CELTIC FROST: Die besondere Werkschau "Danse Macabre"

03.11.2022 | 14:24

Was kann es Schöneres geben als durch ein liebevolles und detailverliebtes Boxset eine Zeitreise antreten zu dürfen und eine alte musikalische Liebe ein zweites Mal beinahe neu entdecken zu dürfen? Richtig! Da gibt es wenig. Und wenn dann draußen auch noch das bunte Blätterwerk die dunkle Jahreszeit einfärbt, dann passt irgendwie alles zusammen. "Danse Macabre" wird sicherlich mein Soundtrack durch diesen Herbst werden, denn hier ist quasi alles drin, was das frostige Herz erwärmen kann. Aber lest selbst...

Wenden wir uns erst einmal dem musikalischen Inhalt dieser extrem schicken Werkschau zu. Hierzu werde ich Euch chronologisch durch die Aufnahmen führen und auch ein paar subjektive Einschätzungen abgeben. Los geht es stilecht mit einem Magnetband, auf welchem wir die "Grave Hill Bunker Rehearsals" präsentiert bekommen. Dabei handelt es sich um eine Einspielung mit Steven Priestly (dr.), Martin Eri Ain (bs.) und Tom Gabriel Warrior (gt., voc.) aus dem Jahr 1984 in deren Übungsraum. Naturgemäß ist der Klang extrem roh, was solchen Krachern wie 'Procreation (Of The Wicked)' oder 'Morbid Tales' natürlich sehr gut zu Gesicht steht. Spannend ist dabei, die Entwicklung dieser Songs bis zum finalen Vinyleinstand bewundern zu können und man kann nur ein paar imaginäre Hüte vor den Jungs ziehen, dass sie bereits so früh verstanden, wie man Atmosphäre erzeugt. Das Demo-Tape kommt im passenden Schwarz/Weiß-Coverartwork, ist bedruckt und sieht aus wie die tollen Demos aus den 80er Jahren. Nostalgie zum Anfassen!

Weiter im Text geht es mit der heute als Kult bezeichneten Erst-Veröffentlichung der "Morbid Tales"-EP. Geboten wird hier die "erweiterte" Version mit 'Dethroned Emperor' und dem Titelsong, sowie dem extra aufgeschlüsselten Intro 'Human', welches bei der ursprünglichen Version einfach zum Eröffnungskracher 'Procreation (Of The Wicked)' hinzu gefügt wurde und nicht separat erwähnt wurde. Optisch bekommen wir das herausragende rote Heptagram-Cover, welches heutzutage auf Millionen von Patches zu bestaunen ist. Zieht man die 12" aus der leider nicht gefütterten Innenhülle, bekommt man eine dunkelrote Schallplatte zu sehen, die auch farblich exzellent zur Musik passt. Das Auge hört schließlich mit. Dass die Musik auf "Morbid Tales" keine Wünsche für jeden Düsterheimer offen lässt, muss hier nicht erneut erwähnt werden. Alle Songs kann man getrost als Klassiker bezeichnen.

Es folgt die zweite EP "Emperor's Return", welche dem Vorläufer musikalisch kaum nachsteht und erneut mit einem großartigen Artwork erfreut. Passend zu eben jenem ist die Scheibe an sich dieses Mal in einem schlierigen Grünton gehalten, welcher ebenfalls sensationell zur Musik und der restlichen Optik passt. Man hat das Gefühl, einen schleimigen Klumpen gepresster Noten in Händen zu halten und ich denke, dieses Gefühl wird beim Abspielen musikalisch bestätigt. Bombe! Für Unwissende sei hier noch erwähnt, dass der Hit (hahaha) 'Circle Of The Tyrants' auf diesem Werk zu finden ist und dass wir hier erstmals die Besetzung mit Neuzugang  Reed St. Mark am Schlagzeug hören dürfen.

Im gleichen Jahr wie "Emperor's Return' schiebt die Band ihren ersten Longplayer namens "To Mega Therion" nach. Trotz interner Besetzungsprobleme – Dominik Steiner ersetzt Martin Ain am Bass - entsteht ein Album, welches bis heute als einer der Stützpfeiler jeglicher Art von Avantgarde im Heavy Metal anzusehen ist. Beginnend beim phantastischen Artwork des Gatefold-Covers von keinem Geringeren als H.R. Giger über eine musikalische Weiterentwicklung, die einem Quantenschritt zu den Vorgängern gleicht und die trotzdem sofort nachvollziehbar bleibt. Der Einsatz von klassischen Instrumenten wie einem french horn und die weiblichen Gesangspassagen von Claudia-Maria Mokri machen "To Mega Therion" zu einer Klangreise in dunkelste Tiefen, ohne dabei stumpf zu klingen. 'Jewel Throne' oder die neue Version des Tyrannen-Zirkels stehen dabei nur als Beispiele für die noch immer vorherrschende Aggressivität als Grundpfeiler der frostigen Musik, während das abschließende 'Necromantical Screams' mit seinen klagenden Gesängen bis heute für mich zu den traurigsten Musikstücken zählt, die ich kenne. Die hier vorliegende Version kommt im farblich passendem Grau/Weiß/Schwarz. Grandios!

Weiter im Takt geht es mit der "Tragic Serenades"-Maxi, auf welcher wir neu aufgenommene Versionen von 'Jewel Throne' und 'The Ursurper' mit Martin Ain am Bass finden. Auf der Flipside gibt es einen "party mix" von 'Return To The Eve'. Während die ersten beiden Titel deutlich druckvoller klingen als in den Albumfassungen, überlasse ich es Eurem Entdecker-Geist die Party im letzten Song zu finden. Wie damals schon erinnert mich das Coverartwork an Bands wie THE SISTERS OF MERCY, aber das unterstreicht ja nur die vielseitigen Wurzeln der einzelnen Musiker. Das Vinyl ist in diesem Fall von geschmackvollem "Knochen"-Design gezeichnet.

Die nächste Scheibe ist die einseitig bespielte 12" namens "The Collector's Celtic Frost". Darauf befindet sich die Coverversion des BILLY HILL-Songs 'In The Chapel, In The Moonlight'. Natürlich ist dieser 30er-Jahre-Song in fein-frostiger Umsetzung ein absoluter Hörgenuss. Die optische Umsetzung lässt ebenfalls keine Wünsche offen, denn die transparent-graue Scheibe wird zusätzlich vom bekannten Schädel des Covers in Schwarz geschmückt. Hingugger!

Auf dem zweiten Longplayer "Into The Pandemonium" ist man dann im Jahr 1987 musikalisch noch einen Schritt weiter gegangen. Allein die Tatsache, dass man das Album mit der Coverversion eines WALL OF VOODOO-Songs eröffnet, zeugt von Mut. Die Kombination aus klassischer Musik und extrem hartem Rock findet hier einen neuen Zenit. Madame Mokri setzt mit ihrem klassisch ausgebildeten Sopran Kontrapunkte zu Toms extrem tiefem Ugh-Organ. Dazu addiert sich ein großes Streicher-Instrumentarium samt eines Dirigenten, der auf den beiden Abschlussnummern zum Einsatz kommt. Die Musik überfordert den Hörer normaler Rockmusik bei den ersten Umdrehungen, aber man möchte sofort erneut abtauchen in dieses Musikuniversum unbekannten Ausmaßes.  Vor allem die zweite Seite kommt mit sehr überraschenden Stilelementen um die Ecke und fordert sehr eindeutig die Überschrift Avantgarde-Metal. Passend zum Hieronymus Bosch-Artwork kommt unsere Ausgabe in schmuckem Gelb/Grün-Mix aus der Hülle gepurzelt.

Der letzte 12" Tonträger der Box ist die "I Won't Dance"-Maxi, deren B-Seite 'One In Their Pride' ziert. Das elegante Artwork passt ganz ausgezeichnet zum kalten Industrial-Tanz-Hit der A-Seite und daher ist das entsprechend schwarz/weiße Vinyl ebenso ansprechend.

Die achte Vinylscheibe ist dann eine 7", auf der wir den 88er Remix von 'Visual Aggression', sowie 'Journey Into Fear' serviert bekommen. Diese Nummer stammt aus der "Emperor's Return"-Session und war meines Wissens nach bisher nur auf Compilations zu finden. Erstaunlich, denn die Nummer kann naturgemäß ganz schön viel. Handelt es sich hierbei doch um eine kraftvoll-treibende Nummer, die auf jeder regulären Scheibe auch eine sehr gute Figur abgegeben hätte. Das schlichte Grau – Gelehrte streiten sich, ob es tauben-, maus- oder kiesgrau ist – gibt dieser kleinen Rarität eine edle Optik und rundet das musikalische Programm damit wunderbar ab.

Damit aber nicht genug, denn neben der grandiosen Musik finden wir in der Box auch noch weitere Leckerlis. Da wäre erst einmal ein beidseitig bedrucktes A2-Poster, welches das Trio in zwei optisch sehr unterschiedlichen Phasen zeigt. Gehört an jede Musikzimmerwand.

Wer seine Kutte frosten möchte, kann dies mit einem schicken, gewebten Patch machen. Außerdem gibt es das "Necromaniac Union" Fanclub-Abzeichen, das sich sicherlich ebenfalls an einem solchen Kleidungsstück gut machen wird.

Für die moderne Jugend bietet die Box einen USB-Drive mit allen Songs des Boxsets. Als wäre dies nicht schon cool genug, ist das gute Teil auch noch wie ein Heptagram gestaltet. Extrem toll!

Den Hauptaugenmerk möchte ich allerdings gern auf das 40-seitige Buch schwenken, in welchem die Historie zur enthaltenen Musik in Wort und Bildern wiedergegeben wird. Neben extrem sehenswerten Photos, die jeden Leser auf eine Zeitreise entführen, gibt es hintergrundreiche Interviews und Insights zu allen Aufnahmen. Hierbei taucht man dann vollends in das unglaubliche Universum von CELTIC FROST ein. Gerade, wenn man selbst in den frühen 80ern in die Tiefen des Heavy Metal abgetaucht ist, versteht man sehr gut, was damals abgegangen ist. Aber auch jüngeren Fans werden hier liebevoll und detailliert Eindrücke aus dieser Pionierzeit unserer Musik weitergegeben.

So steht einem schwelgerischen Herbstabend umringt von mystischer Optik und entsprechend inspirierender Musik mit diesem sensationellen Boxset nichts mehr im Weg. Immer wieder entdeckt am neue Kleinigkeiten und optische Spielereien, die diese Sammlung einzigartig machen. Seien es die schlichte, aber gleichzeitig extrem gelungene Außenansicht der Box mit UV-Prägedruck, die Labels der einzelnen Vinyls oder die Farbgebung insgesamt.

Ich bin schlichtweg begeistert und seit einiger Zeit wieder in einem wahren Rausch, was diese Band und ihre Musik angeht. Natürlich zählte die Musik seit Dekaden zu meiner persönlichen Ursuppe, aber manchmal geraten Dinge aus dem Fokus. Gerade in einer Zeit des Überflusses und der Übersättigung ist es manchmal gut, wieder an die wirklich tollen Dinge erinnert zu werden. Mit "Danse Macabre" hat sich die Welt um CELTIC FROST ein zweites Mal weit geöffnet. Erst jetzt stelle ich (wieder) fest, wie zeitlos und wie wichtig diese Band für unsere Musik doch war. Umso erfreulicher ist es natürlich zu sehen, wo sich Tom Warrior heute befindet und wie sich die Dinge gewandelt haben, ohne dass er sich und seine Musik verbiegen musste.

Ich kann nur jedem dringend raten, sich dieses monumentale Schächtelchen in die Sammlung zu stellen. Viel bessere Werkschauen habe ich noch nicht in Händen gehalten. Hier merkt man mit jedem Detail, dass dieses Boxset jemand mit Herzblut zusammengestellt hat.

Redakteur:
Holger Andrae
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