CANNIBAL CORPSE: Interview mit Jack Owen

01.01.1970 | 01:00

Die Leichenfledderer von CANNIBAL CORPSE zählen sicherlich mit zu den absoluten Größen im Business. Deshalb war meine Freude um so größer, endlich mal einen der Kannibalen am anderen Ende der Telefonleitung zu haben. Blöd jedoch, wenn - wie in diesem Fall Klampfer Jack Owen - der Gesprächspartner ziemlich gelangweilt, recht kurz angebunden und lustlos sein Ding abspult. Wenn man sich im Vergleich dazu anschaut, wie gesprächsfreudig beispielsweise MANOWAR oder etliche andere, kleinere Combos waren, so ist das irgendwie schon ein Armutszeugnis. Sei´s drum, viel Spass beim recht kurzen Schmökern:

Rouven:
Jack, habt ihr denn bisher schon Reviews von "Gore Obsessed" zu Gesicht bekommen? Ihr habt euch mit der überragenden letzten Scheibe die Messlatte ja selbst äusserst hoch gelegt...

Jack:
Ja, wir haben schon einiges an Feedback bekommen. Das, was mir zu Ohren gekommen ist, war durchaus positiv zu bewerten. Auch wenn "Bloodthirst" auf jeden Fall ein sehr gutes Album ist, so denke ich, haben wir uns nochmals steigern können und wieder ganze Arbeit abgeliefert.
Allerdings müssen wir noch abwarten, wie die Fans die Scheibe aufnehmen werden. Live kamen die paar Songs von "Gore Obsessed" auf jeden Fall gut an.

Rouven:
Habt ihr eigentlich euren Spass bei den X-Mass-Festivals gehabt? Das war ja ein verdammt starkes Billing!

Jack:
Auf jeden Fall! Die Tour war sehr cool. Tolle Bands, verrückte Fans und auch die Städte, in denen wir gespielt haben, fand ich wirklich klasse. Das sollten wir unbedingt mal wiederholen.

Rouven:
Geht´s denn mit dem neuen Langeisen im Gepäck jetzt auf Headliner-Tour?

Jack:
Ja, da werden wir bald in den Staaten loslegen. Dann geht´s nach Kanada, wahrscheinlich im April. Danach kommen einige Festivals, unter anderem auch Sachen wie das Wacken Open Air oder das With Full Force. Und entweder noch davor oder kurz danach soll es dann auf eine ausgedehnte Club-Tour durch Europa gehen.

Rouven:
Als ich mir "Bloodthirst" angehört habe, dacht ich mir etwas wie: "Diese Scheibe können die Jungs nicht mehr übertreffen. Unmöglich!"
Kannst du mir sagen, wo sich CANNIBAL CORPSE deiner Meinung nach nochmals verbessert haben?

Jack:
Also an erster Stelle würde ich da mal die Produktion nennen. Die knallt nämlich sehr ordentlich. Abgesehen davon auch technisch, das ist nämlich etwas, woran wir immer sehr viel arbeiten. Wir proben auch bis zu vier Mal in der Woche, da kommt das wohl zwangsläufig, da wächst man als Band auch in Sachen Timing unheimlich zusammen. Und schliesslich entwickeln wir uns auch als Songwriter immer weiter, wir wollen ja schliesslich nicht auf der Stelle treten.

Rouven:
Wenn du jetzt zurück schaust, hättest du dir den Erfolg, den CANNIBAL CORPSE in den letzten Jahren haben, damals träumen lassen?

Jack:
Nein, sicherlich nicht. Anfangs waren wir ja nur froh, wenn uns die Leute kannten. Als wir uns dann einen Namen gemacht haben, war der Wunschtraum, in Etwa so gross wie KREATOR oder damals vergleichbare Bands zu werden. Und jetzt...ja, jetzt sind wir wohl dort angelangt.

Rouven:
CANNIBAL CORPSE gibt´s nun ja auch schon eine ganze Zeit lang. Wie lange wollt ihr denn noch aktiv sein, habt ihr euch darüber schon mal Gedanken gemacht?

Jack:
Sicherlich, das kommt mit dem Alter (lacht). Für Metalblade Records machen wir auf jeden Fall noch zwei Alben, vielleicht auch drei, mal schauen. Auf jeden Fall wollen wir unseren Vertrag erfüllen. Und dann...tja, wer weiss, was die Zukunft so bringen wird? Aber bis 2006 kann man mit Sicherheit noch mit uns rechnen!

Rouven:
Ihr habt im letzten Jahr eine Live-CD samt DVD rausgebracht, etliche Studioalben und EPs eingespielt, wart fast auf der ganzen Welt schon live zu bewundern ? welche Pläne hat man da als Band noch?

Jack:
Och, eine ganze Menge! Zunächst einmal Schritt für Schritt, das heisst, sich von Album zu Album weiterzuentwickeln. Und wenn da nichts dazwischen kommt, dann machen wir das halt, bis wir alle alt und grau sind (lacht). Aber spezielle Ziele haben wir uns nicht gesteckt, wir haben im Prinzip, wie du schon angemerkt hast, viel mehr erreicht, als wir uns am Anfang haben träumen lassen.

Rouven:
Kotzt es euch eigentlich an, dass eure Plattencover gerade in Deutschland immer zensiert werden?

Jack:
Ja, schon irgendwie. Das ist richtig scheisse. Unsere Cover sind vielleicht nicht als besondere Kunstwerke zu bezeichnen, aber sie passen eben zur Musik. Sie sind im Prinzip ein teil von CANNIBAL CORPSE. Und wenn man dann jedes Mal dasselbe Problem hat, nervt das schon ziemlich. Aber egal, so lange uns nicht in der Musik selbst etwas zensiert wird, ist das noch zu verschmerzen.

Rouven:
Welche Gedanken stecken eigentlich hinter euren Lyrics? Chris Barnes von SIX FEET UNDER (früher auch CC-Grunzer - d. Verf.) sagte mir mal, er könne sich in den ganzen aggressiven und gewalttätigen Texten selbst gut abreagieren, insbesondere auf der Bühne. Abgesehen davon ist er ein grosser Splatter-Fan und möchte der Welt so auf seine Art und Weise zeigen, wie angepisst er ist.
Wie sieht das Ganze bei euch aus?

Jack:
Hm, da kann ich dir nicht allzu genau Auskunft geben, weil ich mit den Texten eigentlich nix zu tun habe. Aber wir arbeiten viel mit der Imagination, der Vorstellung von sicherlich teilweise auch grausamen Dingen. Ich denke, die heutigen Texte von CANNIBAL CORPSE sind deutlich fiktiver als damals zu den Zeiten von Chris. Wir sind alle grosse Film-Fans und abgesehen davon liest fast jeder in der Band leidenschaftlich gerne Stephen King. Ich glaube, das reicht schon als Erklärung, oder (lacht)?

Rouven:
Wenn man sich so umschaut, dann gewinnt man tatsächlich den Eindruck, dass der Death Metal - wenn auch nicht unbedingt in der Form, in welcher er zu Anfang der ´90er aufkam - wieder deutlich am aufsteigen ist. Eine Menge talentierter Newcomer und alte Hasen, welche die Flagge des klassischen DM weiterhin hochhalten.
Wie siehst du das Ganze?

Jack:
Da stimme ich dir zu. Insbesondere in Europa ist die Szene wirklich riesig und richtig stark geworden. Und dabei auch stilistisch nicht beschränkt, während wir in den Staaten zumeist nur irgendwelche Florida-Kopien haben, die alle mehr oder weniger nach uns oder MORBID ANGEL klingen. Wenn man Glück hat. Meistens wird dir da ja eh nur Nu Metal um die Ohren gehauen, und das geht mir langsam aber sicher richtig auf den Sack. Immer dasselbe. Aber um zurück zu deiner Frage zu kommen, ich denke, dass sich die Szene auch in Zukunft weiterhin so positiv entwickeln wird.

Rouven:
Ihr spielt in diesem Sommer, wie bereits erwähnt, auf einigen Festivals. Was ist dir persönlich lieber, ein kleinerer Club-Gig oder die riesige Mainstage in Wacken?

Jack:
Das hat auf jeden Fall beides seine Reize! Es ist ein unglaubliches Gefühl, zum Beispiel in Wacken vor so einer riesigen Menge zu spielen. In einem Club hast du dafür die richtige Metal-Atmosphäre mit jeder Menge Schweiss, und du hast die Fans praktisch "right in your face". Wenn du mich jetzt vor die Wahl stellen würdest, könnte ich mich nicht für nur eine Sache entscheiden. Das ist beides grossartig.

Rouven:
Welche Bands haben CANNIBAL CORPSE eigentlich so beeinflusst? Wenn man sich euren Werdegang so anschaut, dann ist der Weg von der primitiven Bolz-Truppe hin zur Frickel-Combo schon beeindruckend.

Jack:
Ich würde sagen, das waren weniger einzelne Bands, als viel mehr wir selbst. Das stumpfe Geprügel wurde irgendwann einfach stinklangweilig. Und wenn du dann, wie schon angesprochen, die ganze Woche mit Proben beschäftigt bist, wirst du zwangsläufig besser. Und das soll ja keine brotlose Kunst just for fun sein, sondern das willst du dann auch in deine Songs einbauen. So geht das dann kontinuierlich weiter, bis du halt auf dem Level bist, auf dem wir uns jetzt befinden (coole Sache, sollte ich auch mal ausprobieren...- d. Verf.).
Abgesehen davon willst du als Musiker - ich zumindest - auch kreativ sein. Und wenn du dasselbe Album zwei Mal hintereinander einspielst, bist du das ganz einfach nicht.
Bands, die uns beeinflusst haben - und es irgendwie auch immer noch tun - sind unter anderem die ganzen deutschen Thrash-Bands wie KREATOR, SODOM oder DESTRUCTION. So eine rohe Power und Aggressivität wie die früher, das bekommt heute glaube ich keiner mehr hin. Ausserdem natürlich noch VENOM und SLAYER, aber wer hat die nicht gehört?

Rouven:
Anderes Thema: Inwiefern hat euch der Tod von Chuck Schuldiner betroffen? Ich könnte mir vorstellen, dass DEATH doch mit Sicherheit auch eine Inspirationsquelle für euch waren, oder?

Jack:
Chuck und DEATH waren auf jeden Fall wichtig für uns. Hey, der Typ hat immerhin den Death Metal erfunden, ohne ihn sähe die Szene mit Sicherheit ganz anders aus. Die ersten beiden DEATH-Platten waren früher Pflicht im Proberaum, das war sozusagen der Startschuss für CANNIBAL CORPSE. Aber auch die späteren, sehr technischen Sachen fand ich klasse und vor allem interessant - da konnte man sich einiges abgucken (lacht).

Rouven:
Könnt ihr eigentlich von der Musik leben? CANNIBAL CORPSE sind ja immerhin sozusagen der "Marktführer" in Sachen Death Metal...

Jack:
Ja, mittlerweile können wir das. Wobei es schon hart ist, wenn wir nicht auf Tour sind, weil das ja auch nicht gerade wenig an Geld einbringt. Aber es klappt schon, und ich hätte neben CORPSE auch gar nicht die Zeit, noch gescheit arbeiten zu gehen.

Rouven:
Welches ist denn deine Lieblingsscheibe von euch?

Jack:
Hm, da bin ich jetzt mal sehr von unserer Arbeit eingenommen und sage einfach "Gore Obsessed"!

Rouven:
Und was dreht sich ausser eurem neuen Werk noch so in der heimischen Anlage?

Jack:
Eine ganze Menge, auch viel nichtmetallisches Zeug. Hey, nicht lachen! Man kann ja nicht immer nur brutalen Death Metal spielen, geschweige denn hören. Lass mich mal überlegen...die neue FU MANCHU und die SPIRITUAL BEGGARS. Ausserdem ne Menge HENDRIX, zum Entspannen. Und in letzter Zeit auch einiges an lateinamrikanischer Mucke, da gibt´s richtig coole Bands zu entdecken. Und das ist irgendwie auch ein guter Ausgleich zu dem, was wir mit der Band machen.

Rouven:
Da kann man ja mal gespannt sein, inwiefern sich das auf dem nächsten CC-Longplayer niederschlägt. Zu guter Letzt - noch ein paar abschliessende Worte an unsere Leser?

Jack:
Öhm, ja - Fight Censorship! Immerhin liegt es an den Leuten...vielleicht könnt ihr irgendwann einmal die Regierung dazu bewegen, dass sie unsere Platten gefälligst im Original veröffentlichen (lacht).
Wir sehen uns im Sommer und im Herbst! Stay brutal!

Redakteur:
Rouven Dorn

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