DARKSEED: Interview mit Martin Motnik

01.02.2005 | 13:00

Ein neues DARKSEED-Album stand ja längere Zeit auf der Kippe, die Band hatte mit einigen Besetzungswechseln zu kämpfen und der unfreiwillige Weggang von Sänger Stefan Hetrich war fast schon der Todesstoß für eine der besten Gothic-Metal-Bands in ganz Europa. Doch zum Glück kam alles anders. Stefan kehrte nach kurzer Pause wieder zur Band zurück, diese wiederum konzentrierte sich wieder mehr auf's Wesentliche, sprich ordentliche Rocksongs ohne große Spielereien zu schreiben und mit "Ultimate Darkness" meldet sich die Band nun dieser Tage wieder eindrucksvoll zurück. Bassist Martin Motnik bezieht Stellung:


Björn:
Hallo, alles klar bei euch?

Martin:
Danke, uns geht's prima! Nach der stressigen Studiozeit tut etwas Tageslicht wieder ganz gut!

Björn:
Wie fühlt man sich denn an dem Tag, an dem das neue Album herauskommt?

Martin:
Wir sind stolz, eine neue Scheibe auf den Markt gebracht zu haben, von der wir außerdem finden, dass es die beste CD ist, die DARKSEED je produziert hat. Andererseits sind wir auch ein wenig nervös, wie die Reaktionen unserer Fans ausfallen werden. Nachdem wir aber schon einige sehr gute Vorab-Reviews bekommen haben, sind wir inzwischen recht zuversichtlich, dass die CD gut ankommen wird.

Björn:
Rechnet man euer Mini-Album "Romantic Tales" mit, dann ist "Ultimate Darkness" ja schon eure siebte Scheibe. Eine stattliche Zahl für eine Band, die immer als großartige Nachwuchshoffnung betrachtet wurde, aber nie so richtig den Durchbruch geschafft hat, findest du nicht?

Martin:
Wir sind eigentlich sehr zufrieden mit unserer Fanbasis, die sich über die ganze Welt verstreut, wie wir immer wieder im Forum unserer Webseite sehen können. Unsere Fans sind sehr treu und auch der Hauptgrund, weiterhin neue CDs zu produzieren. Unser Ziel war es nie, bei "Top Of The Pops" aufzutreten, aber in unserem Genre ist DARKSEED ein etablierter Name, was uns sehr stolz macht. Der direkte Kontakt zu unseren Fans ist uns auch wichtiger als goldene LPs.

Björn:
Was ich mit der letzten Frage meinte, ist: In der Zeit, in der solche Bands wie MOONSPELL, SENTENCED und LACUNA COIL, die ja stilistisch allesamt gar nicht sooo weit von euch entfernt sind, richtig durchgestartet sind, seid ihr erfolgstechnisch trotz starker Alben zurückgeblieben. Warum ist das denn eigentlich so gewesen?

Martin:
Ja, wenn wir DAS wüssten?! (lacht) Aber im Ernst, für einen durchschlagenden Erfolg müssen so viele glückliche Umstände zusammenkommen, und auch der Zufall spielt häufig eine wichtige Rolle. Eine gute CD zu produzieren, ist notwendig, aber nicht unbedingt ausreichend, und viele Erfolgsfaktoren hast du als Band nicht selbst in der Hand. Wir finden den bisherigen Erfolg aber durchaus beachtenswert, wenn man bedenkt, dass DARKSEED wie so viele als Hobbyband angefangen hat.

Björn:
Habt ihr denn damals auch auf den Durchbruch spekuliert?

Martin:
Natürlich hat jeder, der Musik in einer Band macht, den Traum, Rockstar zu werden! Aber wir sind eigentlich nur unserem Instinkt gefolgt und haben versucht, unsere eigene Musik zu machen und weiterzuentwickeln. Ich glaube, inzwischen haben wir einen eigenen DARKSEED-Stil entwickelt, der unseren Fans gefällt.

Björn:
Was hat euch denn von den oben angeführten Bands unterschieden?

Martin:
Dass wir DARKSEED sind und die nicht.

Björn:
Würdest du denn unterstreichen, dass es als deutsche Band im eigenen Lande besonders schwer ist?

Martin:
Das ist natürlich ein gerne gebrauchtes Argument, von wegen "Der Prophet zählt nichts im eigenen Land". Aber auch Bands aus anderen Ländern mussten sich ja zuerst in ihrem eigenen Land etablieren, bevor der internationale Erfolg kam. Dementsprechend konkurrierst du als deutsche Band in Deutschland mit internationalen Acts, die teilweise über ein größeres Budget und mehr Manpower im Hintergrund verfügen, einfach weil das eine größere Nummer ist.

Björn:
Trotzdem haben eure Alben ja immer sehr gute Kritiken bekommen. Ärgert man sich da nicht, wenn andere die Erfolge einsammeln (und im Falle von Bands wie MOONSPELL und PARADISE LOST auch nur mäßige Alben auf den Markt bringen), während DARKSEED nur ein Thema für eingeschworene Fans bleiben?

Martin:
Nein, denn andere Bands profitieren ja nicht von unserer Musik, sondern von ihrer eigenen, auch wenn die Kritiken manchmal was Anderes sagen als die Fans. Dass andere Bands mehr verkaufen, zeigt ja nur, dass der Markt groß ist und wir noch mehr Leute erreichen könnten. Das spornt uns eher an, weiterzumachen!

Björn:
Gute Kritiken - gut, euer letztes Album "Astral Adventures" ist ja stellenweise auch kritisiert worden. Außerdem hat es auch einige Änderungen im Line-Up zu dieser Zeit gegeben. Was genau ist das passiert?

Martin:
Wir hatten in der Vergangenheit ja häufig schon verschiedene Line-Up-Wechsel, und zu den Zeiten der "Astral Adventures" bestand die Band eigentlich nur aus drei Leuten. Viele Leute haben gesagt, das wäre das Ende von DARKSEED, weil Stefan dann auch noch aus beruflichen Gründen DARKSEED verlassen musste und wegzog. Tom und Tommy, die beiden verbliebenen Gitarristen, wollten die Band aber nicht aufgeben und haben eine komplette Band zusammengetrommelt, mit der wir die CD live promotet haben. Nach anderthalb Jahren kehrte Stefan dann wieder zurück, und in der neuen Besetzung, mit einer neuen Distanz und frischen Ideen entstand die neue CD "Ultimate Darkness".

Björn:
Ihr habt zu der Zeit auch vermehrt mit elektronischen Sounds experimentiert, sehr zum Missfallen eurer Fans der ersten Stunde. Was kannst du mir rückblickend über diese Erfahrungen sagen?

Martin:
Immer, wenn du dich weiterentwickelst, triffst du Menschen, die mit deiner Entwicklung nicht konform gehen. Manchen Leuten hat der alte, raue Sound der ersten Platten besser gefallen, aber sehr vielen gefällt der neue Stil, weil die Musik vielfältiger und interessanter gestaltet werden kann. Die neuen Soundmöglichkeiten durch Computer sind ein Teil der Veränderungen in der Welt, die wir wahrnehmen, und das wollen wir auch in unserer Musik widerspiegeln. Deshalb integrieren wir inzwischen mehr Elektronik in unsere Musik. Uns gibt das die Möglichkeit, variantenreicher unsere Themen darzustellen und die Texte entsprechend zu unterstützen.

Björn:
Kannst du denn die Reaktionen einiger Fans verstehen?

Martin:
Sicher, wer den alten Stil einfach lieber gemocht hat und den Elektrosounds nicht viel abgewinnen kann, wird bestimmt enttäuscht gewesen sein über unseren jetzigen Stil. Aber zum Glück ist Musik ja nicht vergänglich und so kann sich jeder die alten Platten auch heute noch anhören - was ich übrigens auch gerne mache!

Björn:
Und wie bewertest du "Astral Adventures" aus heutiger Sicht?

Martin:
Ich denke, "Astral Adventures" war eine CD, die eine Veränderung bei DARKSEED eingeläutet hat und die dafür gesorgt hat, die Band mit etwas Distanz neu zu sortieren. Die Auszeit von Stefan hat ihm die Gelegenheit gegeben, das Ganze mal mit Abstand zu betrachten. Währenddessen hat sich mit den neuen Instrumentalisten das wohl beste Line-Up formiert, das DARKSEED je hatte, was sowohl musikalisch als auch spielerisch der Band eine ganz neue Qualität gibt.

Björn:
Wie sieht es denn mit anderen älteren Releases aus? Gibt es da irgendeine Scheibe oder generell irgendetwas, was dir heute nicht mehr so gefällt?

Martin:
Nun gut, wenn man sich die Produktionen heute anhört, findet man natürlich immer Sachen, die man heute verbessern würde, sei es spielerisch, textlich, vom Sound oder vom Design. Aber jede CD für sich betrachtet war in ihrer Zeit das Beste, was wir machen konnten, und insofern sind wir auf jede Produktion stolz. Es ist eben wie eine Momentaufnahme von der jeweiligen Zeit, was man einfach so hinnehmen sollte; wie Fotos aus alten Zeiten.

Björn:
Stefan Hertrich hat sich, wie eben schon angeschnitten, nach der letzten Scheibe eine kreative Pause gegönnt. War er eigentlich komplett ausgestiegen, oder war klar, dass er eines Tages zurückkehren würde?

Martin:
Zu der Zeit, als Stefan seinen Wegzug angekündigt hat, war es eigentlich ein Abschied auf Dauer von DARKSEED. Immerhin ist er rund 300 km weggezogen, was eine vernünftige weitere Zusammenarbeit nicht ermöglicht hätte. Als Stefan aber Mitte 2004 seine Rückkehr in heimische Gefilde angekündigt hatte, war recht schnell klar, dass er wieder als Sänger und Songwriter mitmachen würde.

Björn:
Welche Impulse konnte Stefan euch nach seiner Rückkehr geben?

Martin:
Stefan ist ja schon immer der Haupt-Songwriter gewesen, daher sind auch die neuen Songs überwiegend aus seiner Feder. Der Unterschied zu früher ist nun, dass die jetzigen Musiker die Songs, die auch um einiges anspruchsvoller sind als früher, spielerisch problemlos einspielen konnten und live umsetzen können.

Björn:
Gut, damit wären wir bei der neuen Platte. Meiner Meinung nach besinnt ihr euch wieder vermehrt auf alte Stärken und habt wieder viel mehr rockige Elemente in euren Sound eingefügt. Ein bewusster Schritt?

Martin:
Ja, wir wollten wieder ein wenig von den etwas sanfteren Klängen weg, die bei der "Astral Adventures" ein Mitgrund für weniger gute Kritiken waren, und wir wollten es wieder ordentlich krachen lassen. Wie du ja angesprochen hast, haben vor allem die Fans der frühen Tage die härtere Gangart vermisst, und so wollten wir davon wieder mehr in unsere Musik bringen. Dennoch haben wir viel mit Elektronik experimentiert, und denken wir, dass "Ultimate Darkness" die beiden Komponenten ganz gut kombiniert. "The best of both worlds" sozusagen.

Björn:
Zudem scheint die Platte ernster zu sein als man das gewohnt ist, vor allem, was den Inhalt der Texte anbelangt. Kannst du das bestätigen?

Martin:
Wir haben uns eigentlich immer das Ziel gesetzt, mit unseren Texten etwas auszusagen. Die letzte CD "Astral Adventures" war, wie der Name schon sagt, eher auf die Meta-Ebene bezogen, es ging da eher um übersinnliche Phänomene, Seelenwelten oder Nahtoderfahrungen. Das sind auch ernste Themen, aber auf "Ultimate Darkness" sind wir wieder etwas konkreter geworden.

Björn:
Wovon handeln denn die Texte auf "Ultimate Darkness"?

Martin:
Textlich geht es um alles, was mit dem Thema Dunkelheit im realen Sinne zu tun hat. Also nicht abstrakte Themen wie Mythen usw., sondern um all die Dinge, die jeder Mensch in seinem Alltag wegstecken muss. Zerbrochene Beziehungen, Werteverlust in unserer westlichen Gesellschaft, dazu deren Oberflächlichkeit, menschliche Schwächen wie Egoismus, Engstirnigkeit, Zerstörung der Natur usw.
Der Grund liegt darin, dass wir ein sehr enges Verhältnis zu unseren Fans haben und wir sie direkt ansprechen möchten, bzw. wir es als unsere Aufgabe ansehen, das Album so zu gestalten, dass sich der Fan in ihm widerspiegelt. Oder sogar Mut findet und sagt: "die singen über genau das, was mich auch aufregt oder verletzt". Wir verpacken klare Aussagen in einem leicht poetischen Gewand, um die für Gothic Metal nicht unwichtige Ästhetik nicht außen vor zu lassen.

Björn:
Und woher stammt dieser pessimistische Albumtitel? Was meint ihr mit ultimativer Dunkelheit?

Martin:
In einem Satz: "Ultimate Darkness" ist für uns der allgemeine Werteverlust, der zu den Dingen führt, die ich gerade gesagt habe. Die Schlangen auf dem CD-Cover stellen dabei die Versuchung dar, die uns immer wieder zu diesem Wertverlust verleitet.

Björn:
Welchen Rang nimmt denn "Ultimate Darkness" in der Geschichte von DARKSEED ein?

Martin:
"Ultimate Darkness" ist wie ein Neuanfang für DARKSEED, in einer neuen Besetzung und nach Stefans Auszeit. Vom Namen her wollen wir aber auch ein wenig an unsere vorletzte CD "Diving Into Darkness" anspielen, die 2000 erschienen ist und die bislang erfolgreichste DARKSEED-CD war. Daran wollen wir anknüpfen.

Björn:
Für den Release habt ihr euch was ganz Besonderes einfallen lassen, denn es wird in der limitierten Auflage eine Bonus-CD mit elf bisher unveröffentlichten Tracks geben. Woher stammt diese Idee?

Martin:
Unsere Plattenfirma Massacre Records kam mit der Idee auf uns zu. Über die Jahre haben sich einige Songs angesammelt, die wir während den verschiedenen Recordingsessions aufgenommen haben, die es aber dann nicht auf die jeweiligen CDs geschafft haben. Meist, weil die Songs musikalisch nicht so stark waren, oder weil es eher Aufnahmen waren, die wir "just for fun" gemacht haben und nie für eine Veröffentlichung bestimmt waren. Als Schmankerl für die Fans wollte Massacre die Songs dann jetzt zur neuen CD dazugeben. Wir waren zunächst sehr skepitsch, weil du als Musiker deine Songs natürlich extrem kritisch betrachtest. Die Songs sind ja nicht umsonst auf keiner Platte erschienen und jetzt sollen wir sie doch veröffentlichen. Nach reiflicher Überlegung, und weil unsere Fans sich sehr auf die alten DARKSEED-Songs gefreut haben, nachdem sie die Idee spitz gekriegt hatten, haben wir der Sache unseren Segen gegeben. Manchmal muss man eben über seinen Schatten springen. Hauptsache, die Fans freuen sich!

Björn:
Und aus welcher Zeit sind die Songs?

Martin:
Die Aufnahmen sind zwischen 1996 und 2004 entstanden, während den Recordings zu den verschiedenen Alben.

Björn:
Was hältst du persönlich von solchen Bonus-Beilagen?

Martin:
Ich finde das gut, das ist mehr "value for money". Es wird immer schwieriger, den Käufern zu vermitteln, warum sie 15,- Euro oder mehr für eine CD ausgeben sollen, die sie im Internet zwar illegal, aber dafür umsonst bekommen. Bonus-Beilagen geben den Leuten das Gefühl, wirklich was für ihr Geld zu bekommen. Wir gehen noch einen Schritt weiter und bieten unseren Fans als besonderen Service handsignierte CDs mit persönlicher Widmung über unseren eigenen ebay-Fanshop an. Das kannst du dir nicht runterladen!

Björn:
Ihr seid ja in der Vergangenheit schon öfter auf Tour gewesen und habt auch diverse Festivals beackert. Was können wir diesbezüglich 2005 erwarten?

Martin:
Wir haben mit Extratours eine der besten Konzertagenturen für unseren Stil als Partner gewinnen können, und derzeit laufen die Vorbereitungen für Konzerte in ganz Deutschland. Wie es international mit Auftritten aussieht, wissen wir noch nicht, da warten wir mal die Reaktionen nach den ersten Konzerten ab. Auf alle Fälle wollen wir so oft wie es geht auf die Bühne!

Björn:
Gibt es sonst noch irgendwelche Pläne für das anstehende Jahr?

Martin:
Bis jetzt steht die Promotion der aktuellen CD auf dem Programm, das heißt wir wollen möglichst viel live spielen, was entsprechend Zeit und Energie beansprucht. Das ist eigentlich das Hauptziel für dieses Jahr.

Björn:
Zwischen den letzten Alben hat es jeweils eine längere Pause gegeben. Wie lange müssen die Fans denn auf den Nachfolger zu "Ultimate Darkness" warten?

Martin:
Wir haben noch keine Pläne für das Nachfolgealbum von "Ultimate Darkness". Ich denke, wir werden wohl Anfang 2006 anfangen, über eine neue CD nachzudenken und Songs zu schreiben.

Björn:
Und wie lange müssen wir noch warten, bis DARKSEED in einem Atemzug mit MOONSPELL und PARADISE LOST genannt werden?

Martin:
Das kommt auf deinen Atem an (lacht). Ich denke, mit "Ultimate Darkness" haben wir gute Chancen, bei den Leuten weiter ins Bewusstsein zu gelangen und mehr Fans zu gewinnen. Alles Weitere wird die Zeit zeigen. Wenn jetzt noch ein wenig Glück dazukommt, wer weiß?

Björn:
Any last words?

Martin:
Seid nett zueinander und liebt die Natur!

Redakteur:
Björn Backes

Login

Neu registrieren