CAVE IN: Interview mit Stephen Brodsky und John-Robert Connors

19.05.2022 | 13:08

Die Alternative-Rocker CAVE IN melden sich nach einigen turbulenten Jahren, in denen die Amerikaner nicht nur den Tod ihres langjährigen Bassisten und Sängers Caleb Scofield zu beklagen hatten, sondern aus diversen anderen Günden nur sehr unregelmäßig Alben produzierten, mit dem überragenden Langspieler "Heavy Pendulum" eindrucksvoll zurück. Wir haben das als Anlass dazu genommen, mit Stephen Brodsky und John-Robert "JR" Connors über die neue Platte und natürlich auch die komplizierte Vergangenheit der Band zu sprechen.

Bevor wir allerdings ans Eingemachte gehen, muss die übliche Frage nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie natürlich gestellt werden, denn gerade für eine Band wie CAVE IN, die sich nach dem Tod eines Bandmitglieds und Freundes gerade im Umbruch befand, muss die Situation natürlich doppelt schwierig gewesen sein. Stephen sieht das allerdings durchaus anders: "Auf dem Höhepunkt der Pandemie war es eine Erleichterung, mit CAVE IN zusammenzukommen und endlich an neuem Material zu arbeiten, anstatt nur remote aufzunehmen oder per E-Mail über Details meines nächsten Soloalbums zu diskutieren. Durch die Lockdowns ist mir erst klar geworden, welche wichtige Rolle das gemeinsame Musikmachen für meine sozialen Kontakte spielt. Und dass nun endlich wieder Konzerte stattfinden, das gibt einem doch auch einen guten Grund wieder häufiger das Haus zu verlassen." Das nächste eher unangenehme Thema, das ich zeitnah ansprechen möchte, ist der Tod von Caleb Scofield und die damals doch unsichere Zukunft der Band. Insbesondere treibt mich die Frage um, ob das Ende von CAVE IN im Raum stand? "Vielleicht haben wir alle den Gedanken kurz gehabt, dass dies nun das Ende sein könnte, aber darüber gesprochen haben wir nie", stellt JR schnell klar. Stattdessen habe das verbliebene Trio schnell den Plan gefasst, Calebs Familie mit Benefiz-Konzerten zu unterstützen und vor allem auch die letzten Proberaum-Demos unter dem Titel "Final Transmission" zu veröffentlichen. Die Liveshows selbst haben dann laut JR schnell gezeigt, dass die Musik nicht nur eine große Hilfe bei der Verarbeitung der Ereignisse sein könne, sondern auch der beste Weg wäre, um das Andenken und Lebenswerk von Caleb zu würdigen.

Angesichts des Verlusts von Caleb war natürlich auch der Posten am Bass vakant, der schlussendlich mit Nate Newton (CONVERGE) mehr als würdig besetzt werden konnte. Mich interessiert besonders, wie der Kontakt mit Nate zustande kam. "Nate hat sich sofort für die Benefiz-Konzerte in Boston und L.A. im Jahr 2018 angeboten, da er mit Caleb ja bei OLD MAN GLOOM für Jahre gemeinsam aktiv war. Entsprechend war es für ihn ein ebenso schwerer Verlust, was dazu geführt hat, dass er die Tragweite der Situation natürlich viel besser nachvollziehen konnte als ein komplett Außenstehender. Irgendwann haben wir uns dann ein Herz gefasst und Nate gefragt, ob er als festes Mitglied zu CAVE IN stoßen möchte, und wir sind wirklich glücklich, dass er sich so gut eingefunden hat, Calebs Andenken wahrt und gleichzeitig aber auch seine eigene Note mit einbringt", gibt Stephen zu Protokoll. Die "eigene Note" ist ein gutes Stichwort, denn genau selbige konnte der Neuzugang offensichtlich auf "Heavy Pendulum" bereits einbringen. Angesprochen auf die Veränderungen im Songwriting-Prozess, bestätigt Stephen, dass Nate nicht nur bei seinen anderen Projekten seine Songwriter-Qualitäten einbringt, sondern auch bei CAVE IN nun viele Ideen beisteuert. Gleichzeitig sei das neue Langeisen aber auch eine direkte Fortsetzung der Arbeit, die bereits 2017 begann, als Caleb seinen Kollegen seine persönliche Vision für neues CAVE IN-Material darlegte. Auf dieser Basis verschaffte laut Stephen die Pandemie dem Vierer dann die Möglichkeit, komplett fokussiert an frischem Material zu arbeiten, was gerade bei den vorherigen Veröffentlichungen so nie der Fall war. Die ungestörte Arbeit hat sich in meinen Ohren auch komplett ausgezahlt, denn mit seinem dezenten "back to the roots"-Vibe präsentiert "Heavy Pendulum" das wohl stärkste Material seit "Antenna" aus dem Jahr 2003. JR sieht das genauso und hat auch direkt einen Grund dafür parat: "Ich glaube, das Album profitiert auch davon, dass es das erste echte Studioalbum seit "Antenna" ist. Die drei Veröffentlichungen zuvor waren entweder ursprünglich nur als Demos geplant, die dann für einen offiziellen Release aufpoliert wurden, oder die Aufnahmen fanden komplett in unserem Proberaum statt, wie etwa für "White Silence"."

Angesprochen auf den persönlichen Lieblingssong auf "Heavy Pendulum", hat JR angesichts des durchgehend starken Songmaterial dann auch eine eher dipolmatische Antwort in petto: "Das ändert sich wirklich mit jedem Durchlauf der Platte. Aber 'Floating Skulls' ist einer der Songs, die mich ganz besonders faszinieren dank des wirklich ungewöhnlichen Zusammenspiels aller Instrumente. Aber würdest du mich nächste Woche fragen, könnte die Antwort auch wieder ganz anders lauten." Die letze Frage zum neuen Langeisen ist dann für mich zumindest offensichtlich, denn neben der starken Songs müssen wir auch über das Artwork sprechen, das ein wahrer Augenschmaus ist und laut Stephen auch eine durchaus interessante Hintergrundgeschichte hat: "Das Artwork stammt aus der Feder von Richey Beckett, der schon mit vielen großartigen Bands gearbeitet hat und ursprünglich war es für einige CAVE IN-Shows in Brooklyn gedacht, die wir für 2020 geplant hatten. Aus bekannten Gründen konnten die Konzerte natürlich nicht stattfinden, doch wir wollten das Artwork unbedingt trotzdem verwenden. So diente es am Ende als Inspiration für einige der neuen Songs. In der Form ist das wirklich ein Novum für uns, denn noch nie zuvor gab es das Artwork vor der Musik eines Albums bei CAVE IN."


Und damit nähert sich unser Gespräch auch langsam dem Ende, doch für zwei Fragen bleibt noch Zeit. Die wichtigste lautet natürlich, ob sich die Amerikaner bald auch wieder nach Deutschland verirren werden. JR hat diesbezüglich gute Nachrichten, denn noch ist zwar nichts spruchreif, doch Tourdaten in den USA und in Europa für den Herbst sind allerdings in Arbeit. Mit einem philosphischen Thema entlasse ich die beiden anschließend aus dem Interview, doch die Frage nach der etwas verworrenen Bandgeschichte der vergangenen beiden Dekaden kann ich mir nicht verkneifen. Ob Stephen sich jemals gefragt hat, ob das plötzliche Aus nach dem starken "Antenna" dem Erfolg der Band vielleicht im Weg gestanden hat, möchte ich daher zum Abschluss wissen. Der Sänger und Gitarrist gesteht, dass er angesichts der Pressearbeit zum neuen Langspieler häufiger über die gleiche Frage nachdenken musste, bereut die Entscheidungen aber offensichtlich nicht: "Wenn ich zurückblicke, war ich nach "Antenna" einfach komplett ausgebrannt. Wir haben so hart an diesen Songs gearbeitet, sie immer wieder umgeschrieben und für eine gefühlte Ewigkeit bereits vor Veröffentlichung auf Konzerten gespielt, ganz zu schweigen von den ausgedehnten Touren nach dem Release des Albums. Außerdem war für mich der ausbleibende kommerzielle Erfolg nach all dieser Arbeit eine besonders große Enttäuschung. Das konnte ich damals nicht richtig ausdrücken, was die Situation nur noch frustrierender machte. Hätten wir daher nicht diese Auszeit von vier Jahren genommen im Jahr 2006, ich glaube die Band wäre daran komplett zerbrochen. Wir alle brauchten einfach Zeit, um uns auch außerhalb von CAVE IN weiterzuentwickeln, was uns schlussendlich erlaubte jetzt als gestärkte Einheit wiederzukommen."

Ein schönes Schlusswort, das ich nur voll und ganz unterschreiben kann, denn wenn "Heavy Pendulum" eine Sache ist, dann ein eindrucksvolles Comeback dieser vielschichtigen, eigenständigen und großartigen Alternative-Rockband!

Redakteur:
Tobias Dahs

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