Gruppentherapie DEW~SCENTED-"Icarus"

27.07.2012 | 12:07

Dritter Platz im Juli-Soundcheck für die niedersächsischen Thrash-Bolzen. Statements dazu gibt es wie immer in der Gruppentherapie.

cover

Es ist schon erstaunlich mit welcher Energie und Beharrlichkeit das niedersächsische Abrisskommando DEW-SCENTED seit nunmehr zwanzig Jahren und ("Icarus" mitgezählt) neun Studioalben sein Ding durchzieht. Das Motto heißt auch anno 2012 mal wieder: Thrash 'til Death!! Dabei ist Brüllwürfel Leif Jensen die einzige personelle Konstante im Line-Up. Doch auch seine aktuelle Hintermannschaft macht wieder mächtig Druck und Rabatz. Die Doublebass-Attacken treffen zielsicher die Magenkuhle, die messerscharfen Riffs zerschneiden die Trommelfelle mit chirurgischer Präzision. Leif himself klingt immer noch so übel angepisst und mächtig aggressiv, wie es die hartgesottene Thrash-Gemeinde besonders liebt. Auch die neuen Songs funktionieren ganz gut; in meinen Augen klingt DEW-SCENTED ja immer dann am besten, wenn das Gaspedal bis zum Bodenblech durchgetreten wird. Dann kann unser einheimisches Knüppel-Quintett SLAYER durchaus ernsthaft Konkurrenz machen. Die Kehrseite dieser Medaille aus Konsequenz und Selbsttreue ist, dass "Icarus" nach etwa einer halben Stunde schlicht und ergreifend langweilig wird. Das bewährte Muster wiederholt sich immer und immer wieder, es gibt kaum Variationen, schon gar keine Überraschungen. Mit einigen melodischen Auflockerungen, etwas flexiblerer Gitarrenarbeit und vor allem auch mal was anderem als diesem animalischen Gebrüll wäre hier noch deutlich mehr draus geworden. So steht am Ende wieder mal "nur" eine gute, schön brutale Thrash-Platte mit einigen Death Metal-Einflüssen. No more, no less!

Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]

Band1

Ja, das ist das erwartet fette Teil. "Icarus" fliegt und stürzt eben nicht ab. Irgendwie kann ich mich nicht beherrschen, wenn meine Lieblings-Thrasher aus Deutschland wieder mal mit einem neuen "I-Werk" um die Ecke kommen. Denn die rohe Kraft, die die Herren versprühen, trifft genau meinen Nerv und reißt mich vom Hocker. Dabei immer mit genug Melodie, dass es nicht nur brutal klingt, und vor allem mit Gitarrenleads vom anderen Stern. Dazu ein paar wohl platzierte Tempowechsel, damit man nicht eintönig wird. Es stimmt allerdings: DEW-SCENTED geben nichts auf Entwicklung. Das klang vor fünf Alben und zehn Jahren so, und ich wette, das klingt auch 2022 noch so. Aber wer sich darüber mokiert, dem zeigen wir den Stinkefinger und schütteln die Rübe, wahlweise zu zu 'By My Own Hand' (das Riffing muss ich mitpfeifen, und dann so ein cooles Solo!) oder etwas Älterem. Who cares? I certainly don't!

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]



Der Volksmund meint: Stillstand ist Rückschritt. Und das mag in vielen Kontexten zutreffen. Aber nicht bei den auf-die-Omme-Thrashern von DEW-SCENTED. Sobald das Geknüppel zugange ist und Leif Jensen sein heiseres Gebrüll drüberlegt, habe ich ein unglaublich fettes Grinsen im Gesicht und könnte die Welt gleichzeitig verprügeln sowie umarmen. Hier reiht sich ein Vorschlaghammer an den nächsten und man weiß gar nicht, wie einem geschieht. Die Produktion ist dabei modern-aggressiv, was perfekt zum präsentierten Inhalt passt. Verschnaufpausen gibt es nur ganz wenige, und das ist verdammt gut so. Hier wird rhythmisch genau so gearbeitet, wie ich es im Thrash Metal liebe, und gerate ob solcher Abrissbirnen wie 'Sworn To Obey', 'By My Own Hand' und 'A Final Procession' (stellvertretend für quasi jeden Song der Platte) auch nach dem x-ten Mal hören in Verzückung. Das gleiche Review passt natürlich auch auf nicht wenige andere Platten der Niedersachsen, denn es hat sich weder am Sound noch am Songwriting (trotz komplett ausgetauschter Hintermannschaft) auch nur ein Hauch getan. Aber ich bin ganz ehrlich - das ist mir komplett egal. Ich habe meinen Spaß und bin der festen Überzeugung, dass viele andere Headbanger diesen ebenfalls haben werden. Am liebsten würde ich nun einen Daumen nach oben geben, aber meine Hand ist während des Hörens der Platte eigentlich durchgehend zu einer Faust geballt, von daher nur: DEW-SCENTED auf Platz 3? Alles richtig gemacht, Kollegen!

Note: 9,0/10
[Oliver Paßgang]

 

Band2

Ich mag sie ja schon seit ihren Anfangstagen sehr, die taufrisch Duftenden. DEW-SCENTED standen in meinen Augen schon immer für höchst authentischen, bodenständigen und auf das Wesentliche fokussierten Thrash Metal. Rampensäue im positiven Sinne des Wortes, ohne irgendwelche Starallüren, und immer mit einer solch ungezügelten Aggressivität ausgestattet, dass man mal so richtig den Kopf ausschalten und mit Lust in dem derben Geboller versinken kann. Und daran hat sich nichts geändert, auch "Icarus" transportiert genau diese Attitüde. Dazu die von den Niedersachsen gewohnten Death-Metal-Anleihen und ein paar schmissige, wunderbare Melodien dazwischen, fertig ist die neunte Wuchtbrumme made by DEW-SCENTED. Und da sind wir auch beim einzigen echten Kritikpunkt: Zu gewohnt kommt das Ganze daher, zu wenig Auflockerungen und Überraschungen im recht gleichförmigen Thrash-Geknatter sind zu konstatieren. Keine Frage, das Ding macht richtig Spaß, aber irgendwie könnte man auch nach bereits drei, vier Songs aufhören ohne noch irgendetwas Essentielles zu verpassen. Aber keine Sorge ihr Thrash-Maniacs da draußen, wenn man ein DEW-SCENTED-Album durchgehört hat, weiß man, was man (bzw. der Nacken) die letzte dreiviertel Stunde getan hat. Wer sich also an der nicht vorhandenen Weiterentwicklung nicht stört, kann nichts verkehrt machen, wenn sie oder er sich mit dem "Icarus" ins Bettchen legt.

Note: 7,5/10
[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Thomas Becker

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