DISHARMONIC ORCHESTRA: Interview mit Patrick Klopf

01.01.1970 | 01:00

Sage und schreibe 8 Jahre ist es jetzt her, dass eine der kultigsten Truppen Österreichs von der Bildfläche verschwand, um anno 2002 mit einem neuen Silberling an den Start zu gehen. Die Rede ist von DISHARMONIC ORCHESTRA und deren aktuelles Album „Ahead“. In der Zeit ist ohne Zweifel einiges an Wasser die Donau hinuntergeflossen und Fragen an die Band gibt es demzufolge auch mehr als genug. Drum kein weiteres Geschwalle und auf in die Vollen … Interviewpartner war „Orchestermeitster“ Patrick Klopf (Klampfe, Gesang) höchstpersönlich.

Oliver: Servus Patrick. Und alles klar bei Dir?

Patrick: Sebaaaas (für alle nicht Eingeweihten … soll auch „Servus“ bedeuten … Anm. d. Verf.)! Ja, alles fit im Schritt und locker vom Hocker … ;-) … immer gut drauf und sonst haben wir Kinder gern.

Oliver: 1994 erschien „Pleasuredome“. Somit seid Ihr nach gut 8 Jahren wieder aus der Versenkung mit einem neuen Album aufgetaucht. Welche Erwartungen habt Ihr denn an Eure neue Scheibe und an die Fans? Was hat sich seit damals für Euch und in der Szene verändert?

Patrick: Ja, das ist jetzt schon 8 Jahre her. Ich kann dir gar nicht sagen, wie schnell die Zeit vergangen ist. Kommt mir wie gestern vor.
Mit dem neuen Album haben wir in jedem Fall wieder auf uns aufmerksam gemacht. Große Erwartungen haben wir keine an die Scheibe. Wir wollen einfach wieder Musik machen und live spielen. Wir hoffen, dass wir neue Fans dazu gewinnen können und unsere Alten so einigermaßen halten können. Wir sind jetzt schon glücklich, dass wir ein Album aufnehmen konnten und dass es überall erhältlich ist. „Ahead“ ist erst der Anfang, der Neuanfang sozusagen. Ich kann es schon kaum erwarten das nächste Album aufzunehmen. Material haben wir schon wieder genug … müssen nur noch arrangieren und zusammenfügen.
Die Szene hat sich seither sicher verändert. Es gibt einfach eine Menge neuer Bands, aber auch noch immer Bands der ersten Stunde. Musikalisch würde ich sagen, dass sich der Metal nicht unbedingt weiterentwickelt hat. Es gibt halt nur neue Bands, die das machen, was andere schon vor ihnen gemacht haben. Aber das ist halt so im Metal. Musikalische Weiterentwicklung ist bei vielen Metalheads eher nicht so gefragt. Das einzig Neue, musikalisch gesehen, ist der Nu-Metal. Aber selbst das hat schon FAITH NO MORE Anfang der 90’er gemacht. Was sich auf jeden Fall verändert hat sind die Produktionen. Die sind um längen besser geworden. Die ganze Studiotechnik hat eine so immense Entwicklung genommen seit wir angefangen haben.

Oliver: Wie sind denn die Reaktionen bis dato auf „Ahead“ so ausgefallen?

Patrick: Bis auf Powermetal.de und 2 andere Onlinemags positiv. Die italienischen Mags fahren alle voll auf die CD ab. Denen gefällt der Stilmix und die Abwechslung. Die Meinungen gehen natürlich insgesamt etwas auseinander. Es ist so ein „Love-it-or-hate-it“-Album, scheint zumindest so, wobei die meisten es lieben. „Ahead“ ist zweifelsohne keine leichte Kost. Da muss man sich schon Zeit nehmen, um sich anfreunden zu können. Aber solche Alben finde ich persönlich eher interessant.

Oliver: Als ich mir Eure Scheibe zu ersten Mal reinzog, dachte ich mir … „hört sich an wie ein musikalisches Puzzle, bei dem kein einziges Teil zusammenpasst“. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass gerade diese immense Abwechslung die Stärke der Scheibe ist. Seht Ihr das ähnlich?

Patrick: Ja, irgendwie hast Du recht. Es gibt keinen einheitlichen Stil auf dem Album. Es ist wirklich eine sehr bunte Mischung geworden. Vielleicht auch deshalb, weil wir zu Beginn des Songwritings nicht genau wussten, wie das Teil am Ende klingen wird. Wir haben einfach drauflos geschrieben und haben uns da keine großen Gedanken gemacht, ob der eine Song mit dem anderen zusammenpasst. In sich sind die Songs aber stimmig, finde ich. Für das Album als Ganzes passt es aber dann eben auch. Die Stärke liegt sicher auch darin, dass man eben immer wieder neue Sachen entdecken kann, je öfter man sich das Album reinzieht. Das haben mir schon ein paar Leute gesagt, die zuerst auf Songs wie „Grit Your Teeth“, „Keep Falling Down“ abgefahren sind und dann ihr Liebe zu „Idiosyncrated“ und „Nine9Nine“ entdeckt haben. Das ist doch total cool. Eben keine Langeweile aufkommen lassen und auch kein Album, das beim ersten Durchlauf schon Vollgas reinzieht, aber dann nach dem fünften Mal kann man die Scheibe nicht mehr hören.
Bei „Ahead“ wird das nicht passieren, da fängt man erst beim fünften Mal an, das Album einigermaßen zu verstehen.

Oliver: Allzu große Stielvielfalt bzw. Experimentierfreudigkeit auf einer Scheibe, stößt im Metalgenre nicht unbedingt auf Gegenliebe. Eure neues Album ist aber ein Paradebeispiel für Abwechslung und Progressivität … habt Ihr keine Angst, durchs Verkaufraster einer so großen Firma wie Blast zu fallen, wenn die Scheibe hinter der Erwartungen Eures Labels bleiben?

Patrick: Angst davor haben wir nicht. Wir wissen, dass wir keine „Top Priority“-Band auf Nuclear Blast sind. Das waren wir vielleicht mal zu Beginn von Blast, aber die haben ihren Schwerpunkt mittlerweile auch wo anders. Aber das ist o.k. so. Uns ist wichtig, dass wir eine gute Produktion machen können, dass wir die Musik spielen, die wir wollen und das uns keiner in unser Artwork reinredet und da ist Nuclear Blast ein super Label. Wie bekommen zwar kein Video und haben keine eigenen 4-Farbanzeigen in den Magazinen drin, aber wir können unseren Sound machen und das ist uns schon sehr wichtig. Wobei ich mir sicher auch denke, dass wenn mal ein Album von uns abgehen sollte, wir auch sicher die weitere nötige Unterstützung von Blast bekommen würden.
Ja, Experimentierfreudigkeit wird im Metalgenre nicht so gern gehört … aber wir sind ja auch nicht mehr 100% Metal. Wir bieten für weit mehr Leute was und das birgt allerdings ein weit höheres Fanpotential als andere Bands auf Nuclear Blast.

Oliver: Ist Nuclear Blast das Non Plus Ultra für eine Band wie Euch oder wärt Ihr bei einem kleineren Label, wo Ihr sicher eine höhere Position in der Prioritätenreihenfolge einnehmen würdet, besser aufgehoben?

Patrick: Also wir passen sicher nicht 100% auf Nuclear Blast, das war uns aber auch schon von Anfang an klar. Wir wollten nicht auf Labelsuche gehen und zudem war das Angebot vom Markus Staiger gut. Wir bereichern das Portfolio von Nuclear Blast in jedem Fall. Bis jetzt haben wir jedenfalls keinen Anlass uns zu beschweren.
Ob wir auf einem anderen Label besser aufgehoben wären … kann schon sein. Aber das werden wir wahrscheinlich nicht herausfinden. Ein Exkurs zu einem anderen Label hat uns eine achtjährige Pause beschert. So gesehen ist es wohl besser dort zu bleiben, wo man weis, was man hat.

Oliver: Wie seid Ihr ans Songwriting zur neuen Scheibe rangegangen? Ich kann mir vorstellen, dass man nach so langer Abwesenheit verdammt viele Ideen hat, die man unter einen Hut bringen will … läuft man da evtl. Gefahr sich einen Cocktail zusammenzumischen, der von der Theorie her recht interessant ist, aber in der Praxis überhaupt nicht funktioniert?

Patrick: Das Songwriting zum neuen Album stellte sich überhaupt nicht schwierig dar. Wir hatten noch ein paar Songs aus dem Jahre 1995, die wir umarrangiert haben bzw. Teile davon für neue Songs verwendet haben. Wir haben auch nicht alle Songideen für das neue Album erarbeiten können. Wir hatten noch 3 unfertige Songs aufgenommen, die sich aber nicht mehr ausgingen, da die Studiozeit nicht mehr reichte. Die werden wir dann auf dem nächsten Album verwerten. Bei “Ahead” stehen Songs, wie “Pain Of Existence”, “If This Is It, It Isn’t It, Is It?”, Songs wie „Nin9Nine“, „Dual Peepholes“ gegenüber, die sehr wohl einen recht gewöhnungsbedürftigen Cocktail ergeben. Das war aber nicht beabsichtigt, sondern hat sich so ergeben.

Oliver: Wie entstehen eigentlich bei Euch die Songs? Jede Band hat ja was das Songwriting angeht ihren eigenen Stil, sicher auch DISHARMONIC ORCHESTRA … oder?

Patrick: Die Songs bei uns entstehen eigentlich ganz unspektakulär. Meistens beim Jammen im Proberaum. Manchmal komme auch ich mit einem Riff daher bzw. der Martin mit einem Drumtakt und dann wird dran rumgefummelt, bis wir damit zufrieden sind. Bei „Ahead“ sind auch ein paar Songs erst im Studio so richtig entstanden. Für „Nine9Nine“, „Dual Peepholes“ und „Plus One“ gab es nur ein paar Fragmente. Bei allen Songs kommt der Gesang zum Schluss dazu, wenn die komplette Nummer schon steht.

Oliver: Mein absoluter Lieblingstrack auf „Ahead“ ist „Pain Of Existance“ … erinnert mich verdammt an meine alten Helden EVILDEAD. Erzähl doch etwas über diesen Song …

Patrick: Das ist einer der ältesten Songs überhaupt von uns. Die original Nummer stammt noch aus dem Jahr 1989. Damals war es eine volle Grindnummer. Wir haben Teile davon genommen und neu arrangiert. Persönlich finden wir den Song nicht so repräsentativ für uns. Wir werden ihn auch nicht live spielen.
Der Uffe von ENTOMBED fand den Song immer so cool und hatte uns mal gefragt, warum wir ihn nie veröffentlich haben. Das war zwar nicht der Grund, worum wir ihn auf „Ahead“ raufgepackt haben, aber wir fanden es doch wichtig, dass er mal das Licht der Welt auf einer offiziellen CD erblickt.

Oliver: „Ahead“ bedeutet ja „voraus“ ... schaut Ihr in Eurer Karriere nur noch voraus und lasst Vergangenheit, Vergangenheit sein oder wie muss ich den Titel deuten?

Patrick: Na ja, die Vergangenheit ist eben schon vergangen und ich finde man sollte immer den Blick nach vorne haben. Klar, sollte man im Kopf behalten woher man gekommen ist und was einen geprägt hat. So sehen wir das auch musikalisch. Wir wissen, dass wir unsere Roots im Grindcore und Death Metal haben, die kann man auch immer noch raushören, aber ja wir blicken „Ahead“ und so kann man den Albumtitel schon auch deuten. Es ist nach so einer langen Szeneabstinenz auch als klare Ansage zu sehen. Uns gibt es wieder und wir werden noch ein paar verrückte Songs machen.

Oliver: Wenn Ihr „Ahead“ einem bestimmten Film bzw. Filmgenre als Soundtrack zuordnen müsstet, wohin würdet Ihr das Album stecken?

Patrick: Also zu einem David Lynch Film würden wir gut drauf passen. Oder einem von Terry Giliam.

Oliver: Als Ihr Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger am Start wart gab es noch kein Internet, E-Mails usw. ... heutzutage könnte man sich als Band ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Wie bewertet Ihr diese Entwicklung?

Patrick: Ein Leben ohne Internet könnte ich mir absolut nicht mehr vorstellen. Ich arbeite seit 3 Jahren auch als Webdesigner und Internet ist mein tägliches Brot. Für Bands ist das ein super Medium sich schnell einen Namen zu machen und eine Community aufzubauen … ist super wichtig!

Oliver: Wie viel Prozent der Fragen, die Ihr von der Presse gestellt bekommt haltet Ihr persönlich für Schrott?

Patrick: Das kann man nicht so pauschal beantworten. Oft sind die Fragen ziemlich gleich und das ist dann auf Dauer etwas öde immer das gleiche zu schreiben bzw. zu sagen, aber im Grunde ist es auch klar, dass die Mags das gleiche interessiert. Deine Fragen sind bisher recht interessant … (Danke! … Anm. d. Verf.).

Oliver: Ich verwende in meinen Interview viele Standardfragen … ist das o.k. für Dich oder beantwortest Du lieber spezielle Fragen?

Patrick: Ja ist eh klar, dass man als Journalist Standardfragen stellt. Bei einer Band gibt es halt immer dieselben Sachen zu erfragen. Ich beantworte gerne Fragen, wenn man merkt, dass sich der Fragensteller mit der Band und dem Album auseinandergesetzt hat.

Oliver: Thema „Frauen“: wie würde die Entscheidung ausfallen, wenn Dich eine Frau vor die Wahl stellt „Ich oder Band!“? Standst Du schon jemals vor einer solchen Entscheidung?

Patrick: So eine Entscheidung hat es bei uns nicht wirklich gegeben, aber es war unseren Frauen immer schon klar, dass sie bei so einem Ultimatum den kürzeren ziehen würden. So eine Frage wäre auch sehr unfair. So was sollte man nie stellen. Aber wenn man in einer Beziehung lebt, dann muss man schon abwägen. Man kann sicher nicht das ganze Jahr auf Tour gehen. Das geht nicht gut. Man muss sich arrangieren.

Oliver: Wie gehst Du mit Kritik um? Wann ist für Dich der Bogen kritikmäßig überspannt?

Patrick: Kritik find ich gut, wenn sie begründet ist. Einfach zu sagen, unsere Musik ist scheiße ohne Erklärung, das wäre zu wenig. Auch wenn die Kritik gut ausfällt ... ist dasselbe!
Aber jede Art der Kritik ist o.k., so lange sie nicht auf einzelne Personen abzielt und evtl. unter der Gürtellinie wäre oder nur aus Beschimpfungen besteht.

Oliver: Welchen Stellenwert nehmen für dich persönlich Online-Mags verglichen zu „herkömmlichen“ gedruckten Magazinen ein?

Patrick: Das gute an Onlinemags ist, wenn sie seriös und professionell gemacht sind, dass sie immer aktuelle News haben. Das Design und die Aufmachung sind bei einigen Online-Vertretern zwar nicht so besonders, aber ich finde es sehr gut, dass es viele gibt. Printmedien sind natürlich auch noch immer cool. Etwas in der Hand zu haben ist schon auch noch was angenehmes. Aber Onlinemags haben schon einen sehr hohen Stellenwert im Musikbiz, denke ich mal.

Oliver: Was ist das erklärte große Ziel von DISHARMONIC ORCHESTRA, bei dem Ihr sagen würdet, wenn wir das erreicht haben, könnten wir eigentlich aufhören?

Patrick: Wir haben kein erklärtes Ziel. Der Weg ist mehr das Ziel von uns ... einfach machen. Nach dem 50 jährigen Bandbestehen sollten wir aber dann doch ans Aufhören denken und Platz für den Nachwuchs machen … ;-)

Oliver: Kommen wir kurz vor knapp noch zu einer eher makaberen Frage: angenommen Du wärst tot, hättest aber davor noch die Möglichkeit gehabt, Deinen eigenen Nachruf zu verfassen. Was hättest Du geschrieben?

Patrick: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut.

Oliver: Was steht für Euch in nächster Zeit an? Irgendwelche Touren oder Festivals?

Patrick: Wir spielen Anfang November ein paar Gigs in Österreich. Evtl. spielen wir noch eine Support-Tour in Deutschland. Sonst haben wir für Februar 2003 eine Europatour geplant. Die „Pleasuredome“ wird re-released ... komplett re-mastert, neues Cover und ein paar neue Remixes bzw. neue Nummern kommen auch drauf. Und im Sommer 2003 wollen wir die Festivals nachholen, die wir dieses Jahr nicht spielen konnten.

Oliver: O.k. Patrick, das soll’s gewesen sein. Danke für die Antworten. Du hast das letzte Wort ...

Patrick: Danke für Deinen Support und möge der Metal mit Dir sein – immer!

www.Disharmonic.com


Redakteur:
Oliver Kast

Login

Neu registrieren