Gruppentherapie: INTERVALS - "A Voice Within"

22.03.2014 | 08:28

Ein weiteres Mal wird eine junge, knuspige Progband Soundchecksieger. Hier die Gruppentherapie.

Nach INCURA im Februar nun auch im März ein Soundcheck-Sieger, der dem modernen Prog zuzuordnen ist. Anspruchsvolle und originelle Klänge sind bei uns offenbar schwer auf dem Vormarsch. Doch Achtung, im Gegensatz zu den luftigen Tönen INCURAs ist INTERVALS eher schwerere Kost. Schwerer nicht unbedingt im Sinne von härter, nein, aber rhythmisch ist das schon ziemlich knobelig mit Schlagseite zum Djent, manchmal auch zum Jazz. Man muss sich also schwerstens in die Materie reinfuchsen. Das gelingt mir mal weniger, mal mehr. Der Opener 'Ephemeral' ist für mich eher abstrakte Kunst, die man zwar betrachtet aber nicht versteht, während es bei 'Moment Marauder' gelingt, feinste Melodien mit cooler Frickelei zu verweben. So steht bei INTERVALS wie bei vielen dieser hippen Jakob-und-Oli-Truppen die verständnislose Faszination vor der rhythmischen Vertracktheit einer spannenden Suche nach melodischen Angelpunkten gegenüber. Während ich bei ALAYA - auch hier im Soundcheck vertreten - komplett wie der Ochs vorm Berg stehe, finde ich bei INTERVALS immer wieder coole Momente, die Lust auf Mehr machen. Auf den ganz großen Durchbruch in Sachen Gefallen in dieser Sparte warte ich aber, trotz wirklich tollem Sound auf der Scheibe, auch bei INTERVALS.

Note: 7,5/10

[Thomas Becker]




'Epheremal', lieber Thomas, muss man nicht verstehen und erst recht nicht von außen betrachten. So einen Song muss man fühlen - und da macht es uns INTERVALS doch ziemlich leicht. Der Sound dieser Newcomer kann aus meiner Sicht gut als nicht ganz so abgefahrene ANIMALS AS LEADERS mit zusätzlichem, großartigem Gesang beschrieben werden, wodurch man im Endeffekt stilistisch nah bei einer Band wie PERIPHERY landet. Das ist entsprechend des Kommentars meines Vorschreibers tatsächlich die Art von Musik, bei der Jakob und ich durch das siebendimensionale Dreieck springen, während wir uns Flaschen auf den Kopf hauen und sagen, dass wir uns lieben. Rhythmisch präsentiert sich INTERVALS stets vertrackt, spannend und frisch, bleibt dabei jedoch immer in den Grenzen des Nachvollziehbaren: Denn headbangbar ist "A Voice Within" zu jeder Zeit. Damit allein wäre die Platte bereits ein Garant für beste metallische Unterhaltung, aber hier steckt noch so viel mehr drin. Aufgrund der durchgängig homogen integrierten "ruhigen" Prog-Momente, den (selten) auftauchenden Post-Rock-Passagen ('Atlas Hour') und vor allem dieser omnipräsenten Gesangslinien, die dem Album in Kombination mit dem Drang zur Kopfbewegung einen so unnachahmlichen Fluss bescheren, ist hier wirklich etwas ganz Großes entstanden. Hier werden der Metaller und der Plüschbär in mir bei jeder Nummer zeitgleich und nicht - wie so oft - abwechselnd bedient. Freunde des Djents, der frischen Prog-Musik und der modernen Klänge im Allgemeinen sollten INTERVALS ein, am besten zwei Ohren und dazu noch ihr Herz schenken. Reue werdet ihr anschließend keine spüren. Riesig.

Note: 9,0/10
[Oliver Paßgang]





Obwohl ich mit den meisten der modernen Prog-Metal/Djent-Bands auf einer musikalischen Wellenlänge bin, stört oft der Gesang, so er denn in Richtung Core schielt. Zum Glück haben sich die Musiker von INTERVALS dazu entschieden, ihren Klangteppich ausschließlich mit Klargesang zu knüpfen. Somit: Bühne frei für eine bärenstarke Eigenproduktion, die eine ganze Reihe großer Namen im Soundcheck abhängt und auch Nicht-Proggies nicht verstört. Fragt sich also, woran das wohl liegen mag. Nicht gerade selten bekommt man Platten zu hören, die instrumental ähnlich gut sind wie "A Voice Within", aber nicht so weit oben in der Gunst unserer Redaktion anzutreffen sind. Ich behaupte einfach mal, dass es an dem guten Songwriting liegt, welches uns hier neun Highlights am Stück präsentiert. Ohne die Frickeleien in den Vordergrund zu stellen, verziert die Band ihren Klang mit den verschiedensten Spielereien, ohne dass man als Zuhörer ratlos nach einem Zettel sucht, um die Taktarten mitzuschreiben. Es wird aber auch niemals zu catchy oder poppig. Obwohl ich gerne mal zur Höher-schneller-weiter-Fraktion gehöre, muss ich dieser Scheibe attestieren, dass die goldene Mitte hervorragend funktioniert und niemals langweilt. Mit diesen Qualitäten ausgestattet, hat das kanadische Quartett in Zukunft beste Argumente für einen gescheiten Plattendeal. Damit das nächste Album auch seinen Weg in die Plattenläden der Republik findet.

Note: 8,5/10
[Nils Macher]



Was INTERVALS zunächst mal von den meisten anderen Djent- und ProgCore-Geschwadern unterscheidet ist, dass diese Band nicht ständig versucht dem Hörer wehzutun - oder zumindest seine Schmerzgrenze maximal auszureizen. Hier geht es in allererster Linie um raffinierte Kompositionen und mitreißende Melodien, wenn auch in komplexe Strukturen verpackt. Die ekstatischen Frickel-Einlagen auf "A Voice Within" sind so klug ummantelt und in die Songs eingepackt, dass sie die Spannung und Dynamik erhöhen statt diese - wie schon so oft erlebt - zu zerstören. Für meine komischen Ohren sind diese Ausbrüche manchmal näher an begnadeten MEKONG DELTA-Momenten als am kontrollierten Irrsinn von ANIMALS AS LEADERS, einer dieser Bands, die alles können nur keine Songs schreiben. Die Musiker von INTERVALS haben vom Jazz eben nicht nur die Fingerübungen entliehen, sondern bringen auch das entsprechende melodische Feingefühl mit. "A Voice Within" ist eine wahre Wundertüte voller aufregender neuer Ideen und kunstvoll zitierter Referenzen. Ich wage die These, dass diese Band das Zeug hat, die gefühlsbeseelten Prog-Rocker mit den hohlwangigen Djent-Mathematiker zu versöhnen, zumindest diejenigen, die prinzipiell in der Lage sind sich den Schönheiten der Welt des anderen zu öffnen. Das macht INTERVALS zu einem heißen Anwärter auf die Krone "Newcomer des Jahres" und zu einem völlig verdienten Soundcheck-Sieger.

Note: 9,0/10

[Martin van der Laan]


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Redakteur:
Thomas Becker

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