."
Einen klassischen Songwriting-Prozess gibt es bei den Sturmvögeln übrigens nicht. "Für 'Ambra' stand beispielsweise erst der Text und dann die Musik. Ich fand das Thema spannend und wollte darüber schreiben", erzählt Aello. 'Berserker' sei hingegen zuerst musikalisch entstanden. "Das ist der härteste Song, den ich je geschrieben habe. Das wollte ich auch schon immer gerne mal tun." Manchmal fanden auf der Platte auch verschiedene Puzzleteile einfach zueinander. "Den Text von 'Vom alten Eisen' gab es schon länger. Die Musik ebenfalls - die haben dann auf diesem Album einfach zusammengefunden."

Nach der langen Studiophase freut Aello sich jetzt erst einmal auf die eigene Tour mit dem neuen Album. "Im Januar werden wir dann auf große Doppel-Headliner-Tournee mit KRAYENZEIT gehen. Darauf freue ich mich schon sehr!"

Redakteur:
Leoni Dowidat

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