FROST*: Interview mit Jem Godfrey

08.08.2006 | 14:41

Hinter einem Produzenten von Acts wie ATOMIC KITTEN oder BLUE erwartet man nicht unbedingt ein großartiges, progressives Rock-Album, das zudem nicht nach den allseits bekannten Helden der 70er klingt. Aber genau das ist FROST*, die mit "Milliontown" ein großartiges Debüt vorgelegt haben. Ich sprach mit Bandkopf Jem Godfrey.

Peter:
Jem, zuallererst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem brillanten Debüt. Wie sind denn die Reaktionen bisher?

Jem:
Bisher sind sie glücklicherweise sehr gut. Ein Idiot meinte, ich könne nicht singen. Aber ich habe ihn um die Ecke gebracht und seitdem ist wieder alles okay. ;-)

Peter:
Bisher bist du in der Szene nicht besonders in Erscheinung getreten. Warum und seit wann ist Progressive Rock deine Leidenschaft?

Jem:
Prog war eine Art Pate für mich seit ich zehn Jahre alt bin. Mein älterer Bruder war sehr in der Szene und so kam ich ganz natürlich auch mit da rein. Meine große Liebe war GENESIS. Mit YES hingegen konnte ich nie so viel anfangen, sie waren mit zu, ehm, kosmisch.

Peter:
Normalerweise produzierst du Pop-Acts wie ATOMIC KITTEN oder BLUE. Wie sehr unterscheidet sich die Arbeit mit brillanten Musikern wie John Mitchell, John Jewitt oder Andy Edwards von der mit Pop Stars?

Jem:
Das ist schon ein ziemlicher Unterschied. Wir haben sehr viel weniger Druck und da wir alle Musiker mit sehr ähnlichen Ansichten sind, haben wir viel gelacht und eine Menge Blödsinn gemacht.

Peter:
Wie bist du überhaupt an deine Musiker gekommen und wie hast du sie ausgesucht?

Jem:
Als ich mich auf die Suche gemacht habe, habe ich zuerst eine Menge Prog-Alben gekauft. John Mitchell stach ziemlich heraus. Ich mochte sein Gitarrenspiel sehr, so dass ich ihm eine eMail geschrieben und gefragt habe, ob er nicht Lust hätte auf dem Album zu spielen. Er hörte die Rohversionen, mochte sie und hat dann zugestimmt. Er empfahl mir dann John Jowitt für den Bass und dieser wiederum empfahl Andy Edwards.

Peter:
Welche Vorteile deiner täglichen Arbeit als Produzent konntest du in die Songs von FROST* einbringen?

Jem:
Deutlichkeit und Melodie. Und eine unnachgiebige Achtung gegenüber Deadlines.

Peter:
Was ist schwieriger zu schreiben – ein drei Minuten langer Pop-Hit oder ein 25-minütiges Epos wie 'Milliontown'?

Jem:
Ganz klar die Pop-Songs. Heutzutage brauchst du die richtige Balance aus 'zur rechten Zeit am rechten Ort', Glück und Urteilsvermögen, um einen Hit bestätigt zu bekommen. Die A&R-Männer sind nur noch sehr schwer zu beeindrucken. Sie haben alles schon gesehen und gehört. Dagegen ist das Schreiben von einem 25-Minuten-Prog-Epos eine echte Befreiung im Vergleich zum Stress, den man mit den Pop-Songs hat.

Peter:
"Milliontown" klingt nicht wie der klassische 70er Progressive Rock mit Einflüssen von GENESIS oder NEKTAR, dafür aber sehr modern und innovativ. Wie hast du das hinbekommen, obwohl du dieselben Zutaten wie alle anderen von den 70ern beeinflussten Bands benutzt hast?

Jem:
Ich habe mir einfach eine Liste überlegt von allen Klischees, die mir zum Thema Prog eingefallen sind und habe versucht sie zu vermeiden. Ich habe aber das eine Klischee mit dem 25-Minuten-Opus vergessen. :-)
Wenn also andere Bands sich anscheinend verpflichtet fühlen ihre eigene Version von 'Apocalypse in 9/8' (GENESIS) zu machen, wann immer sie einen langen Song schreiben – mit den gestochen hohen Oktaven und dem Hammond-Solo -, habe ich mich als Inspirationsquelle eher an 'Duke's Travels' (ebenfalls GENESIS) gehalten. Ich denke nicht, dass man das bislang schon gemacht hat. Insgesamt hoffe ich, dass dies alles auch geholfen hat.

Peter:
Was kannst du mir über die Lyrics auf dem Album erzählen? Was inspiriert dich?

Jem:
Textlich ist es ein bunter Haufen, es gibt kein zentrales Thema auf dem Album. Es ist kein Konzeptalbum und ich denke auch nicht, dass wir je eines machen werden. Das ist einer meiner Punkte auf der Klischeeliste. Und als Inspiration kann alles dienen – Bücher, Filme, TV Shows. Der übliche Kram halt.

Peter:
Mit dem Namen FROST* hätte ich eher kalte, düstere Musik verbunden. Warum hast du diesen Namen gewählt und was bedeutet das *?

Jem:
Ich wollte einfach ein simples, modern klingendes Wort, das keine wirkliche Assoziation mit Prog Rock hat. Ich wollte auch keine protzigen Namen über globale Paranoia oder Drachen und Dämonen. FROST* hat da einfach gut gepasst. Der Stern ist da aus Sicherheitsgründen.

Peter:
Was erwartest du von der Tour mit PALLAS? Und sind bereits andere Gigs in Planung?

Jem:
Ich hoffe, wir werden in der Lage sein den Kram auch live zu spielen. Bei den ersten paar Gigs sind wir sicher lausig, aber ich denke, wir werden uns schnell verstehen und zu einer Live-Einheit wachsen. Du kannst das nicht erzwingen, aber es kommt früh genug.
An anderen Gigs sind bisher das 'Classic Rock Society Winter Rockfest' in Großbritannien geplant und zudem supporten wir THE FLOWER KINGS im Dezember in London. Später in 2007 spielen wir dann auf dem 'RoSFest' in den USA. Da freue ich mich schon sehr drauf.

Peter:
Sind FROST* eine Art one-night-stand? Oder werdet ihr mit FROST* als Band weitermachen?

Jem:
Definitiv weitermachen. Fünf Alben, fünf Jahre und dann hören wir auf.

Peter:
Was denkst du über die folgenden Bands?
RUSH?

Jem:
Ich liebe RUSH. Neuerdings einfach dafür, wie cool sie sind. Die "Rush in Rio"-DVD ist absolut fantastisch. Ich denke, ich bevorzuge sogar die Dokumentation zu dem Gig. Da zeigen sie, wie cool sie sind.

Peter:
GENESIS?

Jem:
Ich denke, sie sind mein Haupteinfluss. Ich liebe sie unendlich. Ich habe mich sogar darauf vorbereitet ihnen "Invisible Touch" zu verzeihen.

Peter:
YES?

Jem:
Die einzigen zwei Alben, die ich wirklich mag sind merkwürdigerweise "90125" und "Drama". Der Rest lässt mich ziemlich kalt.

Peter:
SPOCK'S BEARD?

Jem:
SPOCK'S BEARD entdecke ich gerade erst. Und ich mache es durch zufälliges Timing auch noch rückwärts. Für mich ist Neal Morse gerade erst bei der Band eingestiegen. Es wird besser und besser.

Peter:
IQ?

Jem:
Nach einer langen Pause entdecke ich IQ jetzt wieder. Zudem haben mich die Geschichten, die mir John Jowitt über ihre internen Arbeitsweisen erzählt hat, in einem permanenten Zustand der Zuneigung zurück gelassen. Wenn ich dir nur ein paar der Dinge erzählen könnte, die ich jetzt weiß...

Peter:
ARENA?

Jem:
Hmm... sie sind mir etwas zu seriös, zu ernst. Manchmal wünschte ich mir, sie hätten ein paar Joints und würden ein bisschen aufflammen.

Peter:
Was für Musik hörst du in deiner Freizeit?

Jem:
Einfach alles. Von PAGANINI bis PRINCE. Ich liebe das alles. Im Augenblick höre ich eine mittlerweile aufgelöste Band namens ETHER.

Peter:
Was sind deine fünf Lieblingsalben?

Jem:
Puh, ohne Reihenfolge:
ELO - Out Of The Blue
THE PRODIGY - Music For A Jilted Generation
JELLYFISH - Spilt Milk
DJANGO REINHART & STEPHAN GRAPPELLI - Quintette Of The Hot Club Of France
GENESIS - Duke

Peter:
Wenn du eine All-Star-Band starten könntest, wen würdest du einladen?

Jem:
Ich bin am Keyboard, John Bonham (LED ZEPPELIN) am Schlagzeug, Le Mystere Des Voix Bulgares am Gesang (ein Frauenchor – PK) und Steve Vai als Gitarrist. Mann, DAS wäre eine Band. :-)

Peter:
Und wer würde alles auf deinem Festival spielen?

Jem:
Meine All-Star-Band wäre natürlich der Headliner. GENESIS aus der Zeit von der "Seconds Out"-Tour, natürlich FROST* und JELLYFISH. Und ich hätte PAGANINI im Akustikzelt.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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