EDGUY: Diskografie-Check Teil 1 | Platz 10-6

24.04.2024 | 21:50

Ein Rückblick auf eine der melodischsten Metalbands Deutschlands.

10 Jahre "Space Police (Defenders Of The Crown)" als letztes Studioalbum der Band – oder doch 20 Jahre "Hellfire Club"? Egal. Der Eindruck verfestigt sich nach und nach, dass die Bandgeschichte von EDGUY aus Fulda wohl zu Ende ist. Ein Trauerspiel, denn es handelt sich fraglos um eine der besten deutschen Metal-Bands, jawohl, aller Zeiten! Natürlich ist AVANTASIA ein würdiger Ersatz, aber eben doch ganz anders gelagert. Zwischen melodischem Speed-Stoff, etwas Klamauk und leichten Bombast-Einflüssen war EDGUY immer so viel mehr als eine HELLOWEEN-Kopie. Die EDGUY-Gigs, die ich erleben durfte, gehören absolut zu meinen Konzert-Highlights.

Dass EDGUY vielen in der Redaktion am Herzen liegt, zeigt die hohe Beteiligung am Diskografie-Check. Unser Chef Marcel Rapp ist dabei, dazu Rüdiger Stehle, Jakob Schnapp, Maik Englich, Chris Staubach, Stefan Rosenthal, Mahoni Ledl, Mario Dahl und Hannelore Hämmer [neben dem Autor dieser Zeilen, Jonathan Walzer - d. Red.].

 

Platz 10:

Savage Poetry (1995) / The Savage Poetry (2000)

Das erste Album der Jungs wurde ja zwei Mal eingespielt. Welche Version von welchem Redakteur letztlich gehört wurde, lässt sich wohl abschließend nicht mehr ganz ermitteln. Dass sich bei der Eigenproduktion noch technische Mängel finden, ist wenig verwunderlich. Es ist einfach ein recht simples Frühwerk einer Band, die anfangs doch stark in der HELLOWEEN-Kopisten-Schiene fuhr. Das machte sie durchaus hörenswert. Trotzdem ist die Neuaufnahme aus dem Jahr 2000 qualitativ deutlich hochwertiger. Rüdiger hält das Debüt sogar für die drittbeste Scheibe der Band. Bei Hanne, Maik, Chris und mir hagelt es dann aber letzte Plätze, so dass die rote Laterne am Schluss berechtigt ist. Der Abstand zu Rang 9 war aber minimal!

[Jonathan Walzer]

 

Platz 9:

Kingdom Of Madness (1997)


Für die meisten Redaktionsmitglieder ist es unstrittig: Die ersten beiden Alben sind die schwächsten. "Kingdom Of Madness" dürfte auf jeden Fall den Platz für das langweiligste Artwork gewinnen, aber es bleiben auch keine Songs sonderlich hängen. Das geht anscheinend nicht nur mir so. Trotzdem war der Sprung zu einem Label (AFM Records) wichtig für die Jungs, die qualitativ eine Schippe zulegen konnten. Dafür fehlt teilweise etwas die verspielte Leichtigkeit des Debüts. Stefan, Jakob und Mario haben die Platte daher auf den letzten Platz verbannt. Bei Chris, Rüdiger und Marcel reicht dagegen sogar fürs Mittelfeld.

[Jonathan Walzer]

 

Platz 8:

Age Of The Joker (2011)


Nach dem absoluten Frühwerk findet ihr bei uns eine Scheibe aus dem Spätwerk. Es ist klar: Als "Age Of The Joker" erschien, war Tobi Sammet schon primär mit AVANTASIA befasst. Dieses Album hatte mich bei der Veröffentlichung zuerst ganz schön enttäuscht. Im Langzeittest ist es jedoch eine gute Scheibe, die aber eben im Bandkontext etwas abfällt. Für Marcel und Mahoni ist es erstaunlicherweise sogar die schwächste Scheibe der Band – dafür überraschen Maik mit Platz 2 und Mario mit Platz 3 sogar ziemlich. Kommerziell dagegen lieferte das Album ab: Platz 3 in den deutschen Albencharts, die Top 10 in Tschechien und sogar Platz 63 in Frankreich: Das ist echt beachtlich. Der Opener 'Robin Hood' und 'Rock Of Cashel' dürfen aus meiner Perspektive auf eine Best-of-Scheibe der Band.

[Jonathan Walzer]

 

Platz 7:

Tinnitus Sanctus (2008)


Weniger Klamauk, mehr Hard Rock. Weniger Haare, mehr... warte, weniger Haare? Ja, ich glaube zumindest, zum Clip von 'Ministry Of Saints' Herrn Sammet das erste Mal mit neuer Frisur gesehen zu haben. Das stand ihm aber auch sehr gut - genauso wie seiner Band die leichte Kurskorrektur zum Stadionrock. Nein, die kraftmetallischen Sequenzen gehörten beim "Tinnitus Sanctus"-Albums keinesfalls der Vergangenheit an, doch weitaus rockigere, experimentierfreudigere Töne reißen konsequent das Heft an sich. So war nicht jeder EDGUYianer vom "Rocket Ride"-Nachfolger überzeugt, doch mir, der danach auch etwas ernsthaftere Töne angesetzt hat, hat die Platte sehr gut gefallen. 'Thorn Without A Rose', '9-2-9' oder 'Sex Fire Religion' spannen den Bogen schon sehr weit Richtung Tellerrand und 'Nine Lives' fehlt es doch deutlich an Härte, aber inmitten doch typischeren Songs wie den Gute-Laune-Oasen 'Pride Of Creation' und 'Speedhoven', der RAINBOW-Hommage 'Dragonfly' oder dem straighten 'Dead Or Rock'-Rocker schraubt dieser Umstand die Abwechslung und das Hörvergnügen nur noch mehr in die Höhe und macht auch dieses Album so wertvoll. Und wer bei der Country-Bonusnummer 'Aren't You A Little Pervert Too' nicht grinst und zustimmt, geht zum Lachen (und noch mehr?) ohnehin in den Keller. Wie "Rocket Ride" ist auch "Tinnitus Sanctus" kein direkter Volltreffer wie "Hellfire Club", sondern entfaltet seine ganze Klasse erst nach mehrmaligem und intensivem Genuss. Prost!

[Marcel Rapp]

 

Platz 6:

Rocket Ride (2006)


Was habe ich EDGUY vor 15, 20 Jahren geliebt. Nicht nur, dass der Power Metal catchy as hell und die Songs so abwechslungsreich wie empfänglich für meine jugendlichen Ohren waren, so liebte ich auch den besonderen Humor der Jungs, der in der "Superheroes"-EP seinen Gipfel fand. Ich habe Tränen gelacht und auch heute trage ich ein breites Grinsen auf den Lippen, wenn ich an die Zeit zurückdenke. Ich hatte hohe, sehr hohe Erwartungen an "Rocket Ride", war "Hellfire Club" für mich doch solch ein Überalbum, auf einer Stufe mit den beiden "Keeper"-Alben und vieles von GAMMA RAY. Im ersten Durchgang dieses optisch für den EDGUY-Klamauk so typischen Albums machte sich zunächst Ernüchterung breit, kommen die richtigen Hits scheinbar doch erst ab der zweiten Hälfte: 'Save Me' ist eine wunderschöne, komplett kitschfreie Ballade, 'Trinidad' ließ im Erscheinungsmonat Januar die innere Sonne erstrahlen, 'Fucking With Fire' sowie 'Superheroes' sind Ohrwürmer, gegen die man sich partout nicht wehren kann, der Raketenritt hat einen hochklassigen Abgang. In der Nachbetrachtung - viele Jahre später also - muss man allerdings auch für die erste Hälfte eine Lanze brechen, gehören doch zumindest die 'Sacrifice'-Kraft, der 'The Asylum'-Schwung oder die besondere 'Return To The Tribe'-Spezialität zum Einfallsreichsten, was in dieser Zeit im deutschen Kraftstahl-Sektor veröffentlicht wurde. So ist "Rocket Ride" ein Album, das so viele Facetten, Überraschungen und Gimmicks bereithält und den Wehmut ob des derzeitigen EDGUY-Stands damit noch größer scheinen lässt.

[Marcel Rapp]

 

Welche Alben fanden wir noch besser? Und wo ist bitte die Weltraumpolizei? Mehr dazu in Kürze in unserem zweiten Artikel!

Redakteur:
Jonathan Walzer

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