ELUVEITIE: Interview mit Chrigel und Meri

29.02.2008 | 08:20

Mit ihrem neuen Album "Slania" haben ELUVEITIE ein weiteres Mal gezeigt, was "New Wave Of Folk Metal" für sie bedeutet. Ihr Album ist auf Platz #72 der deutschen Verkaufscharts eingestiegen und die Bewertungen sind anscheinend traumhaft. Ein guter Grund, mit den Kriegern über Metalcore, Stress und den keltischen Jahreskreislauf zu sprechen.

Julian:
Servus und Grüezi, vielen Dank, dass ihr euch für dieses Interview Zeit genommen habt. Zuerst einmal, wie geht's? Erzähl doch kurz, was es zur Zeit bedeutet, ein Mitglied von ELUVEITIE zu sein. Ist es sehr stressig?

Chrigel:
Haha, geile Frage! Momentan haben wir schon ziemlich viel um die Ohren. Aber "stressig", das ist wohl eine Definitionssache. Wenn "stressig" bedeutet, dass man konstant an was dran ist, täglich viele Stunden darin investiert und zu wenig Schlaf kommt, dann ist es derweil stressig. Aber handkehrum (schweiz.: andererseits - Anm. d. Verf.) ist's ja auch so, dass wir uns schlicht unserer allergrößten Leidenschaft hingeben, insofern ist es nicht wirklich stressig.
Bei uns allen hat die Band einfach oberste Priorität und damit wird natürlich auch von jedem Bandmitglied uneingeschränktes Engagement erwartet. Aber eben: Leidenschaft ist Leidenschaft!

Julian:
Das neue Album "Slania" hat mir sehr gut gefallen. Es sind ja irgendwie zwei Welten, die da aufeinander treffen. Der Folk auf der einen, der Melodic Death Metal auf der anderen Seite. Teilen sich die Mitglieder der Band auch in "zwei Lager" auf, was die eigenen musikalischen Interessen angeht?

Chrigel:
Nein, ganz und gar nicht. Grundsätzlich sind wir eh allesamt sehr offen in musikalischen Belangen. Die einzelnen musikalischen Vorlieben reichen von old school Black Metal über Volksmusik über Rock'n'Roll über Pop und Indie bis hin zu modernen Metalcore-Sachen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle von uns Metal (in diversesten Variationen) lieben und ebenso aber auch traditionelle keltische Volksmusik.

Julian:
Beschreibe doch kurz die Aufnahmen im Studio. Wo wart ihr? Wie gestaltet sich die Arbeit mit so vielen unterschiedlichen Arrangements, Instrumenten und Musikern? Wie zufrieden seid ihr mit der Produktion?

Chrigel:
Die Metal-Instrumente (Drums, Bass, Gitarren und Vocals) nahmen wir in Örebro/Schweden im Fascination Street Studio auf. Die Geigen wurden im Devils Studio in Vaduz/Liechtenstein eingespielt und die restlichen Folk-Instrumente und Teile der Chöre nahmen wir in Zürich auf. Um das ganze Album zu mischen und zu mastern, fuhren wir wieder nach Örebro, wo wir das Album gemeinsam mit Jens Bogren (AMON AMARTH, OPETH, KATATONIA, SOILWORK etc.) produzierten.
Ja, wir sind im Großen und Ganzen wirklich sehr zufrieden mit der Produktion! Jens ist wirklich ein fähiger Mann, ohne Frage!

Julian:
Gibt es schon Rückmeldungen? Wie wird das Album angenommen? Seid ihr zufrieden mit dem Feedback?

Chrigel:
Bis jetzt sind wir ehrlich gesagt absolut überwältigt von den Reaktionen auf "Slania"! Das Album wurde bis jetzt wirklich sehr gut aufgenommen und scheint unseren Fans voll und ganz zu gefallen, worüber wir natürlich mehr als glücklich sind.

Julian:
Was bedeutet für euch das Statement "New Wave Of Folk Metal"?

Chrigel:
Nun, anfangs war das nicht mal so ganz ernst gemeint, sondern war auch ein kleines "Augenzwinkern" gegenüber dem ganzen "Stilbezeichungs-Wildwuchs" der im Pagan/Viking/Celtic/Folk/Weiß-der-Geier-noch-was-Metal teilweise vonstatten geht, also erlaubten wir uns den "Scherz", mit einer nochmals neuen Bezeichnung einen drauf zu geben. Aber plötzlich begann sich der Begriff zu etablieren und da hatten wir natürlich auch nichts dagegen.
Andererseits ist uns diese Stilbezeichnung natürlich schon auch ernst. Wir möchten uns etwas von der ganzen "Pagan"-Szene abgrenzen, denn wir denken, dass sich unsere Musik ebenso davon abhebt. Mir jedenfalls ist zum Beispiel bislang keine Metal-Band bekannt, welche beispielsweise eine Drehleier fix im Line-Up hat oder live mit etwa zehn verschiedenen Instrumenten (nebst dem Metal-Instrumentarium) aufwartet. Aber abgesehen davon denke ich auch, dass sich vor allem unser "Metal" (z.B. das Riffing) durchaus vom größten Teil des Pagan-Metal-Genres abhebt. Viele Pagan-Bands sind eher Black-Metal-lastig und eher roh, was das Riffing angeht. Wenn du allerdings bei ELUVEITIE den Folk-Anteil wegnähmst, bliebe ziemlich moderner und ausgefeilter Melodic Death Metal übrig.

Julian:
Welchen Stellenwert haben Tradition, Geschichte, Ahnenforschung etc. für euch?

Chrigel:
Das ist von Bandmitglied zu Bandmitglied verschieden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass zumindest eine Affinität für Geschichte und Tradition bei allen von uns da ist (mal abgesehen von der Musik natürlich). Für mich persönlich bedeutet die alte keltische Kultur sehr viel.

Julian:
Wie reagieren Bands aus dem traditionelleren Pagan/Folk-Sektor auf eure moderne Interpretation des Folk Metals? Ihr habt ja z.B. Konzerte mit MENHIR oder SKYFORGER gespielt – herrscht da Ablehnung oder eher Sympathie vor? Oder sogar Respekt/Bewunderung?

Chrigel:
Ich denke, da sind die Geschmäcker verschieden. Und nichts anderes ist es: Eine Geschmackssache. Größtenteils erhalten wir aber sehr positive Reaktionen. Ganz abgesehen davon, dass wir mit vielen Bands in dem Genre persönlich befreundet sind, wie eben gerade mit SKYFORGER. Und auch mit den Thüringer Jungs hatten wir bislang bei jedem gemeinsamen Gig eine super Zeit.

Julian:
Ich habe gelesen, dass ihr epische Schlachtbeschreibungen und Ähnliches nicht in Songs bringen wollt, sondern andere Themen beschreibt. Was besingt ihr auf "Slania", ist es ein Konzeptalbum?

Chrigel:
"Slania" ein Konzept-Album zu nennen, wäre wohl etwas übertrieben, aber dennoch gibt es einen roten Faden, der sich durch das ganze Album zieht. Das inhaltliche Zentrum bildet ein elementarer Aspekt der keltischen Mythologie und Kultur: Das "große Rad", sprich der Jahres-Zyklus. In der keltischen Kultur durchläuft ein Jahr das "große Rad" mit seinen vier Haupt-Fixpunkten, den vier großen Festen der Kelten (welche die Jahreszeiten bezeichnen) und vier kleinen Festen, welche auf die Equinoxe und Sonnenwenden fallen. Das mag für manche Leute vielleicht etwas belanglos klingen, aber für das keltische Leben war/ist das "große Rad" von sehr weitreichender Bedeutung und ist unendlich viel mehr als lediglich ein "Kalender".
Wie auch immer, jedem der vier keltischen Haupt-Feste haben wir je einen (mehr oder minder) akustischen Track gewidmet. Das Album durchläuft also sozusagen das keltische Jahresrad. Und der größte Teil der Songs dreht sich in irgendeiner Weise um einen Aspekt dieser ganzen Thematik. Der Song 'Tarvos' beispielsweise vertont eine alte gallische Parabel, die uns berichtet, wie die Jahreszeiten entstanden, als die Erde jung war. Wie "Tarvos Trigaranos" (gallisch für "goldener Bulle") der Erde, der Natur und allem Leben ein Segen war und wie er vom Jagdgott Esus gejagt und letztlich auch erlegt wurde, wodurch der erste Winter in die Welt kam.

Julian:
Ich habe euch leider noch nicht live gesehen. Wie ist das Gefühl mit acht oder neun Musikern auf der Bühne zu stehen (außer Platzangst)?

Chrigel:
Haha, Platzangst müssen wir glücklicherweise inzwischen nur selten leiden, da wir meist in Locations mit Bühnen spielen, die groß genug für acht Leute sind.

Meri:
Ich glaube, dass die Größe der Band eigentlich keine Rolle spielt. Für mich persönlich ist es einfach ein großartiges Gefühl mit meinen besten Freunden auf der Bühne zu stehen. Wir sind wirklich eine Familie geworden. Wir lachen, streiten, trauern, freuen, heulen und feiern miteinander. Auch wenn das sehr romantisch und abgelatscht klingen mag, ELUVEITIE ist eine Familie und es gibt nichts Intensiveres und Wertvolleres als die Momente auf der Bühne gemeinsam und mit ganzem Herzen zu erleben.

Julian:
Was war das schönste oder intensivste Live-Erlebnis mit ELUVEITIE?

Meri:
Im Anbetracht auf meine letzte Antwort ist es doch sehr schwer das Schönste herauszufiltern. Für mich war Ragnarök 2007 ein sehr, sehr schönes Konzert. Das Publikum war hingebungsvoll vom ersten bis zum letzten Ton und hat uns mit aller Kraft unterstützt. Graspop war eigentlich auch Wahnsinn. Es haben sich beinahe 9000 Metalheads eingefunden um mit uns am sehr frühen Nachmittag zu feiern. Wir waren tatsächlich beeindruckt. Wenn ich es mir recht überlege, gab es doch ein paar sehr schöne und intensive Live-Erlebnisse.
Unser Tour-Abschlusskonzert in München im Titanic-City war eigentlich trotz des kleinen Clubs genauso schön und intensiv. Dank unseren verrückten und ausgelassenen Fans, die uns immer wieder lauthals die Stirn bieten, ist es jedes Mal ein Heidenspaß.

Julian:
Was ist das Ziel von ELUVEITIE für die nächsten fünf Jahre? Ich habe da etwas von Akustik-Alben läuten gehört...

Meri:
Ja, wir werden zwei Akustik-Alben veröffentlichen. Daran arbeiten wir zurzeit. Es soll ganz und gar "ELUVEITIE" bleiben, doch es reizt uns einfach sehr, etwas Neues im Folk-Sektor auszuprobieren. Reiner Folk à la ELUVEITIE halt. Lasst euch überraschen! Konkrete Neuigkeiten zu den einzelnen Songs, dem Artwork und allem anderen bringen wir euch im Sommer!

Julian:
Wie schwer ist es, mit einem so großen Label wie Nuclear Blast zu arbeiten? Gab es Konflikte à la künstlerische Entfaltung versus handfeste Mainstream-Überlegungen? Oder macht die Zusammenarbeit alles leichter?

Meri:
Nuclear Blast haben sich nie in unsere künstlerische Entfaltung eingemischt. Sie haben uns das machen lassen, was wir von Anfang an wollten. Es gab keine Ratschläge oder dergleichen, dieses oder jenes Stück auf die eine oder andere Art abzuändern, damit es massentauglicher würde. Fernab davon. Wir hatten freie Hand in unserer Musik und werden diese auch weiterhin haben. Die Zusammenarbeit erleichtert uns natürlich einiges, was den administrativen und kommunikativen Aufwand angeht. Sie haben uns bei "Slania" sehr unterstützt und das Bestmögliche für uns getan. Dank auch an euch!

Julian:
Wo wird man euch in nächster Zeit live sehen können?

Meri:
Wir werden nun im April für zwei Monate mit ENSIFERUM, MOONSORROW, TURISAS, KORPIKLAANI und TYR auf Tour gehen. Von Tilburg bis New York ist eigentlich fast alles mit dabei. Informationen über Konzerte in eurer Nähe findet ihr auf unserer Homepage in der "Live-Abteilung".

Julian:
Vielen Dank für das Interview. Hier sei noch der Platz für abschließende Wort von euch an eure Fans.

Meri:
Wir können euch eigentlich gar nicht genug danken. Wir schätzen die zahlreichen Reaktionen auf unser neues Album sehr und freuen uns wie wahnsinnig darauf euch alle am Paganfest 2008 begrüßen zu dürfen! Bis dann wünschen wir euch alles Gute und stoßen an auf euer Wohl! Prost!

Chrigel:
Jep, kann mich anschließen - danke dir für das Interview und Dank an alle Leser für euer Interesse. Auf dass man sich mal an 'nem Gig sehen wird.

Redakteur:
Julian Rohrer

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