Gruppentherapie: ARTILLERY - "Legions"

28.11.2013 | 00:17

Danish Dynamite on the run.

Die volle Breitseite ARTILLERY bei uns. Soundchecksieg, Interview und jetzt Gruppentherapie für die Thrash-Metal-Band aus Dänemark. Schon Mitte der Achtziger warf sich die Truppe in den Haifischpool Metalszene, landete 1990 mit "By Inheritence" einen veritablen Faustschlag und verschwand danach wie so viele Metalbands in den Neunzigern in der Versenkung. Einer kurzen Wiederbeatmung Ende der Neunziger folgte erst 2009 mit "When Death Comes" das eigentliche Comeback, dem 2011 gleich  "My Blood" folgte. Für jenes reichte es noch nicht ganz auf Stockerl, Platz 4 belegte man im April-Soundcheck 2011. "Legions" schiesst jetzt auf Platz eins. Lest, warum!





Den primären Eindruck, den "Legions", mein Erstkontakt mit ARTILLERY, bei mir hinterlässt, kann man eigentlich ganz knapp zusammenfassen: Je thrashiger, desto besser. Das bedeutet umgekehrt jedoch genau so: Je mehr Power Metal, desto mittelmäßiger. Das Eröffnungstripel 'Chill My Bones', 'God Feather' und 'Legions Of Artillery' ist da genau nach meinem Geschmack und geht gut nach vorne. 'Wardrum Heartbeat' stampft mir jedoch dann genau wie 'Dies Irae' etwas zu sehr und 'Doctor Evil' fällt qualitativ ebenfalls nach unten ab. "Störend" (und man beachte die Anführungsstriche!) ist aber vielleicht auch viel eher der klare Gesang von Michael Bastholm Dahl. Dieser ist zwar wirklich gut, punktgenau und vom Klang her absolut passend, jedoch würde mich dieses Album ordentlich gebellt vielleicht noch mehr packen. Andererseits hätten vielleicht "richtige" Power-Metal-Hymnen geschrieben werden müssen, um die Vocals wirklich gut in Szene zu setzen. Aber wie dem auch sei: Das alles soll nun nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier immernoch mit einem guten Power-Thrash-Album zu tun haben, das jedoch einfach nicht zu hundert Prozent meinen Geschmack dieses Subgenres trifft.

Note: 7,0/10
[Oliver Paßgang]

My dear Mister Singing Club, da spielen doch die hoch begabten Stützer-Brüder gleich mit dem zweiten Song 'God Feather' mal eben das gesamte neue DEATH ANGEL-Album aus dem Saal. Und das gerade nicht mit der puren Abrissbirne, sondern mit einer ungemein treffsicheren, nahezu perfekten Kombination aus Abteilung Attacke und großartigen Melodien. So kennen wir ARTILLERY spätestens seit ihrem Meisterwerk "By Inheritance" aus dem Jahre 1990. Dieses galaktische Niveau wird zwar nicht über die volle Spielzeit gehalten, aber es bleibt immer in Sichtweite. Gegenüber den zwei direkten Vorgängern setzt "Legions" insgesamt wieder vermehrt auf das melodisch-harmonische Element im klassischen ARTILLERY-Sound und auf prägnante Hooklines. Dabei kommen dann unwiderstehlich spannungsgeladene, sympathische Power-Thrash-Kick-Ass-Nummern wie 'Wardrum Heartbeat', 'Anno Requiem' oder 'Doctor Evil' heraus, die ich schlicht und ergreifend großartig und genial finde, lieber Oliver. Deshalb muss ich jetzt auch kurz die Tastatur aus der Hand legen und mir noch einmal zu dem formidablen Rausschmeißer 'Ethos Of Wrath' einen Wolf bangen. Winziger Wermutstropfen: Die Performance des Neu-Sängers Michael Dahl ist zwar alles andere als schlecht, aber so richtig von Hocker reißt der Junge auch mich nicht. Da fehlt die grollende Power eines Sören Adamsen oder das Charisma eines Flemming Rönsdorf. Tut dem Kunstgenuss insgesamt aber keinen Abbruch. Beide Daumen hoch für ARTILLERY und "Legions"!

Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]





"Legions" ist ein verdienter Soundchecksieger. Nicht weil ich ihn nun so grandios und herausragend finde wie meine persönlichen Monatsfaves IHSAHN und MAYFAIR, sondern weil ARTILLERY eine ganz andere Stärke besitzt. Und zwar bietet die Band keinerlei Angriffsfläche für Leute, sie schlecht zu finden. ARTILLERY macht die Art Metal, der trotz moderner Produktion auch Traditionalisten zusagen wird und im Umkehrschluß trotz einiger 80iger-Thrash-Zitate nicht zu verstaubt ist, den modernen Kiddies, die ab und an mal schön abdjenten, auch zu gefallen. ARTILLERY ist ein super Kompromiss. Hart aber doch sehr melodisch. Komplex und dennoch fliessend. True und trotzdem cool. Am Gesang habe ich Meckerliesel absolut nichts auszusetzen, manchmal ist mir die Mucke aber ein wenig zu hektisch ('Doctor Evil' zum Bleistift). Ich bin hier wohl eher gegensätzlich zu Oliver gepolt: je melodischer desto besser. Selbst eine Halbballade haben die Kerle am Start, wie es sich für ein Konsens-Metall-Album gehört. Wundert es hier irgendjemanden, dass genau 'Enslaved To The Nether' für mich der stärkste Track des Album ist? Noch zwei, drei Songs dieses Kalibers und die 8+ wäre locker drin gewesen. Next time!

Note: 7,5/10
[Thomas Becker]

Ja, da bin ich aber auch überrascht, dass die Dänen es nach ganz oben schaffen. Aber wenn ich richtig drüber nachdenke, dann ist das nicht mal auf einen schwachen Monat zurückzuführen, sondern eher darauf, dass ich die Kombination aus Erfahrung und gehörig Schmackes eingebettet in eine tolle Produktion, die warm klingt und Raum lässt für Nuancen, schon jetzt fast geneigt bin, zeitlos zu nennen. Dabei hat ARTILLERY vorher bereits die Messlatte selbst durch einige beachtenswerte Alben hoch gelegt, aber hier überspringt die Band diese locker. Der neue Sänger ist noch melodischer, ein wenig weniger prägnant, aber sehr stark, doch den Unterschied zu vormals möchte ich am Songwriting festmachen. Die schönen "Khomaniac"-Gitarren erklingen häufiger als früher, es geht gerne schnell zur Sache, aber birgt genug Abwechslung, um zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen zu lassen. Man höre mal die fast schon poppigen Gesangslinien in 'Doctor Evil' oder das bereits von Tommy genannte 'Enslaved To The Nether', das sind die neuen ARTILLERY. Und damit sind sie nicht mehr räudig wie früher, das hat Oliver richtig benannt, aber eben auch reifer. Und diese Reife macht "Legions" als Gesamtwerk ganz toll!

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]





Ich freue mich sehr über den verdienten Soundcheck-Sieg der sympathischen Dänen. Dabei war mein erster Höreindruck von "Legions" etwas zwiespältig. Der melodische Gesang des neuen Sängers Michael Bastholm Dahl und die ungewohnt eingängige Melodieführung aller Songs waren beinahe etwas enttäuschend, denn die Band um die saitenzupfenden Stützer-Brüder Michael und Morten hatte ich in erster Linie aufgrund der spannenden Paarung aus Ruppigkeit und technischer Raffinesse in mein Thrasherherz geschlossen. Im Jahr 2013 klingt die Band teilweise episch, alle Nummern wirken trotz der immensen Geschwindigkeit beinahe rund und ich habe anfänglich den Eindruck, die ARTILLERY würde lediglich mit Platzpatronen ballern. Wie falsch die Ohren manchmal hören können, wird mir beim dritten oder vierten Durchgang klar als ich wie ein aufgedrehtes Duracell-Häschen zum monumentalen Albumschließer 'Enslaved To The Nether' die Luftgitarre schwinge. Plötzlich wird mir klar, dass die Herrschaften mit diesem Sänger einen absoluten Glückgriff getan haben und sie ihren Stil lediglich leicht modifiziert haben. Noch immer gibt es ausreichend viele Momente, in denen man denkt, die Bay Area läge in Dänmark. Noch immer jagen die Herren mit einem Affenzahn über den Thrashway. Allerdings nehmen sie aktuell gern ein paar Umwege durch die romantische Umgebung in Kauf. 'Global Flatline' ist so ein wunderbares Beispiel, zeigt der Song doch sämtliche Schattierung des vielseitigen Sounds der Band. Neben hyperschnellen und mit der Präzision einer Nähmaschine ins Ohr tackernden Riffangriffen, beinhaltet dieser Song eine wundervolle Akustikpassage, in der Michael Dahl so richtig glänzen kann. Wem das zu weich ist, der bekommt als Antwort im direkten Anschluss mit 'Dies Irae' die totale Thrashkeule über gebraten. Bäng! Auch die beiden abschließenden Rabauken setzen dem Hören Ohrenschrauben auf die Lauscher und malträtieren die Trommelfelle mit geschmeidigen Salven aus dem Thrashköcher. Bäng! Bäng!

Note: 9,0/10
[Holger Andrae]


Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 11/2013
Review von Marcel Rapp

Redakteur:
Thomas Becker

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