BIFFY CLYRO: Interview mit Simon, Ben und James

14.01.2013 | 07:12

Die schottischen Rocker BIFFY CLYRO haben den Autor mit "Revolutions - Live At Wembley" zum Fan gemacht. Das ist schweißtreibender, energischer Rock mit großartigen Hooklines. In Kürze erscheint das neue Doppelalbum "Opposites", das die Band erneut von ihrer allerbesten Seite zeigt. Wir trafen und sprachen das sympathische Trio in einem Berliner Hotel.

Am Tag vor dem Interview spielten die Drei eine intime Clubshow im Berliner "Bi Nuu" vor rund 250 Fans, wo sie bereits fünf Songs des neuen Werks vorstellten. Der ultimative Härtetest für das neue Album? "Das kann man durchaus so sagen.", eröffnet Sänger Simon das Gespräch. "Aber im Grunde hatten wir einfach nur einmal wieder Bock eine solche kleine, schweißtreibende Show zu spielen und nachdem wir zwei Jahre lang zu "Only Revolutions" getourt sind, hätte es sich für uns irgendwie nicht richtig angefühlt, mit der gleichen Show und ganz ohne neue Songs aufzutreten. Nein, das war auch für uns mental ganz wichtig so. Und dass die neuen Songs gestern gut angekommen, war natürlich auch sehr wichtig. Andererseits wäre es jetzt für Änderungen zu spät, das Album ist ja im Kasten.", lacht der Frontmann.

Wer eine Liveshow von BIFFY CLYRO gesehen hat und dann ein Album auflegt, wird schnell feststellen, dass es da ganz deutliche Unterschiede gibt. Livehaftig ist BIFFY CLYRO sehr viel härter, reduzierter und roher als auf den Studioalben. "Ja, das ist richtig und das machen wir auch ganz bewusst so. Ein Album zeigt BIFFY CLYRO für einen bestimmten Zeitraum, während ein Konzert diesen einen Moment einfängt. Wir lieben diese Energie der Liveshows und gehen jede Show an, als wäre es unsere letzte, da schießt das Adrenalin durch den Körper und wir geben richtig Gas. Deshalb haben wir uns auch auf den Gig gestern so gefreut, weil die Energie bei so kleinen Shows so viel schneller zirkuliert als in einer großen Halle und man sich gegenseitig pushen kann. Bei den großen Shows geht es immer nur zu 90% um die Musik und 10% sind das Drumherum, die Pyros und Effekte und so, aber bei so einem kleinen Gig geht es nur und ausschließlich um die Musik." Und Bassist James ergänzt: "Ich denke, dass es auch für den Zuschauer so sehr viel spannender ist. Wenn wir alles exakt wie auf Platte nachspielen würden, schaut man sich das einmal an, hat davor sicher auch großen Respekt, aber in Zukunft kann man dann auch das Album zu Hause anhören. Wir wollen aber, dass es für die Fans jedes Mal ein Erlebnis ist uns zu sehen." Ein Vorsatz, der mit Shows wie im "Bi Nuu" leicht umzusetzen ist. Simon übernimmt wieder und ergänzt: "Die Alben sind sicher freudlicher anzuhören, weil die Gitarren nicht so im Vordergrund stehen, aber sie sind halt auch sehr viel anspruchsvoller. Es gibt viele unterschiedliche Schichten, wir arbeiten mit großen Arrangements, Streichern und so etwas. Man kann da ganz detailliert arbeiten und auch da kann man den Hörern dann bei jedem Durchlauf wieder etwas Neues bieten."

Doch es gibt noch andere Dinge, die bei den Shows auffallen. Zum Beispiel, dass keiner der drei im Zentrum der Bühne steht und das die Gastmusiker an Gitarre und Keyboard auch optisch deutlich als solche zu erkennen sind. Es wird kein Zweifel daran gelassen, wer BIFFY CLYRO ist. "Das ist sehr schön, dass du das so siehst, denn genau das wollen wir auch ausdrücken.", übernimmt Schlagwerker Ben das Wort. "Wir nennen es immer das Biffy-Dreieck und wir waren zuletzt auch wegen der Gäste auf der Bühne nicht mehr ganz sicher, ob das wirklich noch so wahrgenommen wird. Wir könnten es uns auch einfach machen und wie andere Bands die Gäste hinter der Bühne verstecken, aber das ist nicht unser Stil, denn das sind ja auch Freunde von uns und jeder soll sehen, dass sie da sind und uns auf der Bühne helfen." Simon fügt hinzu: "Dazu musst du wissen, dass wir miteinander befreundet sind, seit wir sieben Jahre alt sind und seit einer Ewigkeit in dieser Besetzung zusammen Musik machen. Es ist für uns unvorstellbar, dass BIFFY CLYRO nicht nur wir drei sind und daran wird sich sehr wahrscheinlich auch nichts ändern, so lange uns nicht die Ideen für Songs ausgehen. Und dann würden wir wohl aufhören." Ein Trio, bei dem das Wort "Band" noch wirklich Bedeutung hat.


Doch kommen wir zu "Opposites": 20 Songs, Doppelalbum und doch ist dies vielleicht das einzig untypische für BIFFY CLYRO, denn musikalisch knüpft man nahtlos an "Puzzle" und vor allem "Only Revolutions" an, ohne dem Hörer das Gefühl zu geben hier Altbekanntes neu aufgewärmt vorgesetzt zu bekommen. Die zum Zeitpunkt des Interviews zwölf zugänglich gemachten Songs lassen kaum einen anderen Schluss zu. "Ja, ich denke, das ist eine durchaus richtige Beschreibung.", stimmt Simon zu. "Wir wollten unseren Weg fortsetzen und sehen "Puzzle", "Only Revolutions" und jetzt "Opposites" ein wenig wie eine fortschreitende Geschichte an. Nicht so sehr inhaltlich, sondern eher musikalisch. Ich denke, der Unterschied ist vor allem, dass wir mit jedem Album besser mit den Arrangements und der Tiefe der Songs geworden sind und das wir jetzt auf "Opposites" das Maximum aus dieser Art von Song herausgeholt haben. Wir sind alle sehr, sehr stolz auf das Album. Wir haben mit unglaublichen vielen zusätzlichen Instrumenten gearbeitet, die Songs sind extrem vielschichtig geworden - sowohl musikalisch als auch von der Produktion her - und im Augenblick können wir uns nicht im Ansatz vorstellen, wie wir da die Extreme noch mehr auslosten können und dabei noch nach BIFFY CLYRO klingen. Vielleicht werden wir jetzt beim nächsten Album also wieder mehr auf die Basis mit Gitarre, Bass und Schlagzeug zurückgehen und alles drumherum ausblenden." Genau so basisch komponieren und probieren die Drei ihre Songs sowieso seid jeher. "Ja, bevor wir auch nur einen Fuß ins Studio setzen, spielen wir die neuen Songs immer zusammen im Proberaum. So lange, bis wir wissen, dass sie live und im Studio funktionieren werden." Eine Einstellung, die alle Bands, die von Sound-Bibliotheken und 1.600 Spuren schwadronieren, vielleicht einmal übernehmen sollten.

Inhaltlich geht es um Entscheidungen im Leben, um die eigene Vergangenheit und die Zukunft. Eine Beschreibung wie sie manch einer bereits von STONE SOURs "House Of Gold And Bones" kennen könnte. "Oh nein, das Album ist noch nicht veröffentlicht und schon überholt.", lacht Simon. Aber natürlich ist Corey Taylor viel älter, die Geschichte ist nur 85% autobiographisch und eingebunden in eine SciFi-Story, also alles ganz anders. "Hahaha, das beruhigt uns jetzt sehr. Aber ich denke, wir alle kommen in unserem Leben an einen Punkt, wo wir merken, dass wir ein gewisses Alter erreicht haben und ungefähr das halbe Leben jetzt rum ist und man nicht mehr einfach alles auf sich zukommen lassen kann. Dann gilt es zu reflektieren, was man in der Vergangenheit getan hat, was vielleicht Mist war und was man besser machen kann und man macht sich Gedanken darüber, wie man seine Zukunft gestalten möchte und welche Träume man hat, die man noch umsetzen oder langsam begraben kann. Wir sind jetzt alle etwas über 30 und haben diesen Punkt halt erreicht und als Musiker hat man dann die Tendenz, darüber Songs zu schreiben.", lacht der Schotte wieder.


Unterteilt ist "Opposites" in die beiden Teile 'The Sand At The Core Of Our Bones' und 'The Land At The End Of Our Toes' (beides Textstellen aus dem tollen 'Sounds Like Balloons' - PK), die sich natürlich auch musikalisch unterscheiden sollen. "Ja, der erste Teil ist etwas düsterer und nachdenklicher, während der zweite Teil dann hoffnungsvoller, optimistischer und nicht mehr so isoliert klingt.", erklärt Simon. Das kann man nach dem Genuss von Songs wie 'Stingin' Belle', 'Sounds Like Balloons', 'Biblical', 'Black Chandelier', 'Victory Over The Sun' oder 'Picture A Knife Fight' auch durchaus so nachvollziehen. Wenn die anderen acht Songs auf dem Niveau des bisher bekannten Dutzends sind, dürfte "Opposites" als bislang stärkstes Album der Band in die Historie eingehen. Am 25. Januar ist es so weit, bis dahin könnt ihr zumindest die bereits veröffentichten Songs 'Stingin' Belle' und 'Black Chandelier' antesten.

Fotos (c) by Jasmin Kazi

Redakteur:
Peter Kubaschk

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