DYING FETUS: Interview mit Mike Kimball

14.03.2007 | 19:35

DYING FETUS – Krieg der Apathie!

DYING FETUS haben sich unbestreitbar durch kontinuierliches Touren, noch mehr aber durch Veröffentlichung qualitativ guter bis hervorragender Alben einen Namen in der Death-Metal-Szene gemacht. Gestartet als eher klassische Death-Metal-Band mit Gore-Texten, entwickelte man sich schnell zu einer eher Grindcore-betonten Band mit folgerichtig politischen Texten. Schmerzhaft war dann sicher der Ausstieg des Kreativkopfs und Bassisten Jason Netherton, der forthin mit seiner eigenen Band MISERY INDEX weitermachte, obwohl sich die beiden Gruppen auch weiterhin freundschaftlich verbunden fühlen. Doch der mit der Verantwortung zurückgelassene Gitarrist und Sänger John Gallagher ließ DYING FETUS nicht sterben, sondern entwickelte den Bandsound weiter, einen Schritt zurück zum Death Metal. Im Rahmen der Veröffentlichung des neuen Albums "War Of Attrition" stand Gitarrist Mike Kimball per Mail Rede und Antwort.

Daniel A. Rabl:
Immerhin vier Jahre sind seit dem letzten Lebenszeichen "Stop At Nothing" vergangen. Warum haben die Aufnahmen zu "War Of Attrition" so lange gedauert, und wie habt ihr die Zeit im Studio empfunden?

Mike Kimball:
Der Aufnahmeprozess hat sich zumindest bezogen auf die Aufnahmetechnik definitiv verbessert. Allerdings: Besseres und schnelleres Equipment verleitet dich dazu, noch kritischer in Bezug auf den Sound und die Performance zu sein, was dich am Ende dazu bringt, dir noch mehr Zeit zu wünschen, um an Details zu arbeiten. Trotzdem sind wir schlussendlich sehr glücklich mit dem Ergebnis. Die lange Unterbrechung seit "Stop At Nothing" resultiert vor allem aus unseren ausufernden Live-Aktivitäten, aber auch daraus, dass wir beinahe ein Jahr lang keinen Drummer hatten. Wir waren gezwungen, die Schlagzeugparts selber auf dem Computer zu erstellen. Drumcomputer sind ein wirklich hervorragendes Werkzeug, aber leider sehr zeitintensiv.

Daniel A. Rabl:
Wie gestalten sich denn bei euch die Proben? Jammt ihr zusammen, oder bringt jeder eigene Ideen mit ein, die er zu Hause ausgearbeitet hat?

Mike Kimball:
Eigentlich beides, auch wenn John (Gallagher) die meiste Arbeit für sich allein erledigt. Manchmal arbeiten auch Sean und ich zusammen oder jeder für sich alleine. Trotzdem ist es letztendlich eine Gruppenarbeit. Das Gleiche gilt für die Texte, für die ich fast ganz allein verantwortlich zeichne, wobei wir dann alle zusammenkommen und kleinere Veränderungen vornehmen, wie bei den Songs auch.

Daniel A. Rabl:
Auch wenn der Albumtitel fast für sich selbst spricht, bitte erläutere, um was es für dich bei "War Of Attrition" geht.

Mike Kimball:
Wir dachten zunächst einmal, dass es ein guter Titel wäre, der eine Menge verschiedener Bedeutungen haben kann. Für mich persönlich steht der Begriff für das tägliche Bombardement von Informationen, denen wir als Individuen ausgesetzt sind. Informationen, die von Leuten kommen, die entweder versuchen, dir etwas zu verkaufen oder deinen Standpunkt zu manipulieren. Es geht aber auch um den inneren Krieg, deine Integrität aufrechtzuerhalten und dir selbst nicht zu erlauben, von den mannigfaltigen Formen der Korruption kompromittiert zu werden.

Daniel A. Rabl:
Ich denke, ihr selbst nehmt DYING FETUS als politische Band wahr. Wie groß denkst du ist der Einfluss, den ihr auf eure Fans habt?

Mike Kimball:
Ich hoffe, die Band ist in der Lage, die Menschen zum Nachdenken anzuregen und ihnen Ideen zu liefern. Aber auch wenn unsere Texte oftmals politischer Natur sind, haben wir kein festgelegtes Programm zu verkünden und hoffen, dass die Fans die Musik nicht allzu ernst nehmen. Meine Texte sind enorm beeinflusst von kriegsinspirierten Bands wie SLAYER, und ich denke, es wäre einfach ziemlich lahm, nur auf diesen politischen Zug aufzuspringen, da wir uns in der Situation befinden, einen reichlich unpopulären Präsidenten zu haben, der einen reichlich unpopulären Krieg führt. Letztlich geht es einfach um Unterhaltung, um Kunst, egal, wie düster die Texte und die Stimmung auch immer sein mögen.

Daniel A. Rabl:
Bitte beschreib doch einmal dein Verhältnis zur gegenwärtigen Musikszene. Gibt es andere Musiker und/oder Bands, die dein Schaffen beeinflussen?

Mike Kimball:
Es gibt eine Menge Bands, die mich kontinuierlich beeinfussen, aber nur wenige davon sind neu, und nicht eine davon gehört zum sogenannten Mainstream: Pop. Ich bin froh zu sehen, dass sich einige Teile der harten Szene größerer Popularität und Aufmerksamkeit erfreuen, aber mein persönlicher Geschmack erstreckt sich eher auf die harten, extremen Bands, die so kompromisslos wie möglich agieren. SUFFOCATION, SLAYER, EXODUS, NILE und GOATWHORE gehören zu den Bands, die ich mir meistens anhöre.

Daniel A. Rabl:
Ich denke, das neue Album geht erneut ein ganzes Stück vom Grindcore weg und tendiert wieder mehr in Richtung reinen Death Metals. Würdest du zustimmen?

Mike Kimball:
Da würde ich ohne Zweifel zustimmen, und ich denke, solange wir uns und unsere technischen Fähigkeiten verbessern und weiterentwickeln, wird das auch zukünftig der Fall sein. Wir mögen die groovigen Riffs und den langsamen, grindenden Sound, aber genauso gern verschieben wir die Grenzen in Richtung der schnellen, verrückten Songs.

Daniel A. Rabl:
Sind Bücher ein großer Einfluss für die Band oder dich persönlich?

Mike Kimball:
Manchmal schon, auch wenn ich jetzt spontan nicht in der Lage wäre, ein spezielles Buch hervorzuheben, das mich auf und zu diesem Album inspiriert hätte. Meistens sind es verschiedene Artikel, die ich lese oder aktuelle Ereignisse, die starke Gefühle in mir hervorrufen, oder aber verschiedene Filme oder Dokumentationen.

Daniel A. Rabl:
Denkst du, dass die Grenzen des Genres Death Metal eure Kreativität einschränken? Wie wird sich dieser Sound eventuell in Zukunft verändern?

Mike Kimball:
Ich habe nicht das Gefühl, dass dieses Genre unsere Kreativität behindert. Mag sein, dass es einen gewissen Rahmen setzt, aber wir fühlen uns nicht behindert, die Musik zu komponieren, die wir gerne hören würden. Wenn überhaupt, dann beflügelt uns das noch, härter an uns zu arbeiten und die Grenzen weiter auszuloten.

Daniel A. Rabl:
Gibt es ein spezielles Ziel, das ihr mit DYING FETUS erreichen wollt?

Mike Kimball:
Ich hätte gerne, dass sich das Songwriting und der Sound auf jedem Album verbessern, und natürlich wollen wir weiterhin Erfolg haben und damit die Möglichkeit, überall auf der Welt aufzutreten. Aber ich bin dankbar für das, was wir bis jetzt erreicht haben, und fühle mich jetzt schon sehr glücklich damit.

Daniel A. Rabl:
Bitte kommentiere doch kurz deine Sicht auf die US-amerikanische Politik und die gegenwärtige Situation in den USA.

Mike Kimball:
Wie unser Cover auch ausdrückt, bin ich sehr gespalten. Aus meiner Sicht gibt es derzeit einen gravierenden Unterschied zwischen Idealismus und praktischer Notwendigkeit. Das Frustrierende am Leben ist doch, dass die Welt unaufhörlich aus vielen verschiedenen primitiven und unklugen Ansichten besteht, wie es auch natürlich moderne und gut informierte Ansichten gibt. Aber ob es dir gefällt oder nicht, viele dieser schlechten politischen Ideen befriedigen die grundlegenden Bedürfnisse, die man sonst als selbstverständlich ansieht. Ich denke, wir benötigen einen Führer, der uns als Volk besser repräsentiert. Egal, ob du ihm beipflichtest oder nicht, eine unbeliebte lahme Ente als Präsident kann niemals gut für unser Land sein oder für das Bild, das wir nach außen zeigen.

Daniel A. Rabl:
Ein letzter Kommentar? Letzte Worte oder Danksagungen?

Mike Kimball:
Ich danke euch allen sehr für eure Unterstützung und eure Loyalität, und wir hoffen, euch schon bald alle auf Tour zu sehen! Danke!


Mit einem derart heftigen, wütenden und nackenbrechenden Album im Gepäck dürfen sich die Fans sicher jetzt schon ausgiebig auf die anstehende Europatournee zusammen mit SKINLESS freuen.

Redakteur:
Daniel Rabl

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