Gruppentherapie: PRIMORDIAL - "How It Ends"

03.10.2023 | 00:22

Rettung für die Wohnzimmerpalme!

Rang 6 im September-Soundcheck klingt eigentlich nicht schlecht. Doch im Falle von PRIMORDIAL ist das schon eine kleine Enttäuschung. Der Vorgänger "Exile Amongst The Ruins" war im März 2018 Soundchecksieger! Dasselbe gilt für "Where Greater Men Have Fallen". Doch schon Jhonnys Hauptrezension zu "How It Ends" klang trotz positiver Bewertung nicht mehr so ganz euphorisch. Und zwei Soundchecker kommen nicht einmal auf ein "gut" (7 Punkte). Brauchen wir hier Aufpeppel-Dünger?

Wenn die Iren ein neues Album ankündigen, werde ich vor Vorfreude nahezu erschlagen. Zugegeben, wir haben in diesem September-Monat schon einige Alben, die vor allem von der Atmosphäre leben. Doch PRIMORDIAL hat schon auf den vorangegangenen Alben gezeigt, in welchem perfekten Einklang Härte und Epik, Bodenständigkeit und Extreme, Verletzlichkeit und Erbarmungslosigkeit ineinander verschmelzen können. Fünfeinhalb lange Jahre hat es gedauert, bis mit "How It Ends" nun Album Nummer zehn in den Startlöchern steht, doch gut Ding will Weile haben und schon nach dem ersten, zweiten Durchgang steht fest, dass das neue Werk dem Vorgänger verdammt nahekommt. "Exile Amongst The Ruins" war 2018 schon eine Wucht und wer weiß, in welche Notenregionen die Zeit das aktuelle Album noch hieven kann. Doch im Hier und Jetzt beeindrucken die Machtdemonstrationen 'Plough To Rust, Swords To Dust', 'Pilgrimage To The World's End' sowie das abschließende 'Victory Has 1000 Fathers, Defeat Is An Orphan' enorm, obgleich die Mitte des Albums ein klein wenig schwächelt. Doch das rüttelt nahezu kaum an der Macht und jener Erhabenheit, die "How It Ends" effektiv ausstrahlt. Großes Kino!

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

PRIMORDIAL-Alben sind für mich immer wieder ganz wunderbare, völlig rauschmittelfreie Trips, die meine Seele auf Wanderschaft schicken durch die heidnische und frühchristliche Vergangenheit der irischen und britischen Inseln. Die uralten Mythen verwoben mit düsterer Schlachten-Poesie, die archaischen Emotionen, der Geist eines heldenhaften Überlebenskampfes in harten Zeiten - all das fasziniert mich an der unvergleichlichen PRIMORDIAL-Weltenerzählung. Tatsächlich schafft es diese großartige Band ihre Themen und Inhalte 1:1 in Musik zu übersetzen, die ihre Wurzeln im klassischen Heavy Metal hat und durch eine Melange aus BATHORY-Epik, Black-Metal-Elementen und an SKYCLAD & Co. erinnernden Klängen zu etwas gänzlich Einzigartigem und berührend Schönem wird. Dieses Kunststück gelingt PRIMORDIAL auch auf dem aktuellen Meisterwerk "How It Ends", das sich nahtlos in das formidable Œuvre der Iren einfügt. Die Kompositionen fließen erhaben dahin und erschaffen urtümliche Bilder und Szenerien vor dem inneren Auge. Die Atmosphäre knistert vor Bedeutsamkeit, man hat immer das Gefühl es passiere gerade etwas sehr Großes und Schicksalhaftes und man könne sich glücklich schätzen daran teilhaben zu dürfen. Ich werde hier keine Songs hervorheben oder auf irgendwelche Details eingehen. Dieses Album muss man als Ganzes genießen und erspüren. Kaum eine Band berührt mich tief im Inneren so sehr wie PRIMORDIAL. Darum bekommt natürlich auch "How It Ends" einen Ehrenplatz in meinem virtuellen Musikzimmer.

Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]

PRIMORDIAL rein. Kurze Vorfreude. Playbutton gedrückt. Ah, melancholisch. Oh, schöne Melodie. Och, irgendwie echt traurig. Kopf nickt trotzdem mit. Ha, Alan, da isser. Was eine Stimme. Immer knapp vor der Dissonanz. Mal kurz die Augen schließen. Irlands Weiten. So grün, aber auch ein bisschen braun. Warte mal, braun? Augen wieder auf, Blick nach links, voller Scham... die Wohnzimmer-Palme sollte doch eigentlich auch grün sein. Wann habe ich die zuletzt gegossen? Muss ewig her sein, die wirkt ja fast lebend kompostiert. Mal kurz gucken. Handy raus. Ach, es gibt Aufpeppel-Dünger? Absoluter Gamechanger. Wenn ich das mal früher gewusst hätte. Hätte viel Pflanzenleid erspart. Hugo, meine kleine Coco Purple Rain Orchidee. Vielleicht wären wir noch vereint. So musste ich dich irgendwann gehen lassen, nachdem du traurig deine Blütenköpfe abgeworfen hast. Träne verdrückt. Die Gedanken driften weiter. Irgendwann habe ich die komplette Einkaufsliste für den Wochenendeinkauf, die Arbeitstasks für morgen vorbereitet und das Wohnzimmer zumindest gedanklich neu arrangiert. Oh, da läuft ja noch Musik! Tja, so richtig packend ist "How It Ends" nicht. Aber doch irgendwie schön zum Wegdriften. Also alles wie immer.

Note: 7,0/10
[Julian Rohrer]

Was ich direkt vermisst habe, waren die alten, schaurig-schönen Statuen auf dem Cover. Irgendwie hatte ich erwartet, es würde eine Fortsetzung der Serie geben. Aber gut, es ist ja nicht die Bestimmung der Künstler, alle Erwartungen zu bedienen. Musikalisch allerdings empfinde ich es als genau das, was man sich als Fan erhofft – einfach PRIMORDIAL, von wütend bis schwermütig, drängend, anklagend, wehmütig. Der erste Song liefert direkt ab, für mich die Hymne des Albums "How It Ends". Oh ja, da habt ihr mich schon.

Offensichtlich mag ich es gerne dramatisch. Besonders die Stücke mit diesem drängenden Ausdruck in Musik und Stimme sprechen mich besonders an. Diese Energie - diese Stimme! Der Song 'We Shall Not Serve' eröffnet mit einer absolut charakteristischen PRIMORDIAL-Gitarre, dazu kommt die eindringliche Stimme Alan Averills, die dir zuruft und dich aufrüttelt: "We shall not serve, not now, not then, not ever." Ja. Recht habt ihr.

Dem gegenüber die Songs, die sich etwas schleppender, melancholischer dahin ziehen. Nichts für jede Stimmungslage, aber wie geschaffen für einen herrlich melancholischen Herbsttag. Mit dem Instrumentalstück 'Traidisiúnta' hört man deutlich die irischen Wurzeln, und auch inhaltlich scheint das Album wiederkehrende Themen aufzugreifen, das Keltische, das Ursprüngliche, was sich zurecht dem Pagan Metal zuordnet. Aber auch aktuelle und allgemeine Themen werden kritisch verarbeitet. Eine Anklage gegen die Gleichgültigkeit. Das nehme ich der Band ab.

Das jahrelange Warten jedenfalls hat sich gelohnt. Und da freut man sich gleich doppelt, dass die Herren von der grünen Insel sich aufs Festland aufmachen und für einige Auftritte auch in unseren Gefilden die Ehre geben. Großartig.

Note: 8,5/10
[Barbara Sopart]



Endlich neues PRIMORDIAL-Futter. Eine neue Veröffentlichung ist im Hause Rosenthal der zweitgrößte irische Feiertag nach dem St.Patrick's Day. Keine andere Band fängt meine Liebe zur grünen Insel musikalisch vielschichtiger und emotionaler ein als Alan & Co. und das, obwohl Flöten und anderes Instrumentarium im Schrank bleiben. Und das ist eine noch viel größere Kunst. Ebenso ist es meisterhaft, wie kongenial diese Band Musik und Lyrik zu einem perfekten Match verbindet und das Bittersüße und Dreckige der irischen Arbeitermentalität über Noten transportiert. 'Dirty Old Town' – hier spüre ich es wirklich unter der Haut.

Die Weichen sind somit vorab für einen weiteren Triumphzug eigentlich gestellt, auch wenn ich etwas ängstlich den Albumtitel auf die Band bezogen hatte. Aber direkt Entwarnung – das ist kein Schwanengesang. Viel eher stellt PRIMORDIAL die Weichen auf Attacke und fasst das bisherige musikalische Schaffen auf Album Nummer zehn trotzdem sehr passend zusammen. Somit alles beim Alten?

Im größten Teil schon, allerdings ist die Truppe anno 2023 jetzt wieder etwas aggressiver, härter und angepisster unterwegs. Diese kleine Stilkorrektur nehme ich dankbar an, da ich "Where Greater Men Have Fallen" und "Exile Amongst The Ruins" ja schon im Regal stehen habe. Somit kann ich Martin nur beipflichten, wenn er davon spricht, dass sich "How It Ends" nahtlos in das formidable Œuvre einfügt. Daraus resultiert dann auch eine Note analog den letzten Veröffentlichungen. Wer PRIMORDIAL bisher nichts abgewinnen konnte, der wird aber auch hier nicht bekehrt werden und analog METALLICA muss sich die Band auch immer die Frage gefallen lassen, ob man den Inhalt der Tracks nicht auch unterbringen könnte, wenn man die meisten Songs um zwei Minuten kürzt. Für mich sind die Songs aber genau so richtig, wie sie sind und ich werde mit einem Guinness in der Hand und "How It Ends" im Player die Augen schließen und "wegdriften".

Note: 9,5/10
[Stefan Rosenthal]

Redakteur:
Thomas Becker

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