Gruppentherapie THRESHOLD-"March Of Progress"

25.08.2012 | 12:41

Die Progmetal-Institution THRESHOLD gewinnt mit "March Of Progress" souverän den August-Soundcheck mit einer satten Neun im Schnitt. Verdient, denn es handelt sich vom Artwork über den Sound bis zu den Songs um ein schier makelloses Prog-Album. Sagt Peter und sagen auch die Gruppentherapeuten.

Cover

Bei THRESHOLD versuche ich nicht mal, die rosarote Brille abzusetzen. Warum auch? Man darf doch auch mal schwärmen, oder? Und das mache ich jetzt einfach mal: Unsterbliche Hymnen wie diese haben wir lange nicht gehört! Mindestens nicht seit, ja, seit dem letzten THRESHOLD-Album. Progressive Metal mit einem fantastischen Sänger (was der in unseren Köpfen und Ohren weiterlebende Mac aber nicht weniger war), fetter Gitarre, nicht zu ausuferndem Gedudel, tollen, unkitschigen Keyboards und Melodien, die nach ein paar Spins zu echten Ohrwürmern werden, ohne ihre Langzeitwirkung zu verlieren und irgendwann zu nerven (Anm. TB: 'The Hours' raubt mir den Schlaf. Das nervt!). Dabei erkennt man an jedem Song die ureigene Handschrift dieser Band, die noch nicht ein schlechtes Album gemacht haben. Gelegentliche interessante Sprengsel wie in 'Staring At The Sun' oder 'Coda' machen dann doch noch den eigenen Character von "March Of Progress" aus, mit dem sie diesmal durchaus an ihre eigene Messlatte herankommen, und die liegt bekanntlich zwischen "Wounded Land" und "Hypothetical". Nachdem ich den Soundcheck fertig habe, läuft eigentlich nur noch diese Scheibe. Und ich bin fast der Überzeugung, dass ich sie zu niedrig bewertet habe.

Note: 9,5/10
[Frank Jaeger]

Band
Obwohl wir am Ende zum selben Ergebnis kommen, muß ich Franks Therapiebeitrag in einigen Punkten widersprechen, denn der Weg, wie wir zum Ergebnis kommen, ist wohl ein völlig unterschiedlicher.
Zunächst mal bin ich ja ein THRESHOLD-Skeptiker. Trotz toller Kritiken und einiger toller Einzelsongs (die superbe Ballade 'Avalon' von "Critical Mass", ' The Ravages Of Time' von "Hyothetical" oder 'Slipstream' von "Dead Reckoning") haben mich die Briten noch nie voll überzeugt. Zu gleichförmig erschien mir ihr Stil (vor allem das monotone Riffing) und ich wartete bei ihrer Musik immer auf das Gewürz des Besonderen, auf die eine herausragende Passage, die einen mal aus dem oft zu vorhersehbaren Flow riss. Schon 1993, als "Wounded Land" erschien, war jede Zelle meines Körpers süchtig nach Prog, aber vom hochgelobten THRESHOLD-Debut war ich doch sehr enttäuscht und auch heute dient es mir als hervorragendes Sedativum.
Natürlich ist auch "March Of Progress" keine Frickelorgie geworden, doch man merkt der Band die 19 Jahre geistiger und musikalischer Reifung mit jeder Note an. "March Of Progress" ist somit meilenweit vor "Wounded Land" gelegen.
Zwei produktionstechnische Geniestreiche sorgen dafür, daß THRESOLD nun auch bei mir nach ganz oben in den Proghimmel aufsteigen. Erstens wurde es geschafft, dass Karl Grooms harte Metalgitarren endlich einmal perfekt in den Gesamtsound eingebunden werden, ohne die plüschige, britisch-neoproggige Klangherrlichkeit (was für ein gigantischer Leadgitarensound!!!) im THRESOLDschen Laut zu stören. Immer waren sie etwas zu laut, zu penetrant oder zu metallisch, jetzt passt alles perfekt! Zweitens ist es gelungen, alle Nuancen des wirklich extrem charismatischen Gesangs des Damian Wilson rauszuholen. Während ich bei der
HEADSPACE einen halben Spin gebraucht habe, um überhaupt zu realisieren, dass da Wilson singt, zieht er mich hier vom ersten Ton in seinen Bann. Kurzum: Die Produktion ist überrragend und da bei mir Gefallen sehr oft über Sound geht, ist es für THRESOLD ein leichtes Spiel, meinen nach Prog lechzenden Körper mit Songs wie u.a. 'The Hours' mit einer Überfülle an Glückshormonen zu versorgen. Sogar ganz ohne Gefrickel.

Note: 9,5/10
[Thomas Becker]

wilson
THRESHOLD und ich wurden in diesem Jahr beide 24, damit hören aber auch die Gemeinsamkeiten auf, die ich bis vor dieser Veröffentlichung mit den Briten hatte. Das ändert sich mit "March Of Progress" jedoch, denn nun hatte ich endlich die Gelegenheit, mich ausführlicher mit diesem Progressive-Monument zu beschäftigen. Fünf Jahre nach "Dead Reckoning" schafft es das Sextett, Eingängigkeit und Abwechslung in einen rundum harmonisch klingenden Mantel guter Musik zu packen. Damian Wilsons (siehe Foto) Stimmgewalt ist wieder mit an Bord, Stücke wie 'Ashes', 'The Hours' oder 'That's Why We Came' sind clever durchdacht und nicht so sperrig wie andere Veröffentlichungen in diesem Sektor, machen den 70-minütigen Braten schmackhaft und laufen auf das Grande Finale, das fabelhafte 'The Rubicon' hinaus. Melodien, harte Gitarren und dezente Keyboardattacken stehen weiterhin an der obersten Stelle, auch wenn der eine oder andere Song ein wenig sperrig daherkommt. Hier, in unserer heiligen Redaktion jedoch kein Wunder, dass "March Of Progress" die Pole-Position erreicht hat. Glückwunsch.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Ich kann mich nicht halten, deshalb falle ich mal mit der Tür ins Haus: "March Of Progress" ist mit das beste, was mir in den letzten Jahren im klassischen Prog-Sektor zu Ohren gekommen ist. So, und wo das nun geklärt ist, kann ich vielleicht mal überlegen, woran das denn liegen mag. Vermutlich vor allem daran, dass THRESHOLD hier wahnsinnig tolle, ausufernde Kompositionen präsentieren, die dabei jedoch vollkommen unaufgeregt und zu keiner Zeit verkopft klingen - eine derart etablierte Band muss schießlich niemandem mehr etwas beweisen. Dazu singt Damian Wilson absolut klasse, wenngleich ich gestehen muss, dass es ein paar Durchgänge gedauert hat, bis mir dieses "Mac klang ja schon anders..." aus dem Kopf ging. Aber während man Songs wie 'The Hours', 'The Rubicon' oder 'That's Why We Came' (stellvertrend für quasi alle Nummern der Scheibe) genießt, kommt es einem gar nicht in den Sinn, die Musik auf eine bestimmte tolle Facette zu reduzieren. Das ist in sich unglaublich stimmig und irgendwie "rund" - wie man es von THRESHOLD eben gewohnt ist. Ich bedauere es fast, schon zum jetzigen Zeitpunkt eine Bewertung abgeben zu müssen, da ich der festen Überzeugung bin, dass sich hier mit der Zeit noch so einiges mehr offenbaren wird. Sei's drum. Es bleibt mir an dieser Stelle natürlich nichts anderes übrig, als eine extrem hohe Note zu zücken. Ganz stark!

Note: 9,5/10
[Oliver Paßgang]

Redakteur:
Thomas Becker

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