Gruppentherapie: FLOOR JANSEN - "Paragon"

26.03.2023 | 21:32

FLOOR JANSEN ist auf Solopfaden unterwegs. Die bezaubernde und charismatische NIGHTWISH-Frontfrau hat mit "Paragon" ein sehr persönliches und poppig-rockiges Album am Start, das den Hörern einen tiefen Einblick in ihre musikalische Seele verschafft. Auch wir möchten uns dem ersten Soloalbum FLOOR JANSENs widmen, schauen in der Gruppe auf die "Paragon"-Songs und lassen uns wie folgt verzaubern.

Natürlich gibt es auch hierzu ein Review - diesmal von Frank - das ihr hier nachlesen könnt. Was sagt das Team zu "Paragon"?

 

Wer ein Album im klassisch-bombastischen NIGHTWISH-Kosmos erwartet, ist bei der "Paragon"-Soloplatte aus dem Hause FLOOR JANSEN auf dem Holzweg. Nein, die charismatische Frontdame erwärmt mit einem emotionalen und sehr nahegehenden Sammelsorium aus feinstem Pop Rock und bittersüßen Balladen unsere Herzen. Zehn Stücke, die in dieser kalten Jahreszeit wirken wie eine heiße Tasse Tee oder ein warmes Bad nach einem klirrendkalten Winterspaziergang. Wir wissen nur allzu gut, wie hervorragend Floors Gesang zu den symphonischen Hochleistungen ihrer Hauptband passt und zumindest zum Teil konnte sie auch den NIGHTWISH-Balladen ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken. Doch "Paragon" zeigt das Gesangswunder Jansen von einer weiteren Seite, einer persönlichen, nahen, verletzlichen aber auch durch und durch lebensbejahenden Facette. Daher ist es auch nicht allzu verwunderlich, dass diese Solo-Platte auch trotz fehlender Härte bei meinen Kollegen im Soundcheck solch einen hohen Stellenwert genießt. Ich finde es großartig.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Dass wir uns mit "Paragon" im Rahmen einer Gruppentherapie beschäftigen, liegt wohl nur am Namen Floor Jansen, denn mit Hardrock oder gar Metal hat das Werk tatsächlich wenig bis gar nichts am Hut. Und würde hier der Name irgendeiner unbekannten Sängerin draufstehen, würde sich auch aus unserer Redaktion kaum einer für die Platte interessieren, wenn wir mal ehrlich sind. Auch aus diesem Grund werden womöglich einige NIGHTWISH-Fans von "Paragon" enttäuscht sein. Wenn man sich dem Album jedoch ohne Scheuklappen widmet, wird man mit schönen Pop/Rock-Nummern belohnt, die halt in erster Linie aufgrund der grandiosen Stimme von Floor begeistern. Diese Frau kann scheinbar alles singen, wie sie ja auch letztes Jahr in der VOX-Sendung "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" unter Beweis gestellt hatte. Wie Marcel schon sagt, ist "Paragon" ein sehr persönliches Album voll mit Emotionen. Meine persönlichen Highlights sind 'My Paragon', 'Storm' und das finale Stück 'Fire', aber auch der Rest sorgt für gemütliche Stimmung am Kamin, um in Marcels Bildern zu sprechen. Dieses Album beinhaltet einfach tolle Musik und zeigt Floor Jansen als eine der besten Sängerinnen unserer Zeit.

Note: 8,0 / 10
[Mario Dahl]

Ich bin ja ganz beeindruckt von meinen Kollegen, wie sie hier ihre sanfte, häusliche und bürgerliche Seite entdecken. Ich dachte immer, wie wären Heavy Metal-Outlaws, die Sendern der RTL-Gruppe auf den Tisch kacken und nach dem Waldspaziergang das mit bloßen Händen erlegte Rehkitz roh verspeisen. So kann man sich täuschen. Jungs, ich kenne "Sing meinen Song - das Tauschkonzert" nicht und mir ist NIGHTWISH eigentlich lebensbejahend genug. Ich anerkenne auch, dass die von mir menschlich und künstlerisch hoch geschätzte FLOOR JANSEN, die ich schon in ganz frühen AFTER FOREVER-Tagen persönlich kennenlernen durfte, sich hier einen lang gehegten Wunsch erfüllt hat. Bei aller Prägungskraft war und ist sie in ihren Bands in ein Korsett gepresst. Jetzt also FLOOR pur. Ich höre eine tolle Stimme, ich höre emotionale Pop-Songs mit Tiefgang und Anmut. Aber mich persönlich erreicht das doch eher weniger, weil das Ergebnis letztlich recht austauschbar klingt und irgendwie links rein und rechts wieder raus läuft. Wenn FLOOR das so möchte, ist das natürlich prima, Ecken und Kanten sind auch nicht das Maß aller Dinge. Aber mir fehlt die wuselige Lebendigkeit, das freche Überraschungsmoment und die Grenzenlosigkeit, die mir bei Musik dieser Stilistik wichtig sind. Daher hole ich mir den Wohligkeits- und Süßseligkeitskick - bei allem Respekt - weiterhin woanders ab.

Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]


Wenn ihr in Richtung meiner Endnote geschielt habt, könntet ihr mich nun für den Heavy-Metal-Outlaw halten, den Martin beschrieben hat. Eben jenen Miesepeter, der "Paragon" alleine auf Basis der Tatsache ablehnt, dass FLOOR JANSEN hier keine Metal-Musik macht. Das ist aber keinesfalls so, denn meine Musiksammlung ist etwa zu gleichen Teilen mit Metal und eben auch Indie, Pop und Alternative Rock bestückt. Berührungsängste mit poppigen Tönen gibt es bei mir also nicht und doch kann mich "Paragon" einfach nicht begeistern. Besonders verwirrend finde ich, dass beim Diskurs über die Platte an anderen Stellen schon Namen wie TORI AMOS oder KATE BUSH gefallen sind. Im Gegensatz zu genannten Größen oder Kollegen wie PETER GABRIEL fehlt mir bei den Kompositonen auf "Paragon" aber die Experimentierfreude und der Mut zum Ungewöhnlichen, der die Scheibe zu mehr als einem soliden Popalbum machen könnte. Ja, Floor singt wie immer wunderbar und man hört zu jeder Zeit, dass ihr diese Scheibe persönlich sehr wichtig war, nur überträgt sich diese Funke eben überhaupt nicht auf mich vor dem heimischen Player. Würde ich "Paragon" lieber hören als vieles, was heute im Radio stattfindet? Definitiv, aber den Flecken in meinem musikalischen Herzen, der eine Schwachstelle für innovative Popmusik hat, kitzelt "Paragon" eben nicht.

Note: 6,5/10
[Tobias Dahs]


Ich bin wohl nicht so hart wie einige andere hier. Dafür aber liebe ich Floors Stimme, egal ob bei AFTER FOREVER, NIGHTWISH oder dem großartigen, andersartigen Projekt REVAMP. Diese absolute Powerfrau ist keine Sängerin, sondern eine Naturgewalt. Und jetzt zeigt die großgewachsene Niederländerin den ganzen Charthaucherinnen da draußen mal, wie gute Popmusik wirklich geht! Ich sag ja immer, die besten Balladen schreiben Metalbands, und so kann ich sagen, die besten, charttauglichen Hymnen kommen aktuell von Floor Jansen. Meine Güte, was für ein brillanter Hammer ist denn der Opener 'My Paragon'? Das Ding könnte in Dauerschleife laufen, weil es zu Ende ist, bevor man genug hat. Das zieht Floor durch das ganze Album durch, womit sie mich an IGNITE erinnert, die stilistisch anders, aber eben genauso zielstrebig und konsequent vorgeht: Wenn alles gesagt ist, aufhören. Sollte man mal einigen anderen Kapellen vorschlagen. Das Ganze dann in melancholisch und spannend wie 'Invincible' und 'Me Without You', ruhig und einfach wunderschön wie in 'Daydream' und 'Hope', cool und entspannt wie in 'The Calm' und 'Armored Wings' oder bombastisch und mitreißend wie in 'Come Full Circle' und dem Rausschmeißer 'Fire', der dafür sorgt, dass ich "Paragon" gleich nochmal hören will. Und nochmal. Und das mache ich jetzt seit ein paar Tagen immer wieder. Damit bricht Floor Jansen wohl in mein Pop-Medaillen-Treppchen ein: Kate Bush. Heather Nova. Floor Jansen. Mein-Damenpop-Dreigestirn. Deswegen und weil "Paragon" jetzt so häufig bei mir hintereinander gelaufen ist wie keine Scheibe in den letzten Jahren (ja, nicht einmal von meiner Lieblingsband MARILLION), bleibt mir nichts weiter übrig als diese Note.

Note: 10/10
[Frank Jaeger]

Mmmh, Frank. Ich glaube nicht, dass es hier bei vielen um "fehlende Härte" geht. Grundsätzlich ist es nämlich immer positiv, wenn sich eine Solo-Platte deutlich vom bisherigen Schaffen eines Künstlers abgrenzt und somit nicht im schlimmsten Fall obsolet wird. Hier bekommt Floor von mir schonmal ein stärkeres Zeugnis als zum Beispiel Tarja Turunen und Anette Olzon (wie komme ich nur gerade auf diese beiden Beispiele) ausgestellt. Und bei der Stimmgewalt der Niederländerin ist die gesangsorientierte Form der populären Musik nicht die schlechteste Wahl. So weit so gut. Jetzt stellt sich nur die Frage welchen Mehrwert erschafft FLOOR JANSEN in diesem überlaufenden Genre oder ist es eher nur eine gelungene Abwechselung für ihre Fans und die Verwirklichung einer eigenen Idee. Spoiler vorab – ich tendiere zu zweiterem. Das ist auch gar nicht verwerflich und wahrscheinlich sieht Frau Jansen das auch insgeheim ähnlich. Was mich doch arg verwundert sind die ungewöhnlich hohen Bewertungen meiner Kollegen. Es sieht fast so aus, als legitimiere eine Künstlerin "aus unseren Reihen" nun endlich den Konsum dieser wahren Teufelsmusik. Sozusagen ein musikalischer Ablassbrief. Da gibt’s dann direkt die Superlative-Eskalation anhand Vergleiche mit KATE BUSH, TORI AMOS und weiteren Schwergewichten. Freunde, nur weil man am Anfang von 'Daydream' mal kurz hört, dass "Under the Pink" im Schrank steht, ist es noch lange nicht das gleiche Level. Beim Albumopener hat doch auch noch keiner nach LOREEN und 'Euphoria' geschrien. Merkwürdig. 'My Paragon' wäre auf jedenfall auch eine tolle ESC-Hymne. Mit 'Invincible' gibt es dann auch einen Track, welcher in guter PHIL COLLINS-Tradition im Disney-Kontext funktionieren würde. Was zu diesem Zeitpunkt bereits auffällt ist, dass unsere Powerfrau wohl doch nicht so gänzlich aus ihrer Bombast-Haut raus kann und das alles sehr auffällig nach 1980er Songwriting in moderner Verpackung klingt. Das ist schade, da selbst das etwas ungewöhnlichere 'Me Without You' nicht ohne diese gegen Ende leichte Zuspitzung auszukommen scheint. Somit umweht "Paragon" in Summe ein bittersüßlicher Retro-Charme, so dass ich hier eher eine zeitgenössische Variante von MAGGIE REILLY, BELINDA CARLISLE oder SALLY OLDFIELD höre, statt der o.g. Kreativabteilung. Hinzu kommt, dass halt alles, was moderne Popmusik aktuell so interessant macht, hier außen vorgelassen wird. Somit hat FLOOR JANSEN zwar eine wunderbare Kuscheldecke für ihre Fans geschaffen und auch ich werde dieses Album gelegentlich laufen lassen, muss aber gestehen, dass, wenn ich bewusst Pop hören möchte, es eher Werke von TAYLOR SWIFT, LANA DEL REY und BILLIE EILISH sein werden und auch das Jahr 2023 hat mit dem Debütalbum "Downer" von GLOSSER schon Spannenderes hervorgebracht. Vom bald erscheinenden "Blood Orange" von FREYA RIDINGS möchte ich erst gar nicht reden.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]


Nun, ich bin ja wahrlich nicht gerade dafür bekannt, allzu sehr aus dem Metal-Kosmos auszubrechen und mich normaleren Musikstilen zu widmen. Was aber, wenn eine meiner Lieblingssängerinnen ankündigt, ein Soloalbum zu machen? Und dann auch noch eins, das sich ihrer eigenen Aussage zufolge von ihrer gewohnten Stilistik recht weit entfernt? Natürlich machte sich erst einmal Skepsis breit, die aber dann nur bis zu Beginn der letzten "Sing meinen Song"-Staffel hielt. Ab da war sofort klar, dass die Dame in einem Metal-Korsett zu sehr eingeengt ist und man sie definitiv auch mal andere Stile singen lassen sollte. Denn genau wie bei besagter Sendung singt Frau Jansen auch auf "Paragon" alles und jeden in Grund und Boden. Es ist einfach faszinierend, wie sie scheinbar ohne jede Mühe zwischen ihrer zerbrechlichen Seite und brachialer Power wechselt und beim zweiten Song 'Daydream' mal eben an die besten Momente einer TORI AMOS denken lässt. Dabei schafft sie es, einen Hit an den nächsten zu reihen, läutet das Album mit einem Opener für die Ewigkeit ein (der Quasi-Titeltrack 'My Paragon' und lässt selbiges mit einer nicht minder großartigen Nummer ('Fire) ausklingen. Gerade diese beiden Songs zeigen die Rockaffinität der Sängerin, zwei Powersongs, die "Paragon" umklammern. Zwischen diesen Polen geht es zwischendurch auch sehr ruhig zu, gerade das kurze und sehr ruhige, balladeske 'Hope' würde jedem Radiosender gut tun, während das folgende, fast schon symphonische 'Come Full Circle' auf jedem Melodic Rock-Sampler eine klasse Figur abgeben würde. Man hört zu jeder Sekunde, dass die Platte für Floor Jansen ein sehr persönliches Anliegen ist, "Paragon" besitzt so dermaßen viel Gefühl, man höre in diesem Zusammenhang nur mal die Großartigkeit 'Me Without You', um zu verstehen, was ich meine. Ich könnte stundenlang über die Platte referieren, aber dieses Meisterwerk verlangt nicht nach einer wissenschaftlichen Analyse, sondern nach ausgiebigem Hören unter dem Kopfhörer. Also hört nicht auf die gefühllosen Menschen, die mit "Paragon" wenig anfangen können!

Note: 10/10
[Michael Meyer]

Redakteur:
Marcel Rapp

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