Gruppentherapie: DOOMOCRACY - "Unorthodox"

04.12.2022 | 14:52

Weiter im Gruppentherapie-Text geht es mit einem - Moment, schon wieder Doom? Richtig, denn auch die Szene-Größe DOOMOCRACY hat ein neues Bollwerk am Start, das wir zwar schon in unserer Podcast-Folge und im Review vorgestellt haben. Doch das Ding lässt uns partout nicht los, sodass wir es uns nicht nehmen ließen, auch diesem Opus genauer auf den Zahn zu fühlen.

Nils' Hauptreview könnt ihr im Übrigen hier nachlesen. Und was sagen die anderen Kollegen?

 

Der November wird vom Doom regiert, so viel steht fest. Mit "Unorthodox" haben die Epic-Doomer von DOOMOCRACY einen tonnenschweren Brocken im Gepäck, der für mich jedoch nicht ganz an das Majestätische von "Sweet Evil Sun" [CANDLEMASS - d. Red.] und die schier einzigartige Atmosphäre eines "Ayam"-Werkes [DISILLUSION - d. Red.] heranreicht. Dennoch beinhaltet das dritte Langeisen der Griechen bockstarken Doom der mal epischen, mal progressiven Ausrichtung. Und obwohl an einigen Stellen meine Augenbrauen meine Skepsis ob des Gesangs eines Michael Stavrakakis zum Ausdruck bringen und nicht alle Stücke der insgesamt elf gleichermaßen überzeugen, sorgen dramatische Momente wie in 'Prelude To The Apocalypse', 'Novum Dogma' und im finalen 'Catharsis' sowie hoch-heroische Augenblicke wie in 'Eternally Lost' und 'The Hidden Gospel' für wohlige Gänsehaut. Und wenn dazu die Chöre der Musik ihren Stempel aufdrücken, sich diese hämmernden Herden-Rhythmen in mein Unterbewusstsein hämmern und die Jungs ein zwar simples, aber effektives Artwork an den Mann bringen, dann kann man über so manche B-Notenabzüge auch locker hinwegsehen. So wächst "Unorthodox" von Spielzeit zu Spielzeit und wenn ich auch "Visions & Creatures Of Imagination" im Nachgang eine Spur besser fand, so hat DOOMOCRACY doch ein tolles Drittwerk am Start.

Note: 7,5/10
[Marcel Rapp]

In großen Teilen kann und muss ich dem Kollegen Rapp voll und ganz zustimmen, denn DOOMOCRACY zieht im Vergleich zur Konkurrenz im Soundcheck deutlich den Kürzeren. Klar, die musikalische Ausrichtung von CANDLEMASS und den griechischen Genre-Kollegen ist nicht direkt zu vergleichen, denn auf "Unorthodox" geht es mit deutlich größerem Heavy-Metal- und Epic-Metal-Einschlag zur Sache, trotzdem haben die schwedischen Urgesteine die Nase klar vorne in Sachen Songwriting und packenden Momenten. Das soll nicht heißen, dass DOOMOCRACY nicht auch zahlreiche spannende, mitreißende und auch erhabene Momente im Gepäck hat, doch zu einem schlüssigen und insgesamt fesselnden Song werden diese eigentlich nur beim herrlichen 'Eternally Lost' zusammengebaut. Abseits davon horche ich zwar immer wieder kurz auf, vergesse das dargebotene Material aber genauso schnell wieder, wie ich es gehört habe. Ebenfalls muss ich Marcel in puncto Gesang Recht geben, denn auch meine Augenbrauen verziehen sich angesichts der teilweise waghalsigen Notenwahl eines Michael Stavrakakis mehr als einmal. So ist "Unorthodox" unter dem Strich quasi eine perfekte Verkörperung dessen, was für mich immer ein 7,5-Punkte-Album markiert: Handwerklich, klanglich und auch musikalisch ist das hier wirklich ansprechend und ich möchte gerne mehr Punkte vergeben, aber angesichts der Tatsache, dass ich "Unorthodox" in zwei Wochen wieder komplett aus meinem Gedächtnis gestrichen haben werde, ist eine 8,0 eben einfach nicht drin. Fans des Genres dürfen dennoch ein Ohr riskieren, denn für sie könnte der Silberling vielleicht ein gefundenes Fressen an kühlen Herbsttagen sein.

Note: 7,5/10
[Tobias Dahs]

Erst mal: Marcel und Tobias haben in meinen Ohren mit ihrer Einschätzung Unrecht, denn DOOMOCRACY schlägt die aktuelle CANDLEMASS-Scheibe mit "Unorthodox" schon, wenn auch knapp. Denn die Eigenständigkeit ist einfach noch etwas höher, die Melodien sind etwas größer, die Produktion ist in meiner Wahrnehmung auch etwas wärmer. Die ganz große Klasse des Vorgängers "Visions & Creatures Of Imagination" wird leider nicht ganz erreicht, das ist sicher der größte Malus dieser Scheibe. Dieses Überalbum hatte damals ein ernstes Wörtchen in meinem Jahresabschluss mitzureden und klopfte recht weit oben in meinen Charts an. Das wird diesmal etwas enger, aber trotzdem vermute ich, dass wir es hier mit dem stärksten Doom-Album des Jahres zu tun haben. Das Album kommt ohne Ausfälle daher, hat ein super Artwork, aber es fehlen vielleicht die letzten völlig überragenden Melodien für noch mehr. In unserer Notengebung lande ich bei einer knappen 9. Wie gesagt - es ist nur eine Spur besser als die aktuelle CANDLEMASS-Scheibe, und für ganz oben reicht es noch nicht. Man ist aber nahe dran. Der Vorgänger war aber nahe an der 10, das wurde diesmal leider verpasst.

Note: 9,0/10
[Jonathan Walzer]

Der Vergleich mit der neuen Scheibe von CANDLEMASS ist bei DOOMOCRACY durchaus interessant, denn die jeweilige Interpretation von Doom Metal unterscheidet sich doch ziemlich stark bei beiden Bands. Während CANDLEMASS eher traditionell und erdverbunden vorgeht, wagt sich DOOMOCRACY in andere Sphären vor und fügt bombastische Chöre und opulente Keyboards hinzu. Für Doom-Puristen ist dieser Ansatz sicher nicht unumstritten, interessant ist er aber allemal. Der progressive Anteil - insbesondere beim Drumming - verleiht den Songs etwas Verschlungenes, was durch die ungewöhnlichen Gesangslinien noch verstärkt wird. Einzelne Stücke sind für sich genommen absolut hörenswert, zumal ich mit dem Gesang ingesamt ganz gut klarkomme und es einiges zu entdecken gibt. Als Album funktioniert "Unorthodox" in meinen Ohren aber nicht so gut wie "Sweet Evil Sun". Ich verspüre einfach nicht den Drang, "Unorthodox" gleich wieder aufzulegen oder auch nur einzelne Songs erneut zu genießen. Das ist bei der aktuellen CANDLEMASS doch anders, was wahrscheinlich auch am stärkeren Riffing der Schweden liegt. Insofern bin ich mit meiner Wertung ganz bei Marcel und Tobias.

Note: 7,5/10
[Jens Wilkens]

Ich muss gestehen, ich bin zu 100% bei Jens' Einschätzung, dass ein Vergleich zwischen DOOMOCRACY und CANDLEMASS wenig Sinn macht, da die Unterschiede doch zu elementar sind. Das ist epischer, progressiver Metal, der mit vielen Doom-Elementen spielt und (leider) bewusst durch den Bandnamen in eine Richtung gedrückt wird, welche nicht wirklich passend ist. Im Kern hat die Band wenig mit den üblichen Grundzutaten des Doom Metal gemein. Wenn das also doch Doom ist, dann ist er aber ziemlich "Unorthodox" (...nicht mein Ernst). Eher habe ich ständig als Vergleich die Jungs von COMMUNIC im Ohr, welche ihre Gesangslinien ähnlich ausarbeiten und ebenso verspielt agieren (gut zu hören in 'The Spiritualist'). Somit bewegt sich die Truppe in einer Stilistik, welche mich durchaus ansprechen sollte und durch das Artwork und den geschmackvollen Einstieg gelingt der Band ein gelungener Auftakt. Doch schon mit 'Prelude To Apocalypse' wird das Ding gegen die Wand gefahren. Retorten-Chöre und ein nerviger Gesang, welcher nicht auf den Punkt kommen will. Und leider ist das kein Ausrutscher, sondern ein Gradmesser für die nächsten Minuten. DOOMOCRACY schafft es nicht auf Albumdistanz eine Atmosphäre zu schaffen, welche für diese Art der Musik so überlebenswichtig wäre. Es gibt ständig schöne Ideen und tolle, instrumentale Aha-Momente, aber keinen roten Faden, der dieses Sammelsurium sinnvoll zusammenfügt. Somit verlaufen diese starken Parts häufig ins Leere. Des Weiteren leiden die einzelnen Songs konsequent darunter, dass man starke Hooks ('Our Will Be Done') mit der Lupe suchen muss oder es die Griechen nicht schaffen entsprechende Höhepunkte einzuarbeiten. Das ist doppelt und dreifach schade, da das Potential für großartige Songs oder ein durchgehend ansprechendes Storytelling durchaus vorhanden ist. Vielleicht dann das nächste Mal.

Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]

Fünf lange Jahre sind seit der Veröffentlichung des sensationellen Vorgängers 'Visions & Creatures Of Imagination', welcher meine Jahresliste 2017 anführt, vergangen. Nun liegt uns mit "Unorthodox" der von mir sehnlichst erwartete Nachfolger im Player und ich schwebe schon 'Eternally Lost' auf Wolke sieben. Hier stimmt für mich sofort wieder alles: Der zerbrechlich wirkende, manchmal etwas weinerliche Gesang von Michael Stavrakakis pellt für mich unwillkürlich ein paar Enten. Da kann ich die Kritik der Mitschreiber nur sehr bedingt nachvollziehen. Wahrscheinlich mögt ihr auch John Arch nicht? Okay, entschuldigt. Für mich passt dieser Gesangsstil zur Musik von DOOMOCRACY wie die berühmte Faust aufs Auge. Denn auch die musikalischen Pfade der Band schlängeln sich zwischen alten FATES WARNING und alten CANDLEMASS herum. Und da kann ich dann auch gleich den Bogen zum Album eben jener Doom-Urväter spannen, deren neue Scheibe ja beinahe zeitgleich erschien. Viele der Zutaten, die mir auf eben jenem Album zur kompletten Doomseligkeit fehlen, finde ich auf "Unorthodox" wieder. Gewaltige Chöre, die die hymnischen Refrains majestätisch untermalen, abwechslungsreiche Rhythmik, Melodielinien, die mich sofort fesseln und ein Facettenreichtum, der für eine Doom-Scheibe schon beachtlich ist. Gut, Puristen werden dies als Manko betrachten, aber solche Menschen werden dann ja auch SOLITUDE AETURNUS nicht mögen. Im epischen 'Our Will Be Done' zeigen die fünf Herrschaften von DOOMOCRACY, wie man so eine rhythmische Idee, die CANDLEMASS in ihrem 'Scandinavian Gods' versucht haben, vernünftig umsetzt. Ganz wunderbar. Aber dieser Song ist nur eines von vielen Highlights, denn auf diesem Album walzen sich tiefschwarze, riesengroße Ohrwürmer durch das Notengeflecht und setzen sich mit ihren riesengroßen Widerhaken tief im Wohlfühlzentrum des Zuhörers fest. Für mich ist "Unorthodox" das Doom-Highlight des Jahres!

Note: 9,0/10
[Holger Andrae]

Redakteur:
Marcel Rapp
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