DESASTER: Sataniac holt den Thrash-Knüppel aus dem Sack
19.08.2025 | 13:59Es gibt Pappenheimer, auf die man sich blind verlassen kann. Dazu zählen auch die Wüteriche von DESASTER, die in ihrem 37. Bandjahr die Zehn vollmachen. "Kill All Idols" markiert die neue Scheibe mit bestem Black’n’Thrash-Fun für die sommerlichen Abende. Doch Album Nummer zehn hat weitaus mehr zu bieten als rasende Riffs, drückende Doublebass und Gekeife aus dem tiefsten Schlund der Hölle. Darum sprachen wir mit Frontmann Sataniac über SLAYER, SODOM, Idole und den Tod.
Sataniac, alles im Lot bei DESASTER?
Ganz hervorragend, in unserem Bandkosmos ist alles in feinster Butter!
Seit "Churches Withouts Saints" sind vier Jahre ins Land gezogen – u.a. erschien "Bringing The Storm To Rotterdam". Welche Erinnerungen hast du an den Gig? Ich nehme an, es war Absicht, erneut nach zehn Jahren eine Live-Scheibe zu veröffentlichen?
Ganz ehrlich, ich weiß, dass dieses Dingen uralt ist, und dass ich ein Exemplar im Regal stehen habe. Gehört habe ich die Scheibe noch nicht… Schande über mich…Da ich aber immer für maximale Transparenz bin, wollte ich nicht irgendwas erzählen, und dir reinen Wein einschenken, hehe.
Dafür danke ich dir. Anlass unseres Interviews ist allerdings die neue Platte "Kill All Idols". Generell zieht sich neben dem diabolischen Black’n’Thrash auch eine gewisse Leichtigkeit durch alle DESASTER-Alben. Wirklich großen Druck verspürt ihr bei euren Scheiben nie, oder?
Nun, wir leben nicht davon, wir müssen nicht unsere Rechnungen von den Einnahmen der Band bezahlen. Allerdings will ich natürlich kein schlechtes oder mittelmäßiges Album veröffentlichen, das ist dann ein gewisser Druck, den man sich selber macht. Grundsätzlich ist eine Albumproduktion aber schon eine anstrengende Sache, gerade weil man ja abliefern möchte. Es macht natürlich Spaß, Songs zu schreiben, aber es fordert auch, wenn man ehrlich und authentisch sein möchte.
Im direkten Gegensatz zum Vorgänger finde ich das aktuelle Album noch etwas abwechslungsreicher und bisweilen sogar punkiger. Stimmst du damit überein? Wie würdest du die Unterschiede beschreiben?
Ja, es ist sehr abwechslungsreich für die Art der Musik. Und es ist punkig, und ich würde behaupten, wir haben sogar sehr dynamische Parts auf "Kill All Idols". Die Songs sind schon ziemlich simpel und direkt, auf der anderen Seite haben wir beim Songwriting schon sehr darauf geachtet mehr Dynamik und Spannungsbögen zu erzeugen. Mir war es auch sehr wichtig die Lieder zu straffen und keine Teile zu lange zu wiederholen. Das Wichtigste ist, dass es einen Unterschied gibt, es spiegelt eine andere Zeit in unseren Leben, deshalb sollte das Album schon etwas anders klingen, oder wir waren nicht authentisch.
Der Titel hat mich etwas stutzig gemacht – aber ihr meint wohl nicht eure musikalischen Vorbilder, oder? Ist das eure Abrechnung mit allen sogenannten "Vorbildern"?
Es geht weniger um die Vorbilder der Band DESASTER, schon gar nicht um die musikalischen, als vielmehr um religiöse Vorbilder und Machthaber im Allgemeinen. Abrechnung ist vielleicht etwas übertrieben, da sicher niemand bei uns Rechenschaft ablegen muss oder sollte. Ich denke, etwas mehr Zurückhaltung und Demut würde unserer Spezies besser zu Gesicht stehen. Wir haben anscheinend begriffen, dass wir keine Schöpfungskrone sind, allerdings sollten wir auch realisieren, wie klein, unwissend und unbedeutend unsere Spezies ist.
Wenn wir schon einmal beim Thema sind – und hier bitte ich Einflüsse von Vorbildern zu trennen, aber welche persönlichen wie auch musikalischen Vorbilder hast du denn?
Ich tue mich immer etwas schwer mit Vorbildern, da ich noch nie eine Person gefunden habe, welche ich auf kompletter Ebene gut oder besonders fand. Aber ich weiß, was du meinst. Tom Araya und SLAYER haben mich in jungen Jahren motiviert, Bass zu spielen und zu "singen". Allerdings ist Tom, den ich ja nicht persönlich kenne, kein wirkliches Idol, aber das, was er für SLAYER verkörpert, hat mich inspiriert und beeinflusst. SLAYER ist mein Grund, weshalb ich in einer Band wie DESASTER spiele.
Apfel, Stamm und Co. Kommen wir zur neuen Scheibe. Ich habe gehört, dass der 'Great Repulsive Force'-Opener einen philosophischen Hintergrund hat. Magst du das ein wenig erklären, was es damit auf sich hat?
Eigentlich geht es nur um eine mögliche Verbindung zwischen Mikro- und Makrokosmos. Eine fixe Idee meinerseits, der in philosophischer oder wissenschaftlicher Sicht aber natürlich keine Bedeutung beigemessen werden sollte. Ich kann natürlich nicht so tun, als würde ich diese Dinge verstehen. Auch stecken wir in einer physikalischen Sackgasse, was unsere Hilflosigkeit und totale Nichtigkeit nochmals unterstreicht. Auch in diesem Bereich sollten bestimmte alte Idole abgeschnitten werden… Frisches Denken für neue Möglichkeiten…
Interessant! Auch die erste Single 'Towards Oblivion' ist eine richtig feine Abrissbirne – eure Abrechnung mit der Menschheit, die ihre eigene Grundlage zerstört?
Nun ja, wie eben bereits erwähnt, ich bin nicht in der Position abzurechnen, ich gehöre ja selber zu dem Stamm. Aber tatsächlich ist die Menschheit schon sehr gut darin, restlos alles auszubeuten und sich gegenseitig zu drangsalieren. Und bei erschöpflichen Ressourcen sollte man sich eventuell früh genug Gedanken machen, wie viel ich noch erbeuten kann, bevor ich sämtliche Grundlagen zerstöre.
Absolut. Mein heimlicher Favorit ist allerdings 'Fathomless Victory'. Was zeichnet denn einen unergründlichen Sieg aus?
Natürlich der Tod. Der Gedanke dahinter ist einfach der, dass eine Reinkarnation, eine andauernde Wiederkehr in dieses Leben, in dieses Universum schon unglaublich langweilig werden könnte. Ebenso wäre es mit einem unendlichen Himmelreich oder was sich die Kleriker noch so einfallen lassen um das menschliche Gemüt zu beruhigen und zu lenken. Der Gedanke an den totalen Tod hat schon was unglaublich Befreiendes.
Und wer hat dieses extrem geile Artwork gemacht? Welcher Gedanke steckt hinter der kultigen Zeichnung?
Mr. Chris Moyen, der bereits das "Angelwhore"-Cover gemalt hat. Nun, das Cover wurde von Großmeister Caravaggio inspiriert und Chris hat das Ganze fantastisch umgesetzt. Der Gedanke ist, Bestehendes zu hinterfragen, neu zu denken, sowie als Konsequenz alte Idole und Denkweisen abzuschneiden.
Gemastert hat das Album AUTOPSY-Greg. Wie kam da die Kollaboration zustande und wie verlief die allererste Zusammenarbeit mit ihm?
Tatsächlich haben wir Kandidaten gesammelt, wer für den Mix in Frage käme, auch um mal was Neues auszuprobieren. Dann wurden unsere vier Favoriten gebeten jeweils einen Testmix eines Songs anzufertigen. Anschließend haben wir in einer Art demokratischer Abstimmung den Gewinner unseres kleinen Wettbewerbs gekürt. Ich bin sehr zufrieden mit der Produktion, welche einfach anders ist und uns ziemlich gut zu Gesicht steht.
"Kill All Idols" wird am 22. August veröffentlicht. Was ist für den Herbst geplant? Das Album schreit danach, live in Grund und Boden zu prügeln…
Wie bereits des Öfteren erwähnt, spielen wir ja eigentlich keine Tourneen. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Und deshalb wollen wir im Oktober für ein paar Shows in die USA. Das werden aber vier, fünf Gigs werden und keine Tour mit 45 Dates in Folge. Das ist für uns sowieso nicht sinnvoll. Wir bevorzugen es, Gigs an Wochenenden durchzuziehen. Auch nicht öfter als ein Mal im Monat. Das hält einen frisch und motiviert… zumindest innerlich…
37 Jahre DESASTER und kein bisschen leise – dazu euer zehntes Album. Hättest du zu Beginn damit gerechnet, dass ihr auf die 40 Jahre als Band zugeht?
Nun, da der Morgen ja nicht versprochen ist, kann man mit so etwas nicht wirklich rechnen. Es passiert einfach… Chaos sei Dank haben wir nur auf wenige Dinge in unserem Leben wirklichen Einfluss. Es ist toll zu sehen, dass wir noch da sind, mancher uns mag, und wir das große Privileg haben mit unserem Krach durch die Weltgeschichte zu reisen. Auch bekommt man im Alter um die 50 schon die Vorboten des Verfalls zu spüren. Allerdings bedeuten mir Jahreszahlen nicht wirklich was, vermutlich ist die Zeit eh nur ein Konstrukt unseres Verstandes.
Du hast es wahrscheinlich auch mitbekommen, aber eine längere Pause (?) von SODOM steht im Raum. Und stilistisch seid ihr nicht allzu weit entfernt. Verliert die deutsche Black’n’Thrash-Szene damit ihr größtes Aushängeschild?
Naja, ich finde es fantastisch, dass alles endet. Man behält SODOM und das, was die Band für einen bedeutet, im Herzen oder meinetwegen auch im Hirn. Tom hat eine Menge Leute mit seiner authentischen Art und Musik inspiriert und beeinflusst. Wir haben im Frühjahr eine gemeinsame Show in Sao Paulo gespielt, und ich war beeindruckt, wie die geliefert haben. Klar, Tom hat York und Toni für frisches Blut in der Band, aber der Geist von SODOM war immer da, und hat sich nie geändert. Diesen Geist behalte ich immer in mir, zumindest solange ich lebe, und dabei ist egal, ob die Band noch live spielt oder Alben veröffentlicht.
Sataniac, hast du noch letzte Worte?
Kill All Idols!
Fotocredits: Omer Barzilai
- Redakteur:
- Marcel Rapp