Gruppentherapie: SADUS - "The Shadow Inside"

29.11.2023 | 16:51

Sieben Blickwinkel auf das SADUS-Comeback.

Das Comeback der kalifornischen Extrem-Thrasher wird von unserem Thrash-Profi Holger (zum Review von "The Shadow Inside") sehr wohlwollend aufgenommen und wird auch im aktuellen Soundcheck mit Platz sieben honoriert. Fünf Siebener-Noten sprechen für grundsolide Arbeit. Doch ist dies Stoff für unsere Gruppenverarztung? Ganze sieben Redakteure leihen den Oldies ein Ohr und kommen zu recht unterschiedlichen Schlüssen.



Mensch SADUS. Da hast du mir aber eine richtige Achterbahn beschert. Hatte es mir das schöne Artwork zuerst ziemlich angetan und eine gewisse Spannung erzeugt, so kam meine Ernüchterung beim Blick auf den Promozettel. Och nee – nicht Thrash Metal und dann auch noch von irgendeiner Truppe die in den 1990er Jahren im Underground Erfolge feierte. Da hab ich doch direkt schon wieder keinen richtigen Bock mehr auf "The Shadow Inside". Aber nun gut, Metal-Scheiben sind wie ein großes Buffet – probiert wird alles.

Und das war eine gute Entscheidung, denn ähnlich wie unser Hauptrezensent, bin ich vom Beginn mit 'First Blood' sehr angetan und auch im weiteren Verlauf muss ich eingestehen, dass SADUS mit 'It's The Sickness', 'Pain' und 'The Shadow Inside' weitere echt gute Banger in petto hat. Keine Hits oder gar Meisterwerke, aber richtig ordentliche Songs. Somit Überraschung gelungen, und meine Erwartung, dass das alles etwas altbacken oder zwanghaft Retro klingt, wurde auch nicht bestätigt.

Merkt ihr trotzdem etwas? Genau. Ich habe exakt die gleichen Tracks rausgepickt, wie mein Kollege Holger in seiner Hauptrezension. Und das hat den banalen Grund, dass die anderen fünf Songs dieses Niveau nicht mitgehen können. Der Trackliste sei Dank gibt es also auch hier ein stetiges Auf und Ab zwischen guten Momenten und purem Genredurchschnitt, der jemanden, der mit Thrash Metal wenig anfangen kann, zusehends langweilt. Somit acht Punkte für die guten und sechs Punkte für die weniger gelungenen Momente, was bedeutet, dass bei ungefähr gleichem Verhältnis sieben Punkte als Saldo bleiben. Manchmal kann es so einfach sein.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]


Ach ja, die gibt es auch wieder? Ein großer Fan der Band war ich leider nie, immer empfand ich sie als zu eindimensional und das Mikro-Gebelle eher störend als gut, und obendrein waren die Speedattacken meiner Ansicht nach immer ein kleines bisschen zu schnell. Konnte man weder nach bangen noch richtig abgehen, es war einfach schon zu nah an Blastbeats.

Zugegeben, heute kann ich gutturalen Gesang mehr ab als damals, aber Travis' Geröchel stößt mir immer noch als störend auf, wie beispielsweise in 'Scorched And Burnt'. Aber anders als früher setzt SADUS anno 2023 auf viel größere Abwechslung, die Musiker sind definitiv gereift, musikalisch ist "The Shadow Inside" ein hübsches Stück Thrash geworden, auch wenn die schnellen Stücke immer noch einfach einen Tick zu schnell sind, um meinen Nerv zu treffen. Trotzdem erkenne ich an, dass die Scheibe gut ist, aber an einigen Stellen und in manchem Aspekt an mir vorbeiläuft.

Note: 7,0/10
[Frank Jaeger]


So richtig kann ich Franks allgemeine Kritik an der Band nicht verstehen, da es für mich gerade diese überaus schnellen Thrash-Beats und das wieselflinke, typisch-chromatische Riffing sind, die besonders die ersten Alben der Band für mich zu echten Meisterwerken machen. So war ich nun gespannt, ob SADUS auch 2023 noch immer in diesen Tempi unterwegs ist. Der erste Track liefert die Antwort: Sie sind es immer noch! "First Blood" legt nach dem akustischen Intro richtig los und stimmt für die folgenden knapp 40 Minuten positiv.

Doch da liegt schon das erste Problem der Scheibe. Sie ist schlicht zu lang. Klar, ein Thrash-Album darf auch mal eine Dreiviertelstunde oder länger dauern. Diese sei dann bitte aber auch gut gefüllt, was hier nicht immer der Fall ist. So ziehen sich viele Songs noch, nachdem sie eigentlich schon alles ausgesagt haben, was besonders bei 'The Devil In Me' auffällt. Daneben geht einem die Stimme nach einigen Durchläufen auch gehörig auf die Nerven und das vor allem, weil diese nicht zum Rest der Produktion passt. Hätte das Album insgesamt einen roheren Sound und nicht den typischen Nuclear-Blast-Plastik-Thrash-Sound, den dieses Jahr zum Beispiel auch OVERKILL bekommen hat, dann würden sich Stimme und Instrumentalfraktion wohl besser zusammenfügen.

Abgesehen davon macht die Scheibe mir in den aggressiven Knüppel-Momenten schon Spaß. So hätte man diese Platte meiner Meinung nach gerne auch auf diese Momente reduzieren können, womit man bestimmt auf eine knackige halbe Stunde voller Brutalo-Thrash gekommen wäre. So verliert sich SADUS immer wieder in belanglosen Midtempo-Geschrubbe, das wohl niemand so richtig braucht und das man bei der nächsten Scheibe auch gerne weglassen kann.

Note: 7,5/10
[Kenneth Thiessen]


Hm, das sollte eine kontroverse Gruppentherapie werden und die ersten drei, die hier therapieren, landen alle im Siebener-Bereich? Was so viel bedeutet wie "gut, aber..."

Na, dann wollen wir mal den Bösewicht spielen. Dabei fange ich mit dem Guten an. Denn der erste Eindruck der Scheibe mit 'First Blood' suggeriert mir ein cooles SLAYER-Feeling, vor allem wenn es mit Vollspeed losgeht. Später mischt sich auch noch DEATH dazu, denn verschachtelte Breaks mit technischen Kniffen bekommt SADUS auch überzeugend aufs Band.

Der Eindruck verflacht aber zuhörends, denn im Vergleich zu den genannten Granden fehlt es mir bei SADUS an Charisma. Es mag an den allzu maschinell wirkenden Drums liegen, oder am staubtrockenen Gitarrensound, noch wahrscheinlicher aber an diesem heißeren Brüllgesang, bei dem ich schon beim Zuhören einen trockenen Hals bekomme. Schnell kommt dann auch noch ein größerer Nerv-Faktor dazu, ich meine damit die hektischen Dauerbreaks bei 'Scorned And Burnt'.

Ich entdecke dann in der Folge kaum schlüssiges Songwriting auf dieser Scheibe, da finde ich nichts, an das ich mich in zwei Wochen noch erinnern würde. Mehr noch, ich habe echt keinen Spaß, hier zuzuhören. Das ist Musik wie aus dem Zufallsriffgenerator ohne Wärme, ohne Emotion und trotz der Härte nicht einmal mit allzu viel Schmackes. Der einzige Punkt, bei dem ich einem meiner Vorredner voll zustimme, ist der von Kenneths Feststellung, dass das Album zu lang ist.

Note: 4,5/10
[Thomas Becker]

https://www.youtube.com/watch?v=m1tQEh1UKJ8

Na dann wollen wir doch zur Kontroverse beitragen, denn ich höre zwar die gleichen Eckpfeiler wie meine Kollegen heraus, komme aber zu einem anderen Fazit. Der historische Kontext von SADUS war mir dabei bei der Bewertung noch vollkommen unbekannt, denn der Soundcheck stellte meine erste Begegnung mit den Thrashern dar. Und diese war nicht unbedingt freudig, denn für jemanden wie mich, der generell nur Thrash in Maßen konsumiert und dann auch eher die groovig-melodischen Vertreter, ist diese größtenteils flotte oder gar rasante Riff-Attacke eine ziemliche Zerreißprobe für die Nerven.

Ähnlich wie Thomas höre ich auch viel zu wenig schlüssiges Songwriting heraus, stattdessen wirken Tracks wie 'Scorned And Burnt' so, als hätte das Trio unbedingt die Extreme auf die Spitze treiben wollen. Als junger und ungestümer Teenager geht diese Herangehensweise vielleicht noch in Ordnung, doch im gesetzten Alter wäre es doch schön, wenn die unbestreitbar starke handwerkliche Darbietung auch ein paar Momente abwerfen würde, die einem auch langfristig im Gedächtnis bleiben.

Natürlich gibt es aber auch ein paar Lichtblicke wie 'First Blood' oder 'Pain', weshalb ich am Ende auch eineinhalb Punkte mehr vergebe als mein direkter Vorredner, insgesamt bleibt "The Shadow Inside" aber leider eher anstrengend als Freude bereitend, sodass sechs Zähler wirklich das höchste der Gefühle sind.

Note: 6,0/10
[Tobias Dahs]


Es ist doch manchmal verhext. Da hört man ein Album für den Soundcheck mehrmals, aber es will nicht richtig zünden. Man merkt, dass das durchaus gut ist, aber es nicht richtig "klick" macht. Im Ergebnis gibt man - beziehungsweise ich - dann 7,0 Punkte. Und dann?

Zwei Wochen später hört man die Scheibe dann doch nochmal und direkt vom ersten Ton zündet die Scheibe und man fragt sich, warum das nicht sofort so war. Genauso erging es mir mit SADUS' Comeback-Platte "The Shadow Inside". Irgendwie wollte ich der Scheibe aufgrund dieser Gruppentherapie doch nochmal eine Chance geben und sofort hat mich 'First Blood' umgehauen und mitgerissen.

Was ich hier bei den Kollegen gar nicht verstehe, ist die Kritik an den Vocals. Darren Travis klingt so, wie es auf einer Thrash-Platte sein muss und er erinnert mich nicht selten an Steve "Zetro" Souza von EXODUS. Und auch die Gitarrenarbeit kann mich nunmehr sehr überzeugen. Insbesondere der genannte Opener, sowie 'It's The Sickness', 'Ride The Knife' und 'Pain' sind geile Thrash-Pfeile, die ihr Ziel mitten im Herz treffen. Sehr stark!

"The Shadow Inside" ist tatsächlich mal ein Fall, bei dem ich in der Gruppentherapie von meiner Soundcheck-Note abweichen muss, da ich nach dem jetzt Erlebten die 7,0 nicht mehr richtig erklären kann. Da sieht man mal wieder, dass man manchen Scheiben dann auch nochmal mit etwas Abstand eine Chance geben muss, was während des Soundchecks leider nicht immer möglich ist.

Note: 8,5/10
[Mario Dahl]

Gut Ding will Weile haben, mein lieber Mario. Aber ich gebe dir recht, denn "The Shadow Inside" brauchte auch bei mir einige Male, bis es an der Zündung dreht und Fahrt aufnimmt. Denn eigentlich macht SADUS auf der Comeback-Scheibe sehr viel richtig, auch wenn man merkt, dass die einstigen Glanztaten mehr als 30 Jahre zurückliegen. Doch es bringt nichts, alten Kamellen hinterherzutrauern, sollte man doch froh sein, dass nach 17 (!) Jahren wieder eine SADUS-Scheibe vorliegt, die der eigenen Historie durchaus geglückt Tribut zollt und trotzdem "Illusions" oder "Swallowed In Black" nicht nur lieblos kopiert, sondern dem eigenen Sound eine dezent moderne Note verleiht.

Denn auch im Hier und Jetzt sorgen die halsbrecherischen Doublebass-Attacken, schnelle, technisch versierte Kopp-ab-Riffs und ein ohnehin schon verflucht geiles Tempo für Nackenschmerzen erster Güte und 'First Blood', 'It's The Sickness' und 'Ride The Knife' klingeln zumindest an den Toren der späten 1980er Jahre. Auf Dauer können sich die 47 High-Speed-Minuten auch ziehen, doch als Geschwindigkeitsfanatiker, der es thrashig mag, kann man an "The Shadow Inside" sehr wenig aussetzen.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

https://www.youtube.com/watch?v=WeaQz48QT3c

Fotocredits: Nuclear Blast


Redakteur:
Thomas Becker

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